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6. Rentenhöhe und Rentenanpassung[68]

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Fall 10: V hat 25 Jahre lang bei der Firma F gearbeitet. Die von ihr zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge entsprechen 90% des Durchschnittsentgelts aller Versicherten. V beantragt nach Erreichen der Altersgrenze im Januar 2020 Altersrente und fragt, wie hoch diese sein wird. Rn 428

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a) Die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung sind im Grundsatz lohn- und beitragsbezogen: Gemäß § 63 Abs. 1 SGB VI richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während eines Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen.

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b) Für die Berechnung der einzelnen Rente sind vier Faktoren bestimmend (vgl § 64 SGB VI): Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird zunächst gemäß § 63 Abs. 2, § 70 SGB VI in Entgeltpunkte umgerechnet; die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres (gemäß Anlage 1) ergibt einen vollen Entgeltpunkt (1,0). Wer, etwa teilzeitbeschäftigt, drei Viertel des Durchschnittsentgelts erzielt hat, bekommt 0,75 Entgeltpunkte, wer um die Hälfte mehr verdient als das Durchschnittsentgelt, bekommt 1,5 Entgeltpunkte. Die Rentenleistung des jeweiligen Versicherten wird also durch die Anzahl der erreichten Entgeltpunkte (auf Grund seines versicherten Arbeitsentgelts und seiner Versicherungsdauer) bestimmt. Für beitragsfreie Zeiten werden gemäß §§ 63 Abs. 3, 71 SGB VI Entgeltpunkte angerechnet. Durch die Umrechnung in Entgeltpunkte wird abstrahierend eine Bewertung erreicht, die von der weiteren Lohn- und Preisentwicklung sowie der Höhe des Beitragssatzes unabhängig ist. Gemäß § 63 Abs. 5 SGB VI werden sodann Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer nach Maßgabe von § 77 SGB VI durch einen Zugangsfaktor vermieden. Dieser beträgt 1,0, wenn die Regelaltersrente mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen wird. Verschieben Versicherte den Rentenbeginn, erhöht sich der Zugangsfaktor, wird die Altersrente vor der gesetzlich maßgeblichen Altersgrenze beansprucht, vermindert er sich.

Die Vervielfältigung des den Versicherten betreffenden Zugangsfaktors mit den von ihm erreichten Entgeltpunkten (also die Verbindung der ersten beiden Faktoren), ergibt die persönlichen Entgeltpunkte (§ 66 SGB VI). Bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte sind die Vorschriften der §§ 70 ff SGB VI zu beachten. § 70 Abs. 2 SGB VI gibt hier neben anderem einen Anreiz, neben der Kindererziehung in eingeschränktem Umfang erwerbstätig zu bleiben; die dabei erworbenen Entgeltpunkte werden nach Maßgabe des Satzes 2 iVm Anlage 2b aufgestockt.

Gemäß § 63 Abs. 4 SGB VI wird drittens das Sicherungsziel der jeweiligen Rentenart im Verhältnis zu einer Altersrente durch den Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) bestimmt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht alle Renten demselben Sicherungsbedarf dienen (siehe § 67 Nr 2, 5–8 SGB VI). Schließlich wird viertens durch den aktuellen Rentenwert dafür gesorgt, dass sich die jeweilige Lohn- und Gehaltsentwicklung auf die Rentenhöhe auswirkt: Entsprechend der Entwicklung des Durchschnittsentgelts unter Berücksichtigung der Veränderung des Beitragssatzes zur allgemeinen Rentenversicherung und der Veränderung des Rentnerquotienten wird der aktuelle Rentenwert gemäß §§ 63 Abs. 7, 68 f SGB VI jährlich durch Rechtsverordnung bestimmt[69].

Die Größe des aktuellen Rentenwerts gewährleistet, dass sich die Renten nicht am nominellen Wert der (zum Teil vor Jahrzehnten gezahlten und somit gemessen an der Preissituation bei Rentenbeginn niedrigen) Beiträge orientieren, sondern die im Zeitlauf eingetretene wirtschaftliche Entwicklung aufnehmen (Dynamisierung, Rn 364).

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c) Unter Berücksichtigung dieser vier Faktoren ergibt sich der Monatsbetrag der Rente nach folgender Rentenformel (§ 64 SGB VI): Die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte (EP), der Rentenartfaktor (RF) und der aktuelle Rentenwert (ARt) werden mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander multipliziert. Die Rentenformel stellt sich also folgendermaßen dar:

Monatsrente = EP × RF × ARt.

Für die Berechnung der Renten ist also nicht die absolute Höhe der eingezahlten Beiträge bzw der mit diesen Beiträgen versicherten Entgelte maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der Anteil der Versichertenentgelte am jeweiligen Durchschnittsjahresentgelt. Es kommt damit für den Wert eines Beitrags jeweils auch auf das Jahr an, in dem bzw für das der Beitrag gezahlt worden ist. Liegt das versicherte Entgelt über dem Durchschnittsverdienst aller Versicherten eines Kalenderjahres, ergibt sich mehr als ein Entgeltpunkt, liegt es darunter, ergibt sich entsprechend weniger als ein Entgeltpunkt. Die Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten bestimmen sich nach dem durchschnittlichen Gesamtwert aller für Beitragszeiten erreichten Entgeltpunkte (Gesamtleistungsbewertung, § 71 SGB VI).

Im Ausgangsfall 10 erhält V für jedes Jahr ihrer Berufstätigkeit 0,9 Entgeltpunkte (§§ 63 Abs. 2, 70 Abs. 1 S. 1 SGB VI), also (25 × 0,9) 22,5 Entgeltpunkte (EP). Bei der Altersrente beträgt der Rentenartfaktor (RF) 1,0 (§ 67 Nr 1 SGB VI). Der aktuelle Rentenwert (ARt) beträgt bei Antragstellung im Januar 2020 33,05 Euro für die alten Bundesländer. Also ergibt sich gemäß § 64 SGB VI eine Monatsrente von 22,5 × 1 × 33,05 Euro = 743,63 Euro.

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d) Die Anpassung der Renten[70] erfolgt zum 1. Juli eines jeden Jahres, indem der bisherige aktuelle Rentenwert durch den neuen aktuellen Rentenwert ersetzt wird (§ 65 SGB VI). Dies geschieht gemäß § 69 SGB VI durch Rechtsverordnung[71]. Bei der an der Entwicklung der Bruttolöhne orientierten „modifizierten Bruttolohnanpassung“ (Rn 367) erfolgt eine Anpassung entsprechend dem prozentualen Anstieg der Bruttoverdienste aller Beschäftigten im Durchschnitt. Dieser Prozentsatz wird zum einen um die Veränderung des Rentenversicherungsbeitrags korrigiert; steigt der Beitrag, fällt die Anpassung geringer aus. Der Prozentsatz reduziert sich zudem um den Altersvorsorgeanteil; dadurch fielen die Rentenanpassungen in den Jahren von 2003 bis einschließlich 2012 um jeweils[72] 0,5% niedriger aus, seit 2013 ist der Altersvorsorgeanteil festgeschrieben.

Die Rentenanpassung wird darüber hinaus durch den Nachhaltigkeitsfaktor beeinflusst (§ 68 Abs. 1 S. 3 Nr 3, Abs. 4 SGB VI). Dieser soll dem sich ändernden Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern Rechnung tragen. Aufgrund des Nachhaltigkeitsfaktors fällt die Rentenanpassung umso geringer aus, je ungünstiger das Zahlenverhältnis von Rentnern und Beitragszahlern ist.

Der Nachhaltigkeitsfaktor bestimmt sich aus der Veränderung des Rentnerquotienten und einem Parameter alpha, dessen Wert mit 0,25 festgelegt wurde, und der damit die Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors abmildert. Der Rentnerquotient gibt das Verhältnis zwischen Rentnern und Beitragszahlern wieder[73].

Die Anpassung des aktuellen Rentenwerts (ARt), der Bestandteil der Rentenformel (Rn 428) ist, erfolgt vor diesem Hintergrund gemäß § 68 Abs. 1 S. 3 SGB VI wie folgt: Der alte aktuelle Rentenwert (Beispiel: am 30. Juni 2019 32,03 Euro – West und 30,69 – Ost) wird mit dem Faktor für die Veränderung des Bruttolohns (ermittelt gemäß § 68 Abs. 2 SGB VI)[74] und mit dem Faktor für die Veränderung des Rentenbeitragssatzes (ermittelt gemäß § 68 Abs. 3 SGB VI)[75] und mit dem Nachhaltigkeitsfaktor (ermittelt gemäß § 68 Abs. 4 SGB VI)[76] vervielfältigt. Es ergibt sich danach die in § 68 Abs. 5 SGB VI enthaltene Rentenanpassungsformel. Die Schutzklausel des § 68a SGB VI[77] sorgt dafür, dass sich der bisherige aktuelle Rentenwert nicht vermindert, wenn die Berechnung nach § 68 SGB VI ergibt, dass der aktuelle Rentenwert geringer wäre als der bisherige; eine „Minusanpassung“ ist also ausgeschlossen. Greift die Schutzklausel ein, ergibt sich für zukünftige Erhöhungen des aktuellen Rentenwerts ein Ausgleichsbedarf. Gemäß § 255g SGB VI[78] ist die Berechnung des Ausgleichsbedarfs nach § 68a SGB VI bis zur Anpassung im Jahr 2026 ausgesetzt. Damit ist nach der Intention des Gesetzgebers bis 2025 durch die Niveauschutzklausel (§ 154 Abs. 3 S. 1 iVm § 255e SGB VI) ein Sicherungsniveau vor Steuern von mindestens 48% gewährleistet (Rn 369).

Das Rentenniveau beträgt für 2019 mit dem nach der bisherigen Rentenanpassungsformel errechneten aktuellen Rentenwert 48,16%; die Niveauschutzklausel kam somit in 2019 nicht zum Tragen.

3. Teil Sozialversicherung und Arbeitsförderung§ 11 Rentenversicherung › V. Geförderte private Altersvorsorge

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