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1. Kapitel South Shields, 1014 nach Christus

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Mam und ich saßen auf einem flachen Felsen und schauten hinüber zur Flussmündung, wo sich die Rauchschwaden aus dem Dorf mit den tief hängenden Wolken vermischten.

Der Fluss wird von allen Tyne genannt. Damals haben wir es »Tine« ausgesprochen, aber es war bloß unser Wort für Fluss.

Mam weinte und fluchte. Von der anderen Seite des Flusses kamen Schreie. Brandgeruch wehte vom Fort auf der Felskuppe herüber. Die Menschen, viele davon unsere Nachbarn, drängten sich am Ufer, doch der Fährmann Dag würde ihretwegen nicht noch mal zurückkehren. Jedenfalls nicht jetzt, denn dann würde man auch ihn töten. Nachdem sein Floß uns abgesetzt hatte, war er Entschuldigungen stammelnd davongelaufen.

Hinter den Menschen am Ufer tauchten die Männer auf, die in Booten gekommen waren. Einen Moment hielten sie inne – arrogant, furchtlos – und stürzten sich dann mit erhobenen Schwertern und Äxten auf ihre wehrlosen Opfer. Einige versuchten noch, sich ins Wasser zu retten. Aber weit kamen sie nicht, denn mitten auf dem Fluss wartete schon ein weiteres Boot auf sie.

Ich vergrub den Kopf in Mams Schal, aber sie zog ihn fort und wischte sich die Tränen weg. Ihre Stimme zitterte vor Wut.

»Sey, Alve. Sey!«

So sprachen wir damals. Das war einer dieser altnordischen Dialekte, wie man heute sagt. Wir hatten keinen Namen dafür. Und gemeint hat sie: »Sieh! Sieh, was sie uns antun, diese Männer, die mit ihren Booten aus dem Norden gekommen sind.«

Aber ich konnte nicht hinsehen. Ich stand auf und ging wie benommen ein Stück, doch immer noch hörte ich das Morden, immer noch roch ich den Rauch. Es zerriss mich fast, noch am Leben zu sein. Mam kam mir mit dem kleinen Holzwagen nach, in den wir alle Habseligkeiten gestopft hatten, die auf Dags Flussfähre Platz fanden.

Meine Katze Biffa lief neben uns her. Plötzlich schoss sie ins Gras, um eine Maus oder einen Grashüpfer zu jagen. Sonst brachte mich das immer zum Schmunzeln, aber nun fühlte ich mich so leer wie ausgeweidet.

Nach ein oder zwei Meilen fanden wir eine Höhle in einer geschützten Bucht. Die Sonne war so stark, dass wir das alte Brennglas von Da, so nannte ich Vater, benutzen konnten. Es war eine gewölbte, polierte Kristalllinse, die das Sonnenlicht zu einem schmalen Strahl bündelte, der Funken schlug. Ich hatte Angst, die Plünderer würden uns verfolgen, aber Mam sagte Nein, und sie behielt recht. Wir waren entkommen.

Als wir ihre Boote drei Tage später wieder in See stechen sahen, machte ich den größten Fehler meines Lebens. Tausend Jahre habe ich jetzt gewartet, um ihn wiedergutzumachen.

Der 1000-jährige Junge

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