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7.

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Sie erschienen um kurz nach Mitternacht.

Hasard, Ben und Sam saßen um diese Zeit immer noch brav an ihrem Ecktisch. Blacky hielt sich nach wie vor oben bei Ilaria auf – aus dem Vorschlag, den Jorge im Hinblick auf das Mädchen unterbreitet hatte, würde sich nichts Konkretes mehr ergeben.

Denn jetzt waren sie da, die Kerle von der spanischen Preßgang. Sie traten nacheinander ein, sechs große, robuste Männer, denen die Brutalität ihrer Aufgabe in den Mienen geschrieben stand. Der Mann an der Spitze hatte ein glattrasiertes, fast vierkantiges Gesicht. Hasard, der die Spanier inzwischen ziemlich gut nach ihrer Herkunft einstufen konnte, erkannte die typische Physiognomie des Basken.

Der Baske war also der Anführer des Trupps.

Die Kneipe hatte sich jetzt um gut die Hälfte der Zecher geleert. Wer das Pech hatte, noch den zu Gästen zu zählen, wurde nun von den Männern des Generalkapitäns de Campos genau in Augenschein genommen.

Natürlich nahmen sie nicht jeden. Wer zu alt oder zu schwach für die harte Arbeit an Bord eines Schiffes war, wurde nicht weiter beachtet. Anders die kräftigen Männer. Einen stockbetrunkenen Kleiderschrank von Burschen lasen die Ankömmlinge einfach vom Fußboden auf. Einen anderen, der noch wach war, schlugen sie kurzerhand nieder, als er Protest erhob.

Drei Männer kümmerten sich um den Schlafenden und den Besinnungslosen. Sie schleppten ihn nach draußen. Danach kehrten sie zurück und holten sich zwei weitere Opfer.

Die anderen drei unter der Führung des Basken rückten auf die Seewölfe los. Jorge war wie durch Magie hinter der Theke verschwunden, desgleichen seine beiden Gehilfen. Sie hatten ein Hinterzimmer aufgesucht, wie es die Spielregeln verlangten.

Offiziell durfte nicht verlauten, was Jorge ihnen schon mitgeteilt hatte. Das wußte Hasard. Auch das gehörte zur Farce. Was der Wirt mit dem Generalkapitän aushandelte, war eine Sache, aber der Baske und seine Schergen brauchten davon nicht unbedingt etwas zu wissen. Unter anderen Bedingungen hätte Hasard den ganzen Schwindel und das schmutzige Geschäft des Spelunkenwirts natürlich auffliegen lassen – aber sie wollten ja auf das Flaggschiff des Konvois.

Er mimte den Betroffenen. „He! Was hat denn das zu bedeuten? Seid ihr die Stadtgarde? Warum tragt ihr keine Uniform?“

„Du hast hier keine Fragen zu stellen“, sagte der Baske.

„Aber wir haben nichts verbrochen …“

Ben sagte: „Ich glaube, die suchen Männer für ein Schiff.“

„Stimmt“, meinte Hasard jetzt auch. „Die Sache sieht ganz danach aus.“

Der Baske fixierte ihn scharf und mißtrauisch. „Woher willst du denn das wissen, du Klugscheißer?“

Sam Roskill lachte auf. „Madre de Dios, heilige Mutter Gottes, ihr wollt doch einer salzgewässerten Teerjakke nichts vorspinnen, oder? Mir ist klar, daß ihr ein Preßkommando seid.“

„Das sind Seeleute“, sagte der Spanier neben dem Anführer.

Der Baske grinste mit einem Mal. „Das nenne ich Glück. Wir brauchen noch fähige Männer. Diese hier könnten direkt auf das Flaggschiff verfrachtet werden, dann haben wir beim Capitan General einen Stein im Brett.“ Seine Worte bewiesen: Er ahnte nichts von dem Handel zwischen Jorge und dem Generalkapitän. De Campos hatte ihn in die Kneipe geschickt, aber keine genauen Angaben über die Seewölfe verlauten lassen, dieser gerissene Hund!

Für Blacky war das ein Vorteil. Der Baske wußte ja nicht, daß sie eigentlich zu viert waren – noch nicht.

„Mitkommen“, sagte er jetzt. „Widerstand ist zwecklos. Wir prügeln euch windelweich, wenn ihr nicht vernünftig seid.“

Hasard lachte. „Mann, selbstverständlich gehen wir freiwillig mit. Wir suchen ja ein Schiff, auf dem wir anheuern können. Ihr seid genau richtig. Gehen wir also?“

Der Baske war verblüfft. Wahrscheinlich war es das erste Mal, daß ihm etwas Derartiges widerfuhr. Er sah einige Sekunden lang völlig verdattert aus, aber dann lachte er auch und schlug Hasard auf die Schulter. „Gut so, das lob ich mir. Draußen steht ein Karren mit einem Zweiergespann, auf den wir die anderen Männer geworfen haben. Ihr könnt mit auf den Bock steigen, wenn ihr wollt.“

„Wir können auch zu Fuß gehen“, sagte der Seewolf. „Hinter dem Karren her – mit euch.“

„Wie ihr wollt.“ Der Baske zeigte zwei schadhafte Zahnreihen. „Übrigens, ich heiße Oreste und bin der Erste auf der ‚Flor de Espana‘. Sie ist das Flaggschiff des Geleitzuges.“

„Ich bin Alfredo, das sind Samuele und Benito“, erklärte Hasard bereitwillig.

„Paco“, sagte Oreste zu seinem Nebenmann. „Du und Jose, ihr steigt die Treppe hinauf und sucht oben in den Zimmern nach Männern. Vielleicht erwischt ihr ja noch einen brauchbaren Kerl beim Schäferstündchen mit einer Hure.“

„Das wäre ein Heidenspaß“, sagte Paco grinsend. Jose und er, beide regelrechte Bullen von Kerlen, eilten zur Treppe.

Hasard, Ben und Sam begannen zu schwitzen.

Blacky war der Lärm unten im Schankraum nicht entgangen – obwohl sie den Krug bis auf den letzten Tropfen geleert hatten. Aber es bedurfte schon einiger Schlucke Rum mehr, um Blacky aus den Stiefeln zu werfen und zum Einschlafen zu bringen.

Er war vom Bett gerutscht, hatte seine Kleider zusammengerafft und war zur Tür geschlichen. Er hatte sie vorsichtig spaltbreit geöffnet und vernommen, was geredet worden war.

„Komm doch“, sagte. Ilaria. „Da zanken sich mal wieder betrunkene Kerle. Das passiert hier jeden Tag. Sollen die sich doch die Schädel einschlagen – was kümmert es uns? Spielen wir weiter, mein Großer, oder soll das schon die letzte Runde gewesen sein?“

Blacky hatte es auf einmal sehr eilig, in seine Sachen zu steigen. Er zog sich in Windeseile an. Er trat dabei gegen die Pistole, die ihm Will Thorne mit ein Paar Stichen im Beinkleid festgenäht hatte, und es war fast ein Wunder, daß sie sich nicht löste und zu Boden polterte.

„He!“ Ilaria, splitternackt, jung, schön vollbusig, richtete sich kerzengerade vom Lager auf. „Was hat das zu bedeuten?“

Er ging zu ihr, beugte sich über sie und küßte sie noch einmal innig. „Das ist ein Preßkommando. Die wollen mich schnappen. Wärst du damit einverstanden?“

„Nein, mein Großer …“

Er zählte ihr die acht Escudos in die Hand, aber die zwei Münzen, die er Jorge schuldig war, behielt er.

„Wir sehen uns wieder“, versprach er, „aber jetzt muß ich scheiden, Blume von Havanna.“

„Du warst gut, Großer.“

„Du bist der Stern meiner schlaflosen Nächte.“ Blacky eilte zum Fenster, drückte es auf und glitt über die Bank ins Freie. Mit einem Satz landete er auf den Katzenköpfen der Gasse hinter der Spelunke. Es war kein großer Sprung, denn der Schankraum lag ja zur Hälfte im Keller, und die obere Etage des Gebäudes war im Grunde ein etwas erhöhtes Erdgeschoß. Keine Gefahr also, sich die Knochen zu brechen.

Blacky lief los. Die Finsternis der Gasse verschluckte seine Gestalt. Trotz des feurigen Intermezzos mit Ilaria und des Alkohols hatte er noch unerschöpfliche Energien. Er würde laufen, nur noch laufen, bis er die „Isabella VIII.“ und den Zweimaster der Roten Korsarin in der versteckten Bucht erreicht haben würde.

Oben im Zimmer flog die Tür auf und knallte gegen die Wand.

Paco und Jose stürmten herein. Ilaria hatte gerade noch Zeit, die Bettdekke vor ihren Blößen zusammenzuraffen.

„Wo steckt dein Freier?“ rief Paco.

„Was ist das für eine Art, hier einfach einzudringen, ihr Hurenböcke?“ schrie Ilaria zurück. „Hat die Welt denn so was schon gesehen? Haut ab!“

Paco trat vor sie hin. „Beantworte meine Frage.“

„Gar nichts tue ich. Wer bist du? Der Sohn eines räudigen Hundes?“

Paco riß ihr die Decke weg. Jose las die Münzen auf, bevor Ilaria sie an sich reißen konnte. Das Mädchen fluchte und wollte die Männer kratzen, aber Paco hielt ihre Arme fest. Jose trat durch Zufall gegen den leeren Krug, er kollerte quer durch den Raum.

Paco grinste. „Und du willst uns, wohl noch erzählen, daß du allein gewesen bist, du Flittchen!“

„Satan“, zischte sie.

„Wo hat er sich verkrochen?“

In diesem Augenblick ertönte auf dem Flur das Trappeln von Schritten. Jose drehte sich um und hetzte aus dem Raum. Draußen wurde geflucht, dann kehrte Jose mit einem zappelnden Mann am Schlafittchen zurück.

„Der wollte gerade türmen“, sagte Jose. „Ist er das?“

„Wer?“ fragte Ilaria zurück.

Paco beugte sich zu ihr, sein Gesicht war dicht vor dem ihren. „Ich warne dich, du Schlange. Stell dich nicht so begriffsstutzig an. Ist das dein Freier oder nicht?“

„Nein!“ schrie der Gefangene. „Ich war nebenan mit einem anderen Frauenzimmer beschäftigt. Laßt ihr mich jetzt frei?“

Paco lachte rauh. „Das könnte dir so passen.“ Er zückte plötzlich sein Messer und wandte sich von neuem schroff an Ilaria. „Zum letzten Mal – sprich, oder ich kitzle dich mit der Klinge.“

„Also gut“, entgegnete sie höhnisch. „Er ist abgehauen. Inzwischen hat er genügend Vorsprung. Versucht doch mal, ihn zu kriegen.“

Wütend verließen die beiden mit ihrem Gefangenen den Raum. Sie schafften ihn nach unten. Als er plötzlich einen Ausbruch unternahm, stellte Paco ihm ein Bein. Jose schlug mit der Faust zu, traf den Nacken des Mannes und schickte ihn ins Reich der Träume.

Paco und Jose berichteten ihrem Anführer.

„Auf den, der getürmt ist, können wir verzichten“, erwiderte Oreste. „Erstens habe ich keine Lust, mir seinetwegen die ganze Nacht um die Ohren zu schlagen, und zweitens haben wir auch so schon genug Leute.“ Er blickte zu Hasard. „Was ist, Alfredo, gehen wir?“

„Si, Senor“, erwiderte der Seewolf.

Er grinste, schaute zu Ben-Benito und Sam-Samuele und sah sie ebenfalls feixen. Blacky hatte die Kurve gekratzt. Teil eins ihres Planes hatte prächtig funktioniert.

Der Holzkarren wurde von dem Zweiergespann – müden Gäulen mit hängenden Köpfen – an der Feste El Moro vorbeigezogen. Fast zwanzig total Betrunkene und bewußtlos Geschlagene waren auf der Ladefläche zusammengepfercht worden. Hinter dem Gefährt schritten Oreste, Paco, Jose und die anderen Männer des Preßkommandos. Insgesamt waren es mehr als ein Dutzend Spanier. Zwei andere kleine Gruppen, die andere Schenken des Hafenviertels durchstöbert hatten, waren nach dem Verlassen der Kneipe zu ihnen gestoßen.

Hasard und seine beiden Gefährten schritten zwischen Oreste, Paco, Jose und einigen anderen Kerlen. Sie waren regelrecht eingekeilt. Dieser Baske war kein dummer Bursche – er rechnete immer noch mit einem Trick Hasards. Vielleicht, so dachte er, haben sich diese drei nur als „Freiwllige“ deklariert, um in einem günstigen Moment das Weite zu suchen.

Hasard, Ben und Sam räumten durch ihr Verhalten bald seine Zweifel aus.

An einer langgestreckten Pier jenseits der Festung lagen Schaluppen vertäut. Die Seewölfe packten mit zu, als die Leinen gelöst werden mußten, und sie halfen, die Besinnungslosen mit an Bord zu schaffen. Schließlich betätigten sie sich als Schlagmänner und legten sich kräftig in die Riemen.

Die Schaluppen, drei an der Zahl, lösten sich von der Pier und glitten auf die Reede hinaus. Die Konturen der dort ankernden Galeonen waren schemenhafte Schattenrisse vor dem Dunkel der Nacht. Nur der Mond verbreitete fahles Licht, es setzte den Wellen silbrige Kronen auf. Auf den Schiffen brannten keine Laternen. Das hatte zwei Gründe. Man sparte gern Öl, und außerdem fingen die Holzschiffe leicht Feuer. Nur bei Nachtfahrt wurden die großen, verschnörkelten Eisenlaternen an den Hecks als Positionslichter angezündet.

Zwei Schaluppen fächerten von dem kleinen, schweigsamen Verband ab und wandten sich den westwärts ankernden Schiffen zu. Die Schaluppe, in der die Seewölfe mitpullten, steuerte schnurstracks auf das Flaggschiff zu.

Oreste, der Baske, ergriff jetzt wieder das Wort. „Das ist sie, die ‚Flor de Espana‘. Gleich lernt ihr den Generalkapitän höchstpersönlich kennen. Macht mir bloß keine Schande.“

„Bestimmt nicht“, erwiderte Hasard. „Du kannst dich auf uns verlassen. Es ist doch in unserem Interesse, einen anständigen Eindruck zu erwecken.“

Er blickte zu Ben und Sam. Die hatten Mühe, ihr Lachen zurückzuhalten, denn sie begriffen ja, wie zweideutig das gemeint war.

Hasard schaute kurz über die Schulter zurück zur „Flor de Espana“. Sie entpuppte sich als großer, dickbauchiger Dreimaster von der üblichen Bauart. Sie war eine Galeone wie beispielsweise die „San Josefe“, die Hasard gekapert und dann lange Zeit als „Isabella V.“ gefahren hatte. Nur hatte er das untrügliche Gefühl, daß diese „Blume von Spanien“ hier bei weitem kein so prunkvoller Kasten wie damals die „San Josefe“ war. Er rümpfte schon jetzt die Nase.

Er drehte sich wieder um und konzentrierte sich auf das Pullen. Im übrigen gab es da etwas, das seine Aufmerksamkeit viel mehr fesselte aus dieses Flaggschiff.

Eisenbeschlagene Kisten!

Sie lagerten gut verteilt unter den Duchten der Schaluppe und verliehen dem Gefährt entsprechenden Tiefgang. Und auf den anderen beiden Schaluppen wurden wahrscheinlich ähnliche Behältnisse transportiert.

Hasard warf Ben einen Seitenblick zu. Ben grinste flüchtig. Natürlich, er und Sam beäugten die Kisten ebenfalls. Eine einzige Frage beschäftigte den Geist der drei Männer – was enthielten die Truhen?

Die Antwort darauf schien auf der Hand zu liegen. Bitte schön, was nahmen die fetten Galeonen der Tierra-Ferma-Flotte denn in ihren Bäuchen auf, wenn sie in die Alte Welt zurücksegelten? Doch nicht nur Tabak, Gewürze oder Kürbisse!

Und deswegen waren sie ja schließlich hier. Die Kisten übten also eine geradezu magische Anziehungskraft auf die Seewölfe aus.

Die Schaluppe ging an der Steuerbordseite der Galeone längsseits. Oben am Schanzkleid war eine Jakobsleiter belegt worden, sie baumelte bereits herab. Die Schaluppe glitt fast bis zum Vorsteven, machte fest, und der Baske wahrschaute die Deckswache der Galeone.

Mit den Vortoppwinden wurden die Kisten nach oben gehievt. Hasard, Ben und Sam packten wieder bereitwillig mit zu. Sie stellten fest, daß diese Kisten wirklich ein enormes Gewicht hatten. Sie zwinkerten sich zu. Es waren Schatztruhen, daran gab es keinen Zweifel mehr.

Die bewußtlosen Männer, die in der Kneipe gepreßt worden waren, wurden ebenfalls einfach nach oben gehievt. Danach durften die Seewölfe mit den spanischen Seeleuten an der Jakobsleiter aufentern, und die Schaluppe wurde nach oben gezogen, in den Galgen auf Deck geschwenkt und schließlich in ihren Laschings festgezurrt.

„Bringt die Kisten in den großen Laderaum“, ordnete Oreste an.

Hasard, Ben, Sam, Paco, Jose und einige andere schleppten die kostbare Fracht nach achtern und hinunter in den Laderaum. Der Weg führte durch die prunkvoll eingerichtete Kammer des Generalkapitäns. Oreste begleitete den Trupp und klopfte an, bevor sie die Tür zur Kammer öffnen durften.

Generalkapitän Juan de Campos gestattete gnädigst den Transit, aber er würdigte die Männer keines Blikkes. Während sie mit den Truhen an ihm vorbeidefilierten, sprach er nur seinen Ersten kurz an. Hasard gewann in diesem Augenblick nur einen flüchtigen Eindruck von dem Capitan, aber der genügte ihm schon.

De Campos, das war ein hagerer Mann mit Knebelbart, und etwas in seinem Äußeren erinnerte an einen Geier, der blasiert auf einem Krüppelbaum hockt und seine Beute betrachtet. Die Menschenkenntnis verriet Hasard schon jetzt: de Campos war arrogant und unbeherrscht und behandelte das „gemeine Schiffsvolk“ wie den letzten Dreck. Ein richtiger Aasfresser.

Hasard sollte recht behalten.

Der Frachtraum war ein stinkendes Loch, in dem man sich wegen der Dunkelheit den Schädel einrammen konnte. Nur oben in der Kapitänskammer hatte eine Lampe gebrannt, aber de Campos dachte gar nicht daran, seinem Schiffsvolk Licht mitzugeben.

Sie setzten also einfach die Kisten ab.

„Verdammt“, sagte Paco. „Verfluchte Taredos. Eines Tages brech ich mir noch die Knochen auf dem Scheiß-Schiff hier.“

„Still“, zischte Jose.

Taredos waren Schiffswürmer, und Paco war auf einem von ihnen ausgerutscht, gegen den Kameraden geprallt und fast gestürzt. Das hatten die Seewölfe auch trotz der Dunkelheit mitgekriegt. Hasard begriff mehr und mehr, auf was für einem höllischen Waschzuber sie gelandet waren.

Jose hatte seine guten Gründe, Paco zu warnen. Lichtschein näherte sich. De Campos stieg in Begleitung von Oreste, dem Basken, den Niedergang hinunter.

De Campos hielt die verschnörkelte Öllaterne, die Hasard in seiner Kammer gesehen hatte, und fuhr sie sogleich an: „Was steht ihr so blöd ’rum, ihr Ratten? Zurrt die Kisten fest.“

„Si“, erwiderte Jose. „Si, Senor Capitan General.“

Bei der Arbeit stellte Hasard fest, daß der Frachtraum wirklich sehr groß und sehr verkommen war, und daß sich hier bereits die Kisten stapelten. Im leicht flackernden Lichtschein konstatierte er auch, daß Bewegung auf den Planken herrschte. Es war ein bedenklicher Verkehr. Blinde Passagiere erzeugten ihn – die Taredos, Kakerlaken, Schaben, Wanzen und Ratten, die sich hier eingenistet hatten.

Und es stank.

Auf jedem Schiff gab es Ratten, und auch die anderen Mitbewohner ließen sich nicht immer ganz vertreiben. Aber eine so faulige Blüte von Spanien war dem Seewolf selten begegnet. De Campos scherte sich wahrhaftig einen Dreck um den Zustand seiner Galeone. Und er war einer jener Kapitäne, die ihre Mannschaften getrost an Skorbut krepieren ließen, solange sie selbst noch ausreichend verpflegt waren. Es war nur ein Beispiel, aber de Campos hatte garantiert eine Menge solcher Tugenden.

Wut sieg in Hasard auf. Wenn dies sein Schiff gewesen wäre, hätte er es zunächst mal von oben bis unten umgekrempelt. Auf Sauberkeit und Hygiene legte er nämlich großen Wert. Sie ließen sich nicht immer vollkommen einhalten, aber man konnte viel tun, um aus einem Schiff keinen verlausten und vergammelten Pfuhl werden zu lassen.

Sie hatten die Kisten festgezurrt und richteten sich auf. Als sie sich umdrehten, sah Hasard, daß sie beim Eintreten eine Barriere aus Eisenstäben passiert hatten. Erst jetzt ragte das Gitter deutlich sichtbar vor ihnen auf. Vorher war es in der Dunkelheit nicht zu sehen gewesen.

„ ’raus mit euch“, kommandierte der Erste.

Sie verließen den vergitterten Teil des Laderaumes. Juan de Campos schloß die Tür selbst ab. Hasard sah, daß er den Schlüssel an einer Kette um den Hals trug.

De Campos wandte sich ihnen zu und musterte sie voll Widerwillen. „Die neuen hier“, sagte er zu Oreste. „Sollten das nicht vier sein?“

„Vier?“ Der Baske kratzte sich am Hinterkopf. „Wir haben noch eine Menge Kerle aus den Kneipen aufgefischt, mi Capitan. Einige, meiner Meinung nach die besten, habe ich mit auf das Flaggschiff nehmen lassen. Der Rest von ihnen befindet sich auf Oberdeck. Fünf Mann.“

„Hör mit deinem Gequatsche auf“, fuhr de Campos ihn an. „Ich spreche von diesem Grüppchen hier.“

„Das waren drei. Wir haben sie aus der Vongola geholt.“

„Weiß ich“, erwiderte der Generalkapitän unwirsch – und Oreste war verblüfft.

„Ich kann das Rätsel lösen“, sagte Hasard. „Wir hatten tatsächlich noch einen vierten Mann dabei – Moro. Der hatte sich nach oben in eines der Zimmer verzogen. Mit einem Mädchen.“

„Mit einer Hure“, stellte Sam Roskill richtig. „Und mit meiner Flasche Rum.“

„Ja, und dann muß er ziemlich betrunken und völlig ermattet unter die Koje gefallen sein“, fügte Ben hinzu.

Paco sagte: „Das Mädchen haben wir gesehen, aber der Kerl war durch das Fenster entwischt.“

„Ach, der war das“, sagte Oreste, der Baske.

De Campos war dunkel angelaufen. „Schweigt. Euer Gekläff beleidigt mich. Kehrt aufs Oberdeck zurück, ihr elenden Hunde, der Profos wird euch eure Plätze im Vordeck anweisen.“

„Danke“, sagte Hasard.

De Campos warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Er begegnete ihm mit Gelassenheit. Wir haben uns gesucht und gefunden, Amigo, dachte der Seewolf, und es wird noch eine innige Freundschaft daraus entstehen.

Oreste blieb im Achterkastell. Paco und Jose begleiteten die Seewölfe noch auf Deck, dann verschwanden auch sie – und der Profos erschien auf der Bildfläche! Ein paar Gepreßte hatte er schon traktiert, jetzt rückte er auf die drei Freunde los. Er war ein stiernackiger Bursche mit Glatze und bloßem Oberkörper. An Körpergröße und Kraft konnte er es beispielsweise mit Big Old Shane aufnehmen. Er hielt die neunschwänzige Katze, ließ die Arme baumeln, daß die Lederstriemen der Geißel die Planken berührten, und stierte sie aus blutunterlaufenen Augen an. Sein Gesicht war eine narbige Wüste. Edwin Carberry mutete im Vergleich zu ihm wie ein Engel an.

„Ich bin Oleg, der Profos“, sagte er drohend.

„Soso“, entgegnete Hasard grinsend. „Ich bin Alfredo, und das sind Benito und Samuele.“

„Willst du mich auf den Arm nehmen?“

„Nein, mein Freund. Wir sind Freiwillige, hat Oreste dir das nicht gesagt?“

Der Profos ließ die Neunschwänzige knallen. „Deswegen hat euch noch lange nicht der Respekt zu fehlen. Ins Vordeck mit euch, ihr Drecksäkke, oder ich lüfte euch an.“

Sie gehorchten. In den Räumen des Vorschiffes herrschte der gleiche verdreckte Zustand wie im Achterdeck – wie sollte es auch anders sein. Hinzu kamen die Ausdünstungen der Männer in den verwanzten Kojen. Das konnte einem den Magen umkrempeln, selbst, wenn man nicht zart besaitet war.

„Wir warten einige Zeit ab“, sagte Hasard. „Dann gehen wir nach oben und pennen auf der Back. Da haben wir wenigstens frische Luft.“

Etwas später kletterten sie nach oben zurück, hielten nach Oleg Ausschau und stellten fest, daß er sich zurückgezogen hatte. Ohne daß die Deckswache es merkte, bezogen sie auf der Back Quartier und schliefen rasch ein.

Seewölfe Paket 4

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