Читать книгу kinda bitch - Ralf During - Страница 16
Scherbenhaufen
ОглавлениеUngeeignet fand auch Paul, dass ihm Nina ausgerechnet per SMS das geplante Treffen absagte. Sie sei krank und könne nicht arbeiten, aber man sähe sich demnächst.
»Wie demnächst und vor allem wo?«, fragte sich Paul laut, als er durch die Schwingtür der Mensa ging. Zwei vor der Tür wartende Kommilitonen schauten ihn verwundert an, er aber winkte nur ab und ging ohne ein weiteres Wort an diesen vorüber.
Jetzt bin ich auch noch der Spinner an der Uni, der laut vor sich hinredet, dachte er verärgert, war aber sofort wieder bei Nina und der dürren Kurzmitteilung, die ihn völlig ratlos machte. Wie nur sollte er darauf reagieren?
Soll ich ihr jetzt gute Besserung wünschen und fragen, wo und wann demnächst wäre, oder soll mir die SMS sagen, halt dich aus meinem Leben raus, ich fand dich schrecklich und habe den Mann meiner Träume bereits getroffen, grübelte er erschrocken über diesen Gedanken.
Was wenn sie in diesem Augenblick bei dem Typen ist und sich halb krank lacht, wie naiv ich bin, zu glauben, so eine Frau interessiere sich ausgerechnet für mich, den Träumer, den Pornofilmkartenabreißer. Solche Mädels haben ja meist Typen, die irgendwo nen coolen Job haben, fett die Kohle und mindestens zehn Jahre älter sind. Vermutlich irgend so ein Kunstheini aus dem Museum mit eigener Galerie und ständigen Vernissagen, wo er Nina als Trophäe herumzeigen kann. Ja, das dürfte diesem verwöhnten Girly gefallen, mir aber was von – man muss ja nicht immer nur reden – erzählen und so tun, als ob sie sich für mich und meine Familie interessiert. Den ganzen Abend hat sie vermutlich ständig auf ihre Uhr geschaut, immerhin wollte sie plötzlich gehen, weil sie ja ach so viel zu tun hätte. Die ganze Story mit dem Theaterbesuch und dass sie auch mal Modell sitzen mag, alles nur blah blah. Klar, krank ist sie und kann nicht mal persönlich anrufen, vermutlich, weil sie ihre Zunge grad nem anderen in den Mund steckt. Paul stöhnte auf.
Von wegen kein Mädchen, das gleich über die Stränge schlägt. Vermutlich springt die mit jedem Erstbesten in die Kiste, Hauptsache er passt ins Klischee eines Anwaltstöchterchens. Was soll das übrigens heißen, ich bin krank? Ich sterbe? Ich habe mir den Fingernagel eingerissen? Oder mache ich sie krank? Klar war der Scherz mit dem Fisch im Glas und der Briefmarkensammlung wenig originell, aber ich hab schon Schlimmeres gehört. Aber nein, sie kann ja nicht einfach absagen, sie muss ja gleich voll das Drama daraus machen, weil sie ja ach so krank und voll zu bemitleiden ist. Vor allem ohne Anrede oder liebe Grüße, da kann sie ja gleich du Arsch schreiben, und das wars. Keine Entschuldigung oder einen konkreten Vorschlag, wann demnächst ist. Das heißt wohl, dass Schluss ist…, tickten die Gedanken weiter in seinen Schläfen und ließen Paul nicht stillstehen.
Plötzlich war ihm der ganze letzte Abend mit Nina peinlich. Wie naiv er noch gedacht hatte, ihr hätten seine Erzählungen und der Besuch im Henker gefallen. Natürlich war ihr Lachen aufgesetzt, glaubte er sich zu erinnern und verfluchte, wie leicht er auf ihre großen Augen und die süße Art, ihre Nase zu rümpfen, wenn sie anderer Meinung war, hereingefallen war. Wie falsch jetzt ihr Abschiedskuss schmeckte und wie endlos weit dieser Abend plötzlich schien. Da war er, dieser Schmerz auf Höhe des Brustbeines, diese kalte Hand, die sich auf seine heiße Stirn legte und diese Unruhe, die ihn ziellos herumirren ließ. Ihm war schlecht.
Er war ohne darüber nachzudenken an den Campus Teich gelaufen, fand dort aber zu viele Leute vor und zog es vor, das Unigelände zu verlassen. Was tun die ganzen Affen während der Semesterferien hier, dachte er verärgert und suchte nach der richtigen Antwort auf diese SMS.
Doch langsam siegte die Wut über den Schmerz und statt einer schnöden Kurzmitteilung wollte er von ihr persönlich hören, dass sie keine Zeit habe und vor allem warum. So wählte er ihre Nummer und hörte eine vertraute Frauenstimme, die ihm freundlich aber bestimmt mitteilte, dass diese Nummer vorübergehend nicht erreichbar wäre. Er wiederholte diesen Anrufversuch noch viele Male an diesem Nachmittag, unterbrochen von zahllosen Kurzmitteilungen, in denen er zum einen Verständnis und Besserungswünsche entsandte, zum anderen aber ungeduldig wissen wollte, wie es nun weitergehen solle, ob das ihr letztes Wort wäre und wieso sie ihm nicht persönlich sagen könne, es sei vorbei.
Er schrieb gegen die Leere an, die er seit ihrer Nachricht verspürte und wollte ihr all seine Gefühle für sie offenbaren, hob sie in den Himmel und verdammte den Zwang, dieses auf 160 Zeichen beschränken zu müssen. Er bat sie, es sich nochmals zu überlegen und erinnerte sie an die romantischen Stunden und das Gefühl füreinander, das er bei beiden verspürt habe. Er hasste sich, sie nicht doch an diesem Abend in die Arme genommen und geküsst zu haben, denn dann wäre sie sein gewesen. So hängt sie jetzt vermutlich an den Lippen eines anderen.
Dumm war nur, ihr das auch genauso in der zehnten oder elften SMS mitzuteilen. Er sah die erträumte Zukunft mit dem schönsten Mädchen, das er sich in diesem Augenblick vorstellen konnte, zerrinnen und suchte nach dem Strohhalm, an dem er sich und Nina gemeinsam hätte hochziehen können. Doch ihm fiel nichts mehr ein, außer völlig leer und müde in die WG zurückzukehren, um sich in seinem Zimmer einzuschließen. Dort warf er das Telefon in die Ecke und sich, ohne an Schlaf denken zu können, in sein Bett.