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Unter Brüdern

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Levi seinerseits saß bei seinem Bruder im Büro und wartete, bis dieser endlich das Telefon weglegte und den anscheinend begriffsstutzigen Kunden abgewimmelt hatte.

»Wird ja auch mal Zeit.«

»Entschuldige, wenn ich arbeiten muss, Bruderherz«, entgegnete ihm Niklas müde und rieb sich die Augen. »Das nervt mich noch viel mehr, denn ich habe den ganzen Tag solche Idioten am Hörer, mit denen unser Kundenservice nicht mehr klar kommt.«

»Ich weiß. Vater schimpft ja auch immer, was für unterbelichtete Typen in der Autobranche schaffen.«

»Über wen schimpft Vater nicht?«, fragte Niklas und senkte dabei die Stimme, als ob er seinen Vater in der Nähe wähnte und ihm diese Wahrheit lieber nicht direkt ins Gesicht gesagt hätte.

»Ich denke, das wird sich umgekehrt nichts nehmen, oder kennst du jemanden in der Branche, der Vater erträgt?«

»Ich denke, sie schätzen unsere Produkte. Er allein könnte den Laden dicht machen, doch das, lieber Levi, habe ich nie gesagt.«

»Und ich habe es auch nie gehört«, grinste Levi seinen Bruder verschwörerisch an.

»Doch weshalb wolltest du mich sprechen?«

»Das ist kein Thema fürs Büro und schon gar nicht, solange Vater im Nebenzimmer sitzt und jederzeit hier herein platzen kann. Hätte ich gewusst, dass du heute Zeit hast, hätten wir uns zum Mittag außerhalb der Firma getroffen.«

»Hätte ich gewusst, dass du Zeit für Mittag hast, wäre ich gern dein Gast gewesen. Findet Vater nicht, dass nur Versager Mittag machen?«

»Ja, und das sagt er mir ungefähr dreimal die Woche, einmal mehr, als ich zu Mittag esse. Zumindest macht Hunger aggressiv, und das wieder treibt die Mitarbeiter an. So ungefähr denkt er wohl.«

Niklas wirkte erschöpft.

»Ich bin froh, noch etwas Zeit zu haben, bis ich in die Höhle des Löwen muss. Hoffe nur, du bist bis dahin nicht genauso ein Arschloch wie unser alter Herr«, dachte Levi mit Grausen daran, unter der Aufsicht seines Vaters zu arbeiten.

»Keine Sorge, ich möchte unsere Firma nicht gänzlich ruinieren, denn solange er die Auftraggeber, Lieferanten und Kunden wie seine Mitarbeiter behandelt, stehen die Chancen, dass du nach deinem Abschluss noch einen Arbeitsplatz vorfindest, eher schlecht.«

»Auch egal, ich denke, wir kämen ebenso woanders unter. Wäre nur schade um das, was die Firma heute ist.«

»Naja, was ist sie schon? Ein Elektronikteilezulieferer für die Autobranche. Wie lang die uns noch braucht und nicht lieber in Asien produzieren lässt, weiß kein Mensch. Einzig Vater weigert sich, mit den Herstellern mitzugehen und in China zu investieren. Die kommen alle zurück, hat er mir heute Morgen noch mitgeteilt, als ich ihm das Benchmarking von VW gezeigt habe. Aber zum Glück hat er mir wenigstens genehmigt, mich vor Ort umzusehen, was die asiatische Konkurrenz so macht. Doch das ist zumindest vorerst nicht der Grund, weshalb ich dich sprechen wollte. Ich habe etwas Beunruhigendes entdeckt und bekam gleichzeitig die Chance, mich etwas unabhängiger von Vater zu machen. Drum soll er auch noch nichts davon mitbekommen. Allein, dass du mich besuchst, dürfte ihn misstrauisch machen.«

»Keine Sorge, er hat mich nicht kommen sehen.«

»Ja, aber sonst jeder im Werk, und das sollte genügen, dass er zwei Minuten nach deinem Eintreffen am Werkstor informiert war. Vielleicht solltest du jetzt auch wieder gehen, und wir sehen uns die Tage. Am besten bei dir in der WG, denn Janina möchte ich nicht damit beunruhigen, dass ich bald noch mehr zu arbeiten beabsichtige. Sie wird mir sonst wieder vorwerfen, ich würde unseren Sohn nicht aufwachsen sehen, und irgendwie hat sie auch Recht damit«, seufzte Niklas und schaute auf das Foto seiner Frau mit dem Neugeborenen im Arm, das auf seinem Schreibtisch stand.

»So machen wir das und ruf mich vorher an. Du weißt ja, als Student hat man nie Zeit«, grinste Levi und beeilte sich, das Büro zu verlassen, bevor ihn der Bleistiftspitzer traf, den Niklas nach ihm warf.

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