Читать книгу Arbeitsrecht - Philipp S. Fischinger - Страница 126

1. Arbeitsrechtliche Besonderheiten, § 310 IV 2 Hs. 1 BGB

Оглавление

207

Bei der AGB-Kontrolle sind gemäß § 310 IV 2 Hs. 1 BGB „die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“. Weil dies nicht nur bei der eigentlichen Inhaltskontrolle (§§ 307 ff. BGB), sondern bei den gesamten §§ 305 ff. BGB gilt, ist darauf vorab einzugehen.[151] Aufgrund der Unbestimmtheit der Vorschrift ist ihre Bedeutung umstritten. Als geklärt können aber wohl immerhin die folgenden Aspekte gelten:

Es sind nur Besonderheiten zu berücksichtigen, die auf dem Rechtsgebiet des Arbeitsrechts insgesamt bestehen, nicht aber die Besonderheiten bestimmter Typen von Arbeitsverhältnissen (z.B. befristete Verträge).[152]
Es muss sich nicht um Besonderheiten handeln, die ausschließlich auf dem Gebiet des Arbeitsrechts bestehen, es genügt auch, dass sie sich v.a. dort (praktisch) auswirken (z.B. § 888 III ZPO, s. Rn. 209).[153]
Nach h.M. sind nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Besonderheiten des Arbeitslebens berücksichtigungsfähig.[154]

208

Folgen: Die Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten kann sowohl dazu führen, dass eine Klausel, die im allgemeinen Zivilrechtsverkehr unzulässig wäre, zulässig ist, wie umgekehrt eine im allgemeinen Zivilrecht zulässige Abrede unzulässig sein kann. Die Bedeutung von § 310 IV 2 Hs. 1 BGB zeigt beispielhaft Fall 7.

209

Lösung Fall 7: Nach § 309 Nr. 6 BGB sind formularmäßige Vertragsstrafenregelungen eigentlich apodiktisch unzulässig. Auf Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen, mit denen der Arbeitgeber die vereinbarte Aufnahme der Arbeit oder die Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist sichern will, ist die Norm nach h.M. aber wegen § 310 IV 2 Hs. 1 BGB unanwendbar.[155] Die arbeitsrechtliche Besonderheit besteht darin, dass der (titulierte) Primäranspruch des Arbeitgebers (d.h. derjenige auf Erbringung der geschuldeten Dienstleistung) nach § 888 III ZPO nicht vollstreckt werden kann. Da zudem Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Arbeitspflicht oft daran scheitern, dass sich ein kausaler Schaden nicht beweisen lässt, soll es dem Arbeitgeber wenigstens mittels Vertragsstrafen möglich sein, auf den Arbeitnehmer (finanziellen) Druck zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Arbeitspflichten auszuüben. Dieser arbeitsrechtlichen Besonderheit kann nur durch eine Nichtanwendung von § 309 Nr. 6 BGB auf formularmäßige Vertragsstrafenabsprachen Rechnung getragen werden. Daraus folgt aber wiederum nicht, dass Vertragsstrafen im Arbeitsrecht unbeschränkt zulässig wären, sie sind vielmehr an § 307 BGB zu messen (s. dazu Rn. 611).

Hinweis:

In einer Klausur sollte bei der AGB-Kontrolle wegen § 310 IV 2 Hs. 1 BGB immer in drei Schritten vorgegangen werden:[156]

(1) Zunächst ist eine „normale“ AGB-Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB durchzuführen.
(2) Sodann ist zu prüfen, ob arbeitsrechtliche Besonderheiten bestehen, die eine abweichende Bewertung erfordern. Dabei ist zu fragen, ob im Arbeitsrecht eine besondere Interessenlage besteht, die eine Modifikation der §§ 305 ff. BGB gebietet.[157]
(3) Ist dies zu bejahen, so ist zu würdigen, wie (Unanwendbarkeit oder Modifikation einer Vorschrift aus den §§ 307 ff. BGB?) diese Besonderheiten „angemessen zu berücksichtigen“ sind.
Arbeitsrecht

Подняться наверх