Читать книгу Die Teufelsbibel-Trilogie - Richard Dübell - Страница 64

19.

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Cyprian legte die Feder beiseite und wartete, bis die Tinte auf dem kleinen Papierröllchen trocknete. Er hätte Sand darüber schütten können, aber er war dankbar für die Atempause, die ihm das Warten gewährte. Seine Augen schmerzten. Er betrachtete seine Fingerkuppen, die schwarz vor Tinte waren. Die winzigen Röllchen mit halbwegs lesbaren Schriftzeichen zu füllen kam einer Aufgabe gleich, der Herkules nicht gewachsen gewesen wäre.

Er hatte die Teufelsbibel nicht gefunden. Je nachdem, wie man es betrachtete, hatte er entweder versagt, oder die Suche war schlicht und einfach vorbei. Er dachte an den Haufen verschimmelnden Pergaments in der Ecke der Kirchenruine. Wie auch immer, er hatte seine Schuldigkeit getan. Bischof Melchior hatte diesen einen Dienst von ihm erbeten, und er hatte ihm versprochen, ihn zu erfüllen. Was seinen Onkel anging, war er ein freier Mann.

Er konnte zum Haus der Wiegants gehen, diesmal nicht in Priesterverkleidung, sondern stolz und aufrecht als er, Cyprian Khlesl, zweiter Sohn des Bäckermeisters aus der Kärntnerstraße, ehemaliger Agent des Bischofs von Wiener Neustadt, Habenichts und ohne Zukunft, und jeden beiseite fegen, der sich ihm auf dem Weg zu Agnes entgegenstellte. Er war überzeugt, dass er es mit einer Armee aufgenommen hätte, um zu ihr zu gelangen. Doch was dann?

Bei ihrem letzten Treffen war sie davongerannt. Sie hatte ihn gehasst. Was konnte er tun? Reden? Reden genügte nicht – nicht mehr. An der Fassade emporklettern und sie entführen? Sie würde nicht mit ihm kommen. Virginia, eh? Virginia lag auf dem Mond, selbst wenn man so tat, als würde man von Onkel Melchior ein bisschen Geld erbetteln können und als würde man den großen Bruder dazu bringen, dass er einen auszahlte, obwohl er sich damit selbst ruinierte. Virginia war das Ziel gewesen, zu dem ihre Liebe sie hätte tragen sollen, doch wie es schien, war das Schiff zerstört und auf den Grund des Ozeans gesunken, dessen Wasser nach Enttäuschung, Entfremdung und verspieltem Vertrauen schmeckte.

Die Tinte war trocken. Cyprian rollte das Band ein, verstaute es in der Röhre, die so klein war, dass er mit zusammengekniffenen Augen und der Zungenspitze zwischen den Lippen arbeiten musste, damit seine Finger es hineinbekamen. Die Tauben gurrten in ihrem Käfig; er nahm eine heraus, spürte den Herzschlag in seiner Handfläche und die heißen Krallen, die sich gegen ihn wehrten. Er trug die Taube zur Fensterluke und öffnete den Riegel. Die Abendluft kam kalt und frisch herein. Die Taube trippelte auf seinen geöffneten Handflächen herum, witterte die Öffnung, wippte und war plötzlich in einem Flirren aus Flügeln und dem Geruch staubiger Federn verschwunden. Auf Cyprians Handballen glänzte eine frische, schwarzweiße Spur. Die Taube war ein alter Profi und hatte Ballast abgeworfen, bevor sie gestartet war. Cyprian betrachtete den Kotstreifen.

Ein freier Mann, aller Verpflichtungen ledig. Ein gefangener Mann, dem die Liebe wie ein Mühlstein um den Hals hing, weil sie unglücklich war und sich nicht erfüllen wollte. In Kürze war das Osterfest; danach würde er einen Mord begehen müssen, um Agnes bekommen zu können. Er schnaubte; war es nicht egal, ob sie ihn hasste oder einfach einem anderen gehörte?

Dann wurde ihm plötzlich klar, was er die ganze Zeit falsch gemacht hatte. Er hatte Agnes seiner Liebe versichert und ständig andere Dinge über sie gestellt. Er hatte ihr erklärt, dass er mit ihr ein neues Leben anfangen wolle, aber zuerst war da noch dies und das, was er Wichtigeres zu erledigen hatte. Er war seinem Onkel verpflichtet gewesen, moralisch und überhaupt, das stand außer Frage, doch dabei hatte er übersehen, dass die Liebe ihre eigenen Verpflichtungen besaß. Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei blieben, und die Liebe war das Größte unter ihnen. Er jedoch hatte sie wie etwas Nachrangiges behandelt und hatte der Frau, die er liebte, das Gefühl gegeben, sie käme an letzter Stelle hinter all den anderen Armseligkeiten, um die herum er sein Leben eingerichtet hatte. Er hatte Agnes gesagt, dass er sie liebe, und ihr gleichzeitig klargemacht, dass dies aber zu warten habe, bis alles andere getan war. Die Liebe war das Größte von allen, und so war sie auch zu nehmen – das hatte er vergessen gehabt.

Er trabte die Treppe vom Dachgeschoss hinunter und machte sich auf die Suche nach einem Lappen, mit dem er den Taubenkot abwischen konnte.

Die Teufelsbibel-Trilogie

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