Читать книгу Seewölfe Paket 4 - Roy Palmer - Страница 26

3.

Оглавление

Siri-Tong hatte Wasser geschluckt. Sie hustete und spuckte und glaubte in diesem schrecklichen Augenblick, jämmerlich ertrinken zu müssen. Der Schlächter stieß grunzende Laute aus. Offenbar hatte er sich vorgenommen, sie doch an Land zu schaffen, weil er es dort einfacher hatte. Er schleppte sie ab.

Plötzlich fühlte er sich beim Arm gepackt. Er wandte den Kopf, sah nichts, bemerkte dann aber doch den grauen Schatten unter sich im Wasser. Er stöhnte entsetzt auf. Zuerst dachte er an einen Kraken, der sich angepirscht hatte und Beute zu schlagen versuchte. Dann erkannte er, daß sein Gegner ein Mensch war. Ein Mann. Der Seewolf. Der Schlächter warf noch einen Blick über die Schulter zurück. Er sah das Beiboot der „Isabella VIII.“ auf den kleinen Wellen schaukeln. Dieses Zurückschauen, dieses Verharren war sein Fehler.

Hasard drehte ihm von unten her den Arm um, und der Schlächter heulte auf. Er hatte einfach nicht damit gerechnet, überrascht zu werden. Zudem hatte das unbändige Verlangen seinen Geist richtig umnebelt. Er reagierte viel zu spät. Er mußte Siri-Tong loslassen.

Sie tauchte weg, schob sich wieder hoch und schwamm auf das Ufer zu. Ihr Atem ging japsend. Sie fühlte sich elend und angewidert und hatte bloß noch den Wunsch, Boden unter die Füße zu kriegen.

Hasard schlug dem Schlächter in die Magengrube, dann tauchte er neben ihm hoch und verpaßte ihm einen regelrechten Jagdhieb hinters Ohr. Der Kerl strampelte nur noch schwach mit den Beinen. Er war benommen. Er schlug zwar nach Hasard, aber seinen Hieben fehlte die Kraft.

Der Seewolf nutzte diesen Moment aus, um den Burschen an Land zu zerren. Er drehte ihn auf den Rükken, legte ihm einfach die Hand unters Kinn und schleppte ihn an. Der Schlächter schluckte dabei Wasser und ging fast unter, aber das scherte Hasard einen Dreck. Hasard war stocksauer – auf diesen Gorilla und auf Siri-Tong.

Kaum im flachen Uferwasser angelangt, rappelte sich der Schlächter wieder auf. Er würgte, spuckte Wasser aus, und nach jedem Schwall Naß folgte ein Fluch.

„Du Hund – du Bastard – dir breche ich die Knochen …“

„Versuch’s doch mal“, sagte Hasard. In seinen blauen Augen blitzte es, es tanzten tausend Teufel darin. Wer ihn kannte wie die Männer seiner Crew, wußte, was das zu bedeuten hatte. In Hasard war so etwas wie eine Barriere gefallen. Er ging rücksichtslos vor.

Der Schlächter rückte taumelnd an. Zwei, drei Schläge schoß er auf Hasard ab, dann konterte dieser. Er zog sämtliche Register, und ein wahrer Hagel von Hieben deckte den Schlächter ein. Der kam nicht mehr zur Gegenwehr. Er bezog die Tracht Prügel seines Lebens. Feurige Räder rotierten und tanzten vor seinen Augen, es dröhnte in seinem Schädel, als bewegten sich riesige Bronzeglocken darin, dann deckte ein schwarzer Schleier alles zu.

Hasard blickte auf den bewußtlos zusammengebrochenen Mann.

„Narr“, sagte er. Er bückte sich, zog ihn aus dem Flachwasser auf den Strand und ging zu Siri-Tong.

Sie gab sich keine Mühe, ihre Blößen zu bedecken. Sie lächelte ihn an und traf Anstalten, ihm um den Hals zu fallen.

„Danke, Hasard“, sagte sie. „Wenn du nicht gewesen wärst …“

Er holte aus und gab ihr eine Ohrfeige. Sie taumelte rückwärts, stolperte und landete auf ihrem entzükkenden Po. Grenzenlos verdattert schaute sie zu dem Seewolf auf. Sie war fassungslos, aber dann, nach ein paar Sekunden, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Diesmal war es nicht die Wut, die ihre Gefühle zum Ausbruch brachte. Diesmal war es die Enttäuschung.

„Was ist eigentlich in Sie gefahren?“ fauchte er sie an. „Können Sie sich nicht denken, daß diese Horde von Wölfen verrückt auf sie ist? Meine Männer wissen auch schon nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Und dann rudern Sie los und nehmen ein Nacktbad. Das war eine offene Herausforderung! Letztlich haben Sie sich selbst zuzuschreiben, was hier fast passiert wäre.“

„Ich wußte nicht, daß ich beobachtet wurde“; gab sie mit erstickter Stimme zurück. „Es ist eine abgelegene Bucht. Ich dachte …“

„Ich dachte“, wiederholte er. „Manchmal habe ich den Eindruck, in Ihrem verdammt hübschen Kopf steckt doch weniger, als ich geglaubt habe. Ziehen Sie sich jetzt endlich was an, verdammt!“

Sie erhob sich. Sie hatte sich wieder einigermaßen gefangen und erwiderte: „Meine Sachen schwimmen im Wasser. Bis auf die Stiefel. Soll ich die Stiefel überstreifen?“

Er fixierte sie scharf, und ihr Blick wurde flackernd. „Reißen Sie auch noch Witze, Madame“, sagte er. „Los, gehen Sie zum Boot. Ich schwimme inzwischen noch mal ’raus und fische ihre Bluse und die Hose auf. Sie werden sich eben das nasse Zeug anlegen müssen. Das ist besser als gar nichts.“

„Sie sind ja so gemein.“

„Ich denke bloß daran, wie es ist, wenn die ganze Horde über Sie herfällt und Sie vergewaltigt.“

„Jetzt übertreiben Sie. Maßlos. Sie Zyniker!“

„So abwegig ist das nicht.“

„Hasard“, versetzte sie leise. „Kann eine Frau wie ich Sie denn überhaupt nicht reizen? Was haben Sie eigentlich gegen mich?“

„Nichts“, erwiderte er. „Das wissen Sie ganz genau. Aber Ihnen ist auch bekannt, daß ich daheim in England Frau und Kinder habe, nicht wahr?“

„Hasard – deine Gwen würde es niemals erfahren, wenn zwischen uns beiden etwas geschehen würde. Jetzt. Hier.“ Sie brachte erneut ein Lächeln zustande.

Der Seewolf blieb unbeirrt. Er war kein Kostverächter, nein, das war er ganz gewiß nicht. Aber er empfand doch nicht die innere Beteiligung, die man brauchte, um so zu handeln, wie Siri-Tong es sich ausmalte.

Deshalb sagte er nur barsch: „Ich schätze, Sie wollen noch eine Ohrfeige haben.“

Da platzte es aus ihr heraus: „O, du elender Dickschädel! Du mit deinen Prinzipien, deiner Treue – du – du kaltschnäuziger englischer Bastard, wer hat dich bloß auf die Menschheit losgelassen?“

Ihre Worte prallten wirkungslos an ihm ab. Er nahm sie einfach bei der Hand, zog sie mit sich über Strand und Felsen bis zum Boot und verfrachtete sie auf eine der Duchten. Er holte ihren Degen, den er auf einem platten Felsen entdeckte. Danach tauchte er noch einmal mit einem Kopfsprung in die Fluten. Er sammelte ihre weiße Bluse und die Hose ein, kehrte an Bord zurück und bedeutete ihr, sich die Sachen überzustreifen.

Siri-Tong tat es widerstrebend. Unter den klitschnassen Kleidern zeichneten sich ihre Formen überdeutlich ab, es war, als trüge sie eine zweite Haut. Hasard löste die Leine, setzte sich hin und begann zu pullen. Er saß ihr gegenüber, sie hatte die Heckducht des Bootes eingenommen. Er stellte fest, daß sie in ihrem derzeitigen Zustand eine fast noch größere Herausforderung als vorher war.

Er kam sich nun doch lächerlich vor. Wie ein Mönch, der dem ehernen Schwur des Zölibats unterworfen war und um keinen Preis der Welt sündigen durfte. Warum mußte bloß alles so kompliziert sein?

Ihm fiel ein, daß in dem Beiboot der „Isabella“ vorn im Bug ein Stück Segeltuch verstaut lag. Er hielt auf das Boot zu und ging längsseits. Mit einem raschen Griff fischte er den harten, sperrigen Stoff unter der Vorderducht hervor und warf ihn der Roten Korsarin zu.

„Ziehen Sie sich das auch über, Madame.“

Sie gehorchte schmollend. Sie war jetzt nicht mehr aufgebracht über seine Hartnäckigkeit, sie war nur noch pikiert.

Hasard verband beide Boote durch eine Leine. Er pullte zum Strand und hatte das Beiboot der „Isabella“ im Schlepp. Er ließ sich ins Flachwasser gleiten, lief auf den Sand und hievte sich den immer noch bewußtlosen Schlächter auf die Schulter. Als er ihn in das Boot der „Isabella“ sinken ließ, schwankte es bedrohlich.

Hasard stieg wieder zu Siri-Tong und pullte aus der Bucht heraus. Es war kein leichtes Stück Arbeit wegen der doppelten Last, und er hatte auch Mühe, beide Gefährte sicher durch die gefährlich schmale Ausfahrt zu dirigieren. Es gelang jedoch ohne bemerkenswerte Zwischenfälle. Nur die Steuerbordwand des Bootes im Schlepp scheuerte ein Stück an den Felsen entlang, nahm aber keinen Schaden.

Etwas später, auf offener See, betätigte Hasard die Riemen in kräftigen Zügen und dabei doch so langsam, daß es sanft und mühelos wirkte. Fast unausgesetzt sah er Siri-Tong dabei an. Sie wich seinem Blick nicht aus, sie begegnete ihm mit Stolz.

„Einen Bastard haben Sie mich genannt“, sagte er schließlich. „Damit haben Sie nicht ganz unrecht, wissen Sie das? Ich bin einer, der nicht genau weiß, wohin er gehört – in Spanien geboren als Sohn eines Malteserritters aus dem Norden Europas und einer adligen Spanierin, in England aufgewachsen unter der Fuchtel eines verfluchten Schlitzohres namens John Killigrew. Kein Spanier, kein Engländer, kein Deutscher. Die Spanier hassen mich, die Engländer hetzten mich auch, obwohl ich ihnen Schätze von ungeheurem Wert überbracht habe. Nirgendwo fühle ich mich richtig zu Hause. O, ich sage das nicht aus Selbstmitleid. Ich mache Ihnen nur klar, daß Sie den Nagel auf den Kopf getroffen haben, Madame. Was wollen Sie also von einem verdammten Bastard wie mir erwarten?“

Sie senkte den Blick. „So war das nicht gemeint.“

„Bleiben wir lieber gute Freunde, Korsarin.“

„Daß wir Feinde werden, möchte ich auf gar keinen Fall“, entgegnete sie.

Obwohl die Sonne mit Macht vom Himmel brannte, mußte sie plötzlich niesen. Das lag an den nassen Kleidungsstücken, die ihr am Körper klebten. Hasard sah sie an. Siri-Tong erweckte jetzt einen bekümmerten und hilflosen Eindruck. Es war nichts Geschauspielertes daran. Das mußte man ihr lassen: Sie war in allen ihren Äußerungen grundehrlich. In diesem Augenblick war sie nicht die gefürchtete Rote Korsarin, sie war nur noch ein kleines Mädchen mit einem Anflug von Schnupfen und einem schlechten Gewissen.

Sie tat ihm beinahe ein wenig leid.

Dan O’Flynns Ruf erscholl aus dem Großmars der „Isabella“. Die beiden Boote waren in der Passage und glitten auf die Segler zu. Im Nu hatten sich beide Crews auf den Hauptdecks versammelt und hielten neugierig Ausschau nach den Booten.

Ferris Tucker war mittlerweile auch drüben auf dem Zweimaster von Siri-Tong. Er enterte sofort mit Big Old Shane, Matt, Smoky und Blacky in das zweite Beiboot der „Isabella“ ab, das am Zweimaster vertäut lag. Sie legten ab, pullten auf den Seewolf und die Rote Korsarin zu und waren ihnen behilflich.

Der Schlächter, immer noch im Reich der Träume, wurde sofort an Deck des Zweimast-Seglers befördert. Alle drei Boote schwojten schließlich an den Leinen, die sie mit Siri-Tongs Schiff verbanden. Hasard und die Rote Korsarin waren mit Shane und den anderen aufgeentert. Hasards Miene war verschlossen. Weder die Piraten noch seine Männer stellten Fragen.

Drüben auf der „Isabella“ stierte sich der junge O’Flynn fast die Augen aus den Höhlen, und er lehnte sich dabei so weit über die Verkleidung des Hauptmarses, daß er nach unten zu stürzen drohte. Arwenack war neben ihm. Er guckte ergötzlicherweise durch das Spektiv, während Dan auch so sah, was sich abspielte. Ben Brighton und alle anderen an Bord der Galeone Verbliebenen standen am Schanzkleid. Sie hielten die Hände aufgestützt und beobachteten schweigend. Carberry fluchte nicht. Auch Old O’Flynn, der nun endlich sein neues Holzbein hatte, ließ keine seiner Bemerkungen fallen.

Kurz: Jeder hielt die Luft an, weil sich der dramatische Gipfelpunkt der Ereignisse erst noch anbahnte.

Der Schlächter lag auf der Kuhl des Zweimasters. Seine Kumpane umstanden ihn – Juan, Sidi Mansur, Don Ravella, Muddi, Bill und die anderen.

Siri-Tong hatte nichts Eiligeres zu tun, als im Achterkastell zu verschwinden. Sie hatte sich das Stück Segeltuch um die Schultern zusammengerafft. Aber es war nicht lang genug, um ihre Beine zu verdecken. Alle konnten die straffen Schenkel und Waden sehen, die von der pitschnassen Hose umschlossen wurden.

Siri-Tong tauchte in der Luke an der Backbordseite des Achterkastells unter. Die Dunkelheit des Innenraumes verschluckte ihre Gestalt. Shane, der ihr fasziniert nachgeblickt hatte, ließ einen Seufzer vernehmen.

„Mann o Mann, mal wieder so ein Paar Antilopenbeine streicheln.“

„Noch einmal die Hand auf so einen Hintern legen, bevor ich krepier“, sagte Matt Davies.

Blacky hatte den gleichen verklärten Blick wie die anderen. „So ein paar niedliche Möpse kitzeln und so einen Kirschmund küssen dürfen“, schwärmte er.

„Da war noch was“, sagte Bob Grey. „Du hast was vergessen, das Allerwichtigste …“

„Hört auf“, sagte Hasard leise. Es klang gefährlich leise. „Die Sache ist ernst, da könnt ihr keine blöden Witze reißen.“

„Was ist eigentlich passiert?“ wollte Shane wissen.

Der Seewolf sah ihn an. Ihre Blicke verfingen sich ineinander, und da waren zwei granitharte, durch unauslöschliche Erinnerungen zusammengeschmiedete Männer, die sich auch ohne Worte verstanden.

„Shane“, sagte Hasard. „Wie sieht es eigentlich mit den Arbeiten aus? Was steht ihr hier herum wie die Ölgötzen?“

„Das Leck im Frachtraum ist abgedichtet …“

„Und der Rest?“ Der Seewolf wies auf eine splittrige Bresche, die eine Kanonenkugel in das Schanzkleid des Zweimasters gerissen hatte, und deutete auf die kopfgroßen Löcher in Decksplanken und Aufbauten. Er schaute zur Takelung hoch und registrierte, daß auch die sich nach wie vor in einem erbarmungswürdigen Zustand befand.

„Da fällt gleich alles ’runter“, sagte er.

„Wir können doch nicht hexen“, protestierte Big Old Shane. Hölle und Teufel, was wollte dieser Teufelsbraten von einem Kapitän eigentlich von ihm? Eben hatte er ihn noch begriffen. Es lag ja auf der Hand, was der kecken Roten Korsarin da widerfahren sein mußte.

Aber jetzt?

„Shane“, sagte Hasard leise. „Willst du dich mit mir herumstreiten? Hast du Lust zum Meutern?“

Shane riß sich zusammen. „Nein, Sir.“

„Dann macht weiter, ihr Halunken. Und nehmt die Figuren da mit.“ Er wies auf die Piraten. „Zimmert, hobelt, streicht, nagelt, klart auf, aber laßt hier bloß keinen Schlendrian einreißen.“

„Aye, aye, Sir“, sagte Shane. Jetzt ging ihm endlich ein Licht auf. Was geschehen war, war geschehen, aber der Seewolf wollte ablenken und auf diese Weise Siri-Tong helfen, ihr Gesicht zu wahren.

Doch dazu war es zu spät.

Bill, der Bogenschütze unter den Piraten, sagte gerade in diesem Augenblick: „Da fragt ihr noch? Hölle, euch fehlt wirklich der Grips in den Gehirnkästen.“ Er sprach seine Kumpane an. „Seht euch doch das nackte, haarige Schwein an, seht, wie Siri-Tong verwirrt ist. Der Schlächter, dieser Hund, hat sie vergewaltigt. Dann ist der Seewolf hinzugekommen und hat ihn niedergeschlagen.“

Die Piraten begannen zu grinsen, zu kichern und zu tuscheln. Bill tickte den Schlächter zwar mit der Fußspitze an, aber das war keine offene Mißbilligung. Nein, sie bewunderten ihn noch. Sie lachten und rissen ihre Zoten darüber, wie sich das Ganze wohl abgespielt haben mochte.

„Bill, Juan, Boston-Mann, Don Ravella!“

Die Stimme tönte gellend über Deck und brachte sie schlagartig zum Verstummen. In der Luke des Achterkastells war wieder die Rote Korsarin aufgetaucht. Sie trug volle Montur und hatte sich auch wieder den Degen und das Wehrgehänge umgebunden.

Totenstille brach über die Szene herein. Siri-Tong schritt katzengleich auf ihre Crew zu. Sie zückte den Degen nicht, er schien wie durch Zauber in ihre Hand zu fliegen. Die Spitze richtete sie auf Bills Hals.

„Wiederhole es.“

„Ich – ich weiß nicht, was du meinst“, sagte er.

Siri-Tong drückte etwas zu. Die nadelspitze Klinge ritzte Bills Hals. Ein Blutstropfen quoll aus der kleinen Wunde hervor, suchte sich seinen Weg, perlte an der Kehle herab und verschwand im Hemdausschnitt.

„Ich warte“, sagte sie schneidend.

Bills Augen hatten sich geweitet. Er hielt die Hände geballt und kämpfte mit sich. Dann stieß er aber doch hervor: „Der Schlächter, dieser Hund …“

„Weiter!“

„Er hat Sie vergewaltigt, Madame, und dann …“

„Seewolf!“ rief Siri-Tong. „Ist das die Wahrheit?“

Hasard schüttelte den Kopf. „Der Schlächter fiel über eure Anführerin her, Männer, aber es blieb bei dem reinen Versuch. Ich traf rechtzeitig ein.“

„Würden Sie das beschwören, Seewolf?“ bohrte die Korsarin weiter.

„Jederzeit.“

„Bill“, sagte Siri-Tong drohend. „Noch eine solche Unterstellung, und ich lasse dich die Neunschwänzige spüren. Dreißigmal.“

„Ja, Madame.“

Sie trat zurück und ließ den Degen etwas sinken. Plötzlich lachte sie verächtlich auf. „Aber ihr findet es großartig, was der Schlächter da unternommen hat. Nachmachen würdet ihr es ihm, nicht wahr, ihr Scheißkerle?“

„Niemals, Madame“, wandte Juan ein.

Sie funkelte ihn an. „Schweig doch, du Heuchler. Ich kenne euch. Ihr seid Bestien, keine Männer mit einem Gefühl für Anstand und Respekt. Ihr braucht eine harte Hand, die euch regiert, sonst werdet ihr frech und fallt aus dem Rahmen.“ Sie blickte wild um sich. „Aber damit ihr endgültig begreift, wie ihr unter meinem Kommando zu parieren habt, werde ich ein Exempel statuieren. Muddi!“

„Madame?“

„Hol Wasser. Beeil dich, dalli, dalli, oder soll ich dir erst Beine machen?“

Muddi flitzte über Deck. Die Schnelligkeit, mit der er einen Holzkübel Wasser angeschleppt brachte, war bereits ein Beweis für Unterwürfigkeit und Folgsamkeit. Aber Siri-Tong wußte, daß das nicht ausreichte. Nicht alle würden kuschen wie Muddi, wenn sie nicht mit erbarmungsloser Härte durchgriff.

Hasard beobachtete sie und begriff, was in ihr vorging. Und er war mit ihr einer Meinung: Stellte sie jetzt nicht ihre Position als Kapitän kompromißlos heraus, würden ihr die wüsten Kerle bald auf die Füße treten und meutern.

„Kippe ihm das Wasser über den Schädel“, befahl Siri-Tong.

Muddi entleerte den Holzkübel über dem Schlächter. Das Naß tat seine Wirkung. Der Gorilla stöhnte, schüttelte sich und erhob sich langsam aus der Pfütze, die sich unter seinem Leib gebildet hatte.

„Gebt ihm einen Degen“, sagte Siri-Tong kalt.

Bill zog seine Waffe und warf sie dem Schlächter zu. Der fing sie in einer instinktiven Geste auf. Sein Blick irrte über Deck. Die Männer wichen vor ihm und Siri-Tong zurück. Auch Hasard, Shane und die anderen von der „Isabella“ wußten, daß sie hier nur Zuschauer sein durften. Sie lehnten sich mit den Rücken gegen das Schanzkleid.

Seewölfe Paket 4

Подняться наверх