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21. Kapitel

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Natürlich wurde Jack älter und ich nicht. So war es immer mit Freunden und es fiel mir jedes Mal schwer. Ich habe mich nie daran gewöhnt.

Nachdem wir uns ein oder zwei Jahre kannten, begann Jack, lange Hosen zu tragen. Und ein oder zwei Jahre darauf wuchs ihm ein flaumiger Bart und seine Stimme wurde tiefer.

Soweit Jack wusste, kam ich fast jedes Wochenende, um meine »Tante« zu besuchen. Zwischendurch erholte ich mich auch immer wieder mal von einer ominösen Krankheit, die längere Aufenthalte an der gesunden Seeluft von Whitley Bay erforderte. Und dann gab es ja auch noch die Sommerferien.

Jack besuchte uns sogar zu Hause im Wald. Auch wenn Mam ihn mochte, blieb sie misstrauisch. Am liebsten hätte sie niemanden in unserer Nähe gehabt.

»Das nimmt kein gutes Ende, Alve«, warnte sie mich. Ich wollte ihr nicht glauben. Jack war anders, dafür legte ich meine Hand ins Feuer.

Wenn Jack es wunderte, dass ich nicht wuchs, sagte er zumindest nichts. Anders seine Mutter.

»Eh, Alfie Monk, bekommst du zu Hause nichts zu essen?«, fragte mich Mrs McGonagal eines Tages im Laden. »Schau dich nur an! Da wächst ja der Schimmel am Käse schneller.«

»Ma!«, rief Jack, aber auch er musste lachen. Wahrscheinlich dachte er sich nichts dabei, aber ich zuckte innerlich zusammen, denn ich kannte das alles schon. Der Verdacht, das Misstrauen, der allmähliche oder auch manchmal ganz plötzliche Rückzug von diesem seltsamen Freund, der nicht älter wird.

Kurz darauf kriegte ich mit, wie er über mich redete. Ich war in den Laden gekommen. Die Ladenglocke, die normalerweise einen Kunden ankündigte, war seit ein paar Tagen kaputt, also bemerkte mich keiner.

Ich hörte Jack im Hinterzimmer. In seiner tiefen Stimme wiederholte er den Witz seiner Mutter: »… wächst ja der Schimmel am Käse schneller, ich sag’s dir!«

»Hör auf, Jack. Mach dich doch nicht auch noch lustig. Vermutlich hat er Wachstumsstörungen oder so.« Die Stimme gehörte einem jungen Mädchen, Jean Palmer, die Jack umwarb. Ich war ihr auch ein- oder zweimal begegnet. Sie war hübsch.

»Bei Alfie ist es anders. Da stimmt was nicht«, sagte Jack. »Er hat sich in fünf Jahren nicht verändert. Fünf Jahre! Und hast du mal gehört, wie er spricht? Angeblich ist er aus Hexham. Ich kenne zufällig Leute aus Hexham, so redet da kein Mensch.«

Inzwischen hatte ich mich hinter einem Stapel Kartons verschanzt. Ich wollte nicht, dass sie rauskamen und bemerkten, dass ich gelauscht hatte.

»Ja, er spricht schon etwas seltsam, da hast du recht«, meinte Jean Palmer. »Aber ich mag ihn.«

»Mit dem stimmt was nicht, Jean. Und mit seiner Tante auch nicht. Die sieht dir beim Sprechen nie ins Gesicht. Lebt allein im Wald mit einer Ziege. Die alte Lizzie Richardson hat Ma erzählt, dass sie sie von früher aus North Shields kennt, wo sie selbst einen Sohn hatte, der auch Alfie hieß. Ist doch komisch, oder?«

»Lizzie Richardson? Die ist doch schon über achtzig.«

»Sag ich doch, Jean. Und wenn Mrs Richardson sie noch aus Shields kennt, dann ist Mrs Monk mindestens sechzig.«

»Dafür hat sie sich aber gut gehalten.«

In dem Augenblick kam ein Kunde und rief »Hallo«. Keiner bekam mit, wie ich den Laden verließ. Niedergeschlagen radelte ich nach Hause.

So war es bislang jedes Mal gewesen, nur diesmal geschah es schneller als sonst.

Ihr seht also, dass es unmöglich ist, nicht älter zu werden, ohne dass es jemandem auffällt. Die Leute schwatzen, die Leute tratschen. Meist kommt man eine ganze Weile damit durch, länger, als man denkt, aber irgendwann sind Menschen eben bloß … Menschen.

Oft erfinden sie Gründe, um das Unerklärliche zu erklären, und Mam und ich halfen ihnen dabei, stifteten Verwirrung. War ich Mams Sohn oder ihr Neffe? Mam ermunterte die Leute, zu glauben, schon ihre Mutter hätte im Eichenhaus gelebt.

Und die Alten mit gutem Gedächtnis wie Lizzie Richardson sterben auch irgendwann und mit ihnen der Verdacht. Die Hinterbliebenen denken schließlich, dass es sich bloß um die Hirngespinste eines verwirrten alten Menschen handelt, denn die Wahrheit ist zu unglaublich.

Aber alle kann man nicht täuschen. Nicht dauerhaft.

Der 1000-jährige Junge

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