Читать книгу Die Teufelsbibel-Trilogie - Richard Dübell - Страница 48

3.

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Sie hatten es nicht gewagt, ihn umzubringen. Im Lauf der Zeit hatten sie begonnen, sich an ihn zu gewöhnen, und Cyprian hatte die beschämende Entdeckung gemacht, dass es nicht nur reiner Pragmatismus war, mit dem er die Normalisierung des Umgangs der Wachen im Malefizspitzbubenhaus akzeptierte, sondern auch ein großer Teil Erleichterung dabei war. Die Schmerzen der Prügel hatten ihn weniger zermürbt als der Hass, der immer würgender in ihm hochgestiegen war und von dem er ahnte, dass er sich auf die ganze Welt ausdehnen und ihn für immer beherrschen würde, wenn die Brutalitäten nicht aufhörten. Sie hatten rechtzeitig aufgehört. Die Wachen hatten so getan, als sei nichts geschehen, und von einem Tag auf den anderen mit ihm zu scherzen begonnen wie mit allen Langzeitgefangenen, mit denen sie mehr Zeit zubrachten als mit ihren Familien.

Cyprian hatte sich selbst dabei zugesehen, wie er auf ihre Scherze eingegangen war, froh um das Ende der Prügeleien. War er schwach geworden? War er ihnen in den Arsch gekrochen? Cyprian, der es nicht gewöhnt war, etwas aus dem Weg zu gehen, beobachtete sich Tag für Tag dabei, wie er sorgfältig um diese Fragen herumschlich. Er wusste, dass er sich richtig verhielt, wenn er jemals heil hier heraus kommen wollte, und war sich zugleich darüber im Klaren, dass auch ein Bulle wie er niemals vollkommen heil aus der Kerkerhaft entkam. Wenn man an eine Wand gekettet über so lange Zeit hinweg vollkommen von den Launen anderer Menschen abhängig war, zerbrach etwas in einem. Es war keine Frage von Stärke, es geschah einfach. Es war eine Frage von Stärke, mit diesem Bruch sein vorheriges Leben wieder aufnehmen und Vertrauen haben zu können zu Gott, zum Lauf der Dinge und zum Rest der Menschheit.

„No geh“, sagte der Wächter, als er die abendliche Kerkersuppe brachte, „vielleicht is’ dir ja wirklich nicht klar, aber wennst den Scharführer höflich fragen tust, gibt er bestimmt nach. Mir sind ja alle Männer, nicht wahr.“

„Nett von dir, Pankraz, aber du verschwendest deine Zeit.“

„Er würd wahrscheinlich nicht einmal ein Geld von dir verlangen. Er fragt sich schon die ganze Zeit, wie du das aushältst.“

„Sag ihm, dass es hilft, wenn einem in der Nacht die Ratten über den Bauch laufen.“

„Weißt“, sagte Pankraz und rückte näher an Cyprian heran. Er besaß die Freimütigkeit dessen, der zeit seines Lebens gesehen hat, wie Menschen aufrecht in den Raum gegangen sind, den er hinter ihnen verschlossen hat, und wie sie nach unterschiedlich langer Zeit angefangen haben zu kriechen. Jeder Einzelne von ihnen. „Weißt, einmal hatten wir einen, der hat jeden Tag gewichst wie ein Verrückter. Fünf-, sechsmal am Tag, du glaubst es nicht. Der hat seine Kerz’n weniger oft zum Pieseln in der Hand gehabt als zum Nudeln. Irgendwann hat der Scharführer gesagt, der bringt sich noch selber um, der Trottel, irgendwann mal kommt doch bloß noch Blut, und er hat ihm ein Weiberleut in die Zelle geschickt, damit sie ihm einmal zur Hand geht … sozusagen, nicht wahr.“

„Rührend“, sagte Cyprian.

„Nein, eben nicht“, sagte Pankraz und begann zu gackern. Er kauerte sich neben Cyprian und stieß ihn kameradschaftlich gegen die Schulter. „Der Trottel hat sich so hineingesteigert, als wir ihm die Süße geschickt haben, dass ihn der Schlag getroffen hat. Pfeilgerade! Der hat ihn ihr nicht mal mehr reinstecken können. Was glaubst, wie der Scharführer geschwitzt hat, als er das melden musste. Wie bringst du so was der Witwe bei, nicht wahr?“

„Das Leben hat tragische Seiten“, sagte Cyprian.

„Weißt, und drum macht sich der Scharführer Sorgen wegen dir. Weil du dir nämlich nicht einmal einen runterholst in der Nacht. Er sagt, das ist doch nicht normal. Da erstickt man ja an seinem Zeug.“

„Schön, dass ihr euch solche Sorgen um mich macht. Ich nehme an, ihr wechselt euch in der Nacht am Guckloch ab, um sicherzustellen, dass ich die Hand nicht in der Braguette habe.“

„Da brauchen wir nicht zu spionieren“, sagte Pankraz. Er erhob sich seufzend. „Was glaubst, wie lange ich das hier schon mach? Da fällt dir alles auf, was deine Schützlinge treiben.“

„Ich sende dir ein Geschenk, wenn ich wieder draußen bin und du noch hier.“

„No geh“, sagte Pankraz. Er schlurfte hinaus. „Schlechtes Geschäft für mich, Cyprian, weil, weißt, ich bin sicher eher draußen als du.“

„Ja, ja“, sagte Cyprian und winkte dem Wächter, als er die Tür hinter sich schloss. Er hörte ihn davonschlurfen, bis seine scharrenden Schritte verklangen. Stille fiel über die Zelle. Dann wurden die Schritte wieder lauter, kamen bis zur Tür, hielten davor an, der Schlüssel drehte sich, und Pankraz war zurück. Er hatte seinen Helm in der Hand und kratzte sich gleichzeitig am Kopf. Sein Mund stand offen. Cyprian starrte ihn an.

„Was ist los? Schlaganfall in der Nachbarzelle?“, fragte er.

Pankraz schüttelte den Kopf.

„Nein“, stotterte er. „Sollst mitkommen. Du bist soeben freigelass’n word’n.“

Die Teufelsbibel-Trilogie

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