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Im Schwimmbad

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Das war gerade mal einen Monat her, und schon saßen die drei im Auto und fuhren fern jeder Verkehrsordnung durch die nachtschlafende Innenstadt dem Stadtbad entgegen. Levi saß mit ernstem Gesicht am Steuer, Marc neben ihm und Paul lag quer über der Rückbank, wohin er sich in den bereits anfahrenden Wagen geworfen hatte.

»Stadtbad? Meinst du, sie schwimmt sich dort zu Tode?«, fragte Marc mit einem amüsierten Seitenblick zu Levi, der das allerdings nicht komisch fand.

»Nein, aber zu Tode springen vielleicht, oder glaubt ihr, ich fahre zum Spaß bei Rot über sämtliche Ampeln?«

»Wunderte mich schon, dachte aber, solange es mein Wagen ist, machst du dir da keine Gedanken«, meldete sich Paul von der Rückbank.

Levi antwortete nicht, sondern starrte mit versteinertem Gesicht vor sich auf die Straße. In seinem Kopf tobten die unterschiedlichsten Szenarien, wie sich Rebecca an ihm rächen könnte, ihn mit dem Gefühl, sie zum Selbstmord getrieben zu haben, zurücklassend. Hauptsache sie hatte das letzte Wort behalten. Sie war selbstbezogen wie ein Kind, aber auch bis zur Selbstaufgabe leidenschaftlich, was Levi in guten Zeiten zu genießen wusste. Leider galt das auch für jede Art von Emotion. Levi hielt es durchaus für möglich, dass sie die Trennung so verletzt hatte, dass der Wunsch nach Vergeltung ihren Selbsterhaltungstrieb verdrängte und sie ihre Drohung am Telefon wahr zu machen im Stande war.

»Ach, du meinst, sie stürzt sich vom Sprungturm?«, beendete Marc Levis Grübeleien.

»Ja, genau das denke ich«, stieß Levi zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Er musste sich gerade konzentrieren, fuhr er doch, um dem Gegenverkehr auszuweichen, auf dem Gehsteig entgegen einer Einbahnstraße und ahnte Fußgänger.

»Sie hat die vielen Male, die wir im Stadtbad waren, oft scherzhaft aus Angst vor einem Sprung vom Zehnmeterbrett gesagt, dass sie nichts außer Selbstmordgedanken auf diesen Turm brächten. Nun haben wir die Situation, und das Becken ist seit kurzem abgelassen.«

Seine Mitfahrer schwiegen betreten, bis sie im Stadtpark mit dem angrenzenden Freibad ankamen. Levi nutze die Nacht, schaltete die Autolichter aus und fuhr quer über die Rasenanlage auf das Bad zu, bremste nahe des großen Schwimmbeckens abrupt ab und sprang aus dem Auto, Paul und Marc hinterher. Das Becken lag im fahlen Licht müder Laternen am zur Straße gezogenen Zaun des Freibades, den sie überstiegen. Der Himmel war aschgrau, die Dämmerung ließ noch Stunden auf sich warten. Nichts rührte sich, und außer dem schnellen Atem von Levi war kein Geräusch zu hören.

»Rebecca«, rief Levi leise, um anschließend den Namen über die gesamte Freibadfläche zu brüllen, seine eigene Angst im Nacken. Keine Antwort. Schweigend standen die drei am Rand des Beckens und versuchten vergeblich dessen Grund zu erkennen. Sie starrten in ein tiefschwarzes Loch und hofften, dass da unten nichts als dunkle Leere war.

»Wir könnten hinunter klettern.«

»Um was zu tun? Mit Stöcken wie Blinde den Boden abtasten?«

Levi schien wenig begeistert von Pauls Vorschlag, fürchtete er sich doch vor dem, was er am Boden des Beckens finden könnte.

»Hat jemand ein Feuerzeug, Streichhölzer oder so was?«

Marc verneinte, doch Paul lief plötzlich zurück zum Wagen, kramte erst im Kofferraum, dann im Fond, als er schließlich unter dem Beifahrersitz fündig wurde.

»Ich habe sie, ich habe sie«, rief er und lief auf seine Freunde zu, in der Hand eine Baustellenlampe.

»Was hast du?«

»Einen Kühlschrank, und wenn wir ihn aufmachen, geht das Licht an, du Held. Natürlich eine Lampe«, stöhnte Paul über Marcs Frage, und Levi griff nach ihr.

»Wo hast du die denn plötzlich her?«

»Hier unten den Schalter«, kam ihm Paul beim Versuch, die Lampe anzustellen, zur Hilfe. »Die ist aus dem Kino. Bones wollte sie an seiner Bar aufhängen, vergaß sie aber in meinem Auto.«

Levi leuchtete mit dem mattgelben Licht der Lampe vom Rand des Beckens in die Tiefe und hellte wenige Quadratmeter des Bodens auf. Auf diese Art umrundete er das gesamte Schwimmbecken, bis er erleichtert feststellte, dass Rebecca zumindest in diesem nicht lag.

»Ok, Entwarnung. Doch wo steckt sie dann?«, fragte er mehr sich selbst als die beiden anderen.

»Vielleicht ist sie ja zwischenzeitlich wieder zuhause?«, hoffte Marc, und Paul wünschte, selbst bald heimzukommen. Morgen musste er seine Fotoarbeit fertig stellen und bis vier Uhr Nachmittag abgegeben haben. Er traute Rebecca alles zu, nur keinen Selbstmord. Diese Frau war viel zu selbstsüchtig, als sich umzubringen. Eher ging Levi drauf.

»Vorher fahren wir aber noch mal zum Bahnhof, keine Ahnung, ist nur so ein Gefühl«, entschied Levi und gab Paul dessen Wagenschlüssel zurück.

»Bitte fahr du.«

Am Bahnhof ging er an jeden noch offenen Schalter, den Info- Point, ja selbst zu einzelnen Bahnbeamten und zeigte ihnen ein Foto von Rebecca aus seiner Brieftasche. Doch vergebens, keiner hatte sie in den letzten Stunden am Bahnhof gesehen. Levi ließ noch einen langen Blick über die Gleise schweifen und beschloss, endlich heimzukehren.

»Wir können ja noch ein paar Runden in ihrer Gegend drehen«, schlug Paul vor.

»Ich glaube nicht, dass wir da noch viel erreichen werden«, zweifelte selbst Levi, und Marc nickte.

»Wenn sie sich etwas antun wollte, kann sie überall sein. Vollgepumpt mit Tabletten könnte sie sich irgendwo vor einen Lkw werfen oder bereits an irgendeinem Haken an irgendeiner Wand hängen«, resignierte er und wandte sich zum Gehen.

Schweigend fuhren die drei nochmals zu Rebeccas Wohnung. Levi klingelte ungefähr fünf Minuten, ehe er überzeugt war, dass er alles versucht hatte, sie zu finden. Morgen, dachte er bei sich, rufe ich ihre Eltern an und notfalls die Polizei.

Jeder der drei schlief in dieser Nacht schlecht. Paul allerdings, weil er wieder und wieder den Abend mit Nina Revue passieren ließ und versuchte, sich an ihren Geruch, ihr Lachen, ihre Haare, die hellen Augen, an alles, was sie zu ihm gesagt hatte, zu erinnern. Marc wälzte sich unruhig in seinem Bett, ihn hatten die Ereignisse an den Selbstmord seines Bruders vor elf Jahren erinnert, und Levi grübelte, ob sein Schritt, sich zu trennen, richtig gewesen war.

Rebecca hingegen saß nach dem Anruf bei Levi noch eine Weile grinsend vor ihrem Telefon, zog sich dann um und verließ die Wohnung in Richtung Eden, einem kürzlich eröffneten Club. der Stadt. Sie hatte mitnichten daran gedacht, sich in einem Anfall von Selbstmitleid umzubringen. Sie wollte ihre Rache kalt genießen. Deshalb traf sie sich um ein Uhr nachts noch mit Bernd, dem Henker.

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