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Gute-Nacht-Geschichte
ОглавлениеZwischenzeitlich war Rebecca mit dem, was sie im Spiegel sah, zufrieden. Frech, aber elegant und sicher bestens gekleidet für Männer, vor denen die eigene Tochter nicht sicher war. Wenn sie Alexander vorhin am Telefon richtig verstanden hatte, würde sein Vater das Vorstellungsgespräch führen und Gefallen daran finden, sich etwas frisches Blut in die Abteilung zu holen. Es war ein glücklicher Zufall, dass sie vor ungefähr einer Woche von Alexander erfuhr, dass das Polizeipräsidium eine Bürohilfe für zwanzig Wochenstunden suchte. Ohne ihn in ihre Pläne einzuweihen, zeigte sie sich interessiert und ließ ihn in dem Glauben, ihr einen Gefallen zu tun, wenn er sie seinem Vater empfahl.
Wie gut konnte sie sich noch an das letzte Treffen erinnern, als ihr Levi den Zweitschlüssel zurückgab und sie allein auf der Straße stehen ließ. Unzählige Male hatte sie diese Szene Revue passieren lassen und nach Worten gesucht, die sie vergessen hatte, ihm hinterher zu schleudern. Als der erste Schmerz nachließ und sie sich die Scherben ihrer Beziehung besah, überkam sie Angst vor dem Loch der kommenden Tage. Mehr noch aber wuchs die Wut und der Wunsch, es ihm heimzuzahlen. Er hatte sie enttäuscht und verletzt und sollte das nie mehr vergessen. Nächtelang grübelte sie, wie sie ihn am besten treffen könnte. Den Wunsch, er möge zu ihr zurückkommen, verspürte sie dabei kein einziges Mal.
Letztlich war es Bernd, der unfreiwillig den Anstoß zu einem möglichen Plan gab und das schon vor Monaten. Es begann mit einer kleinen Auseinandersetzung zwischen ihr und Levi im Anschluss an einen Besuch im Henker, als sie ihm einmal mehr die Rückgratlosigkeit seinem Vater gegenüber vorwarf. Es ging um eine Familienfeier, an der Levi Rebecca bat, seinem Vater zuliebe nicht teilzunehmen. Nicht, dass sie Lust dazu gehabt hätte, aber ausladen ließ sie sich noch lange nicht. So bestand sie als seine Freundin auf einer Einladung und bohrte immer tiefer in Levis Wunde, der unfähig war, sich gegenüber seinem Vater durchzusetzen. Bernd hatte dieses Gespräch belauscht und bei einem späteren Treffen Rebecca beigepflichtet, gegenüber Levis Vater nicht klein beizugeben.
»Der tanzt doch selbst auf ganz dünnem Eis«, schloss er das damalige Gespräch und erkannte an Rebeccas Gesichtsausdruck, dass er zuviel gesagt hatte.
Sie ging jedoch nicht auf diese Bemerkung ein, und so verdrängte Bernd den Vorfall bis vor knapp zwei Wochen, als er das letzte Mal mit Rebecca im Bett gelandet war. Er war beinahe eingeschlafen, als sie ihn plötzlich fragte, wie es denn seiner Frau und Tochter so ginge.
»Wie bitte kommst du ausgerechnet jetzt auf meine Familie?«, gähnte er müde. Doch plötzlich schwante ihm, worauf Rebecca abzielte und drehte sich hellwach zu ihr um. Sie grinste ihn an und bestätigte seine Vorahnung, als sie so unschuldig wie ein Mädchen in ihrem Alter nur sein konnte, mehr sich selbst als ihn fragte, was wohl seine Frau davon hielte, ihn mit einer anderen im Bett zu sehen. Bernd stöhnte auf und verfluchte den Tag, an dem er Rebecca von seiner Familie und den damit verbundenen Problemen der letzten Zeit erzählt hatte.
»Ich denke, sie wird es weder schätzen noch muss sie davon erfahren«, versuchte er seiner Stimme Sicherheit zu verleihen, doch Rebecca wusste ihn an der Angel.
»Das sehe ich genauso, doch manchmal ist es nur eine falsch gewählte Nummer und schon liegt der schöne Schein in Scherben.«
»Was willst du?«, fuhr Bernd sie an, doch Rebecca antwortete sanft:
»Nichts Besonderes, nur eine kleine Gute-Nacht-Geschichte.«
Ungläubig schaute Bernd sie an und lachte, was er aber hätte besser bleiben lassen, denn Rebecca war nicht zum Lachen zumute.
»Wusste nicht, dass deine Zukunft so lächerlich ist«, herrschte sie ihn an, und Bernd verstummte.
»Welche Gute-Nacht-Geschichte?«, fragte er schließlich, und Rebecca lehnte sich zufrieden zurück.
»Ein bisschen Klatsch und Tratsch, bevor wir schlafen gehen. Zum Beispiel, was Levis Vater so tut oder besser hätte lassen sollen.«
Bernd kaute auf seiner Unterlippe herum und suchte nach einer weniger verfänglichen Wahrheit, doch ihm fiel nichts ein. So sah er Rebecca schweigend an und versuchte sich zu erinnern, was ihm einst an ihr so gefallen hatte. Doch Rebecca ließ ihm wenig Zeit für solche Gedanken und zitierte seinen Satz von Levis Vater auf dem dünnen Eis.
Bernd saß in der Zwickmühle. Nicht, dass ihm an den Goldsteins irgendwas gelegen wäre, im Gegenteil, doch betraf diese Geschichte auch seine eigene Familie und lieferte dieser Verrückten unter Umständen weiteres Material, ihn unter Druck zu setzen. Doch das konnte sie jetzt schon, und sie wusste das. Er war erpressbar, und der Grund hierfür lag nichts ahnend im heimischen Ehebett.
Und das sollte so bleiben. Rebecca wusste von Bernd, dass es um seine Ehe nicht besonders stand. Doch er hatte ihr auch von seinen finanziellen Problemen erzählt, von seinen Schulden infolge falscher Versprechungen windiger Kapitalanleger. Zu verlockend war die Aussicht, sein Geld zu mehren, ohne sich weiter mit Restaurant und Kinos herum schlagen zu müssen. Wenn es nur sein Geld gewesen wäre, und genau hier hatte Rebecca ihn an den Eiern. Es war das Geld seiner Tochter. Seine Eltern hatten ihre Enkelin als Haupterbin eingesetzt und ihn bis zu deren Volljährigkeit als Nachlassverwalter bestimmt, nachdem er erklärt hatte, nicht in das Familienunternehmen einsteigen zu wollen.
Was seine Frau jedoch nicht wusste, war das kleine, aber bedeutsame Detail, dass von dem Erbe kaum noch etwas übrig war, und Bernd keine Ahnung hatte, was er seiner Tochter zu deren 18. Geburtstag übergeben sollte. Zum Glück waren es bis dahin noch gute acht Jahre, doch eine Trennung von seiner Frau hätte das vorzeitig ans Licht gebracht und ihn in große Schwierigkeiten. Diese drohten ihm aber auch, wenn er Rebecca von der Vergangenheit der Goldsteins erzählte und damit alte Wunden auch seiner Familie aufriss. Wunden, die seine Existenz gefährden könnten. Doch was hatte er für eine Wahl?
»Was interessieren dich diese alten Geschichten?«, startete er einen letzten Versuch, sie umzustimmen, doch Rebecca lächelte nur müde.
»Zerbrich dir nicht meinen Kopf und keine Sorge, du spielst dabei keine Rolle.«
Bernd zögerte noch, doch Rebecca hatte Zeit. Schließlich begann er zu erzählen, und die Zukunft ihres Ex-Freundes verdunkelte sich.
Bernds schmutziges Familiengeheimnis erwies sich als das gesuchte Loch, in das sie Levi und dessen ganze Mischpoke versenken wollte. Nun aber galt es, einen Weg zu finden, die Puzzelteilchen ihres Plans geschickt zusammenzusetzen. Einfach Anzeige erstatten war ausgeschlossen. Keinesfalls wollte sie mit dem öffentlichen Echo auf diese Enthüllung in Verbindung gebracht werden. Dennoch sollten Vater und Sohn ahnen, mit wem sie sich angelegt hatten. Sie musste strategisch vorgehen und suchte nach dem geeigneten Weg, den Keil zwischen Vater und Sohn zu treiben. Ob Alexander und dessen Vater ihr dabei helfen konnten, würde sich zeigen. Doch sie ahnte, dass sich hier das gesuchte Fenster auftat, seit Levi ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte.