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ALFIE 9. Kapitel

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Was ich über Lebensperlen weiß:

1. Sie enthalten eine Flüssigkeit, die mit dem eigenen Blut vermischt sofort alle Alterungsprozesse stoppt.

2. Wiederholt man diese Prozedur mit einer weiteren Lebensperle, altert man wieder.

Das ist es. Das ist alles, was ich über Lebensperlen weiß, und auch alles, was Mam weiß.

An meinen Vater kann ich mich leider kaum erinnern, auch wenn Mam mir alles über ihn erzählt hat. In tausend Jahren hat man eine Menge Zeit, Geschichten wieder und wieder zu hören, aber mir werden sie nie langweilig.

(Manchmal ist die Erinnerung an ihn fast greifbar. Ein verschwommenes Bild eines groß gewachsenen blonden Mannes, der Geruch von in Teer getunktem Schiffstau, Angst im Sturm … aber das sind alles diffuse Erinnerungen. Sie sind so dünn und durchscheinend, als hätten die ewigen Versuche, sie mir zu vergegenwärtigen, sie abgenutzt.)

Mein Da hieß Einar. Er war ein Soldat, der zum Handwerker geworden war, und kam aus Gotland in der Ostsee oder uster-shern, wie Mam sie in ihren Geschichten nennt.

Wo kamen diese Lebensperlen her? So genau wusste das niemand. Es gab eine Sage, die mir Mam gern im Schein des Feuers erzählte und die vom Hausdiener eines Alchemisten handelte, der einem gewaltigen Wirbelsturm im Nahen Osten trotzte. Dieser Diener trug einen Beutel Lebensperlen durch die Wüste in die Karpaten nach Osteuropa. Ob das stimmte?

Vermischte man die Flüssigkeit der Lebensperle mit dem eigenen Blut, alterte man nicht mehr. Es machte einen aber nicht unsterblich, man konnte nach wie vor im Kampf fallen, an einer Krankheit sterben oder wie Da bei einem Unfall.

Mam sagte, Da hätte die Lebensperlen in einem heldenhaften Kampf gegen Plünderer bekommen, die ein winziges Dorf überfallen hatten. Ich liebte diese Geschichte.

»Wie ein echter, edler Krieger«, sagte Mam, »ließ er einen der Räuber am Leben und im Tausch bekam er die Lebensperlen. Eine Perle verwendete er sofort für sich. Er schnitt sich zweimal in den Arm und goss die Flüssigkeit in die Wunden. Vier Lebensperlen blieben übrig. Der kühne Einar wusste natürlich, dass die Perlen so wertvoll waren, dass jeder, der sie besaß, in Gefahr schwebte. Für das ewige Leben würden die Menschen töten. Also sagte er niemandem etwas davon, bis er …«

»Dich traf!«, rief ich dann und Mam lächelte jedes Mal.

»Das stimmt. Aber zu der Zeit war er schon hundertvierzig Jahre alt. Er lebte im Land der Dänen und sprach ihre Sprache. Wir waren erst sechs Monate verheiratet, als ich erfuhr, dass ich mit dir schwanger war, Alve.«

(»Wir haben aus Liebe geheiratet«, wurde sie nicht müde zu sagen. »Damals war das unüblich.« Vor tausend Jahren rangierte Liebe ganz unten auf der Liste von Gründen, aus denen man heiratete, weit unter Familienbande, Reichtum und Sicherheit.)

Mam war arm, Da aber nicht, und viele Leute waren neidisch, als sie den gut aussehenden, reichen Einar von Gotland heiratete. Wenn Leute neidisch werden, fängt das Gerede an. Auf einmal ging es um Einars Alter, und dass es seltsam war, dass einige der Dorfältesten ihn schon aus ihrer Jugend kannten.

Konnte er einer dieser legendären Nimmertoten sein?

Und falls er ein Nimmertoter war, besaß er womöglich die livperler, die Lebensperlen?

Schon damals waren die Nimmertoten so selten, dass viele Leute sie für ein Lügengespinst hielten, von denen Reisende aus fremden Ländern erzählten. Genauso wie die Geschichten von einem riesigen Land im Süden, in dem es vierbeinige Geschöpfe mit enorm langen Hälsen gab, die auch noch die Blätter in den Baumkronen erreichten, dicke Pferde, die im Fluss lebten, und winzige, behaarte Wesen mit langen Schwänzen, die durch die Bäume im Wald turnten.

Keiner wusste, wie viel man davon glauben sollte. Vielleicht waren die Geschichten über die Nimmertoten auch nur Erfindungen der Reisenden?

Doch als meinem Vater die Gerüchte über sein langes Leben zu Ohren kamen, ging er kein Risiko ein. Mit seiner Frau und seinem Kind plante er ein neues Leben im Land der Angelsachsen, wo sie hoffentlich sicher sein würden. Und da hatte er auch recht … jedenfalls zum Teil.

Er rettete mich und Mam. Aber sich selbst rettete er nicht.

Der 1000-jährige Junge

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