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4.

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Siri-Tong vergeudete keine Zeit. Sie tänzelte auf den Schlächter zu und streckte den Waffenarm aus. Die Degenspitze pendelte vor der Brust des Riesen. Er grunzte erbost, riß ebenfalls die Waffe hoch und wehrte ab. Es war eine wilde Bewegung. Siri-Tong verharrte, zog den Degen hoch und lächelte grausam.

Der Schlächter hieb zu. Surrend glitt sein Degen durch die Luft. Seine Absicht war, Siri-Tongs Waffe zu zertrümmern. Es lag auch genug Kraft in der Parade, aber die Rote Korsarin reagierte blitzschnell und rückte zur Seite.

Der Schlächter geriet durch den Schwung seiner Bewegung fast aus dem Gleichgewicht. Er stolperte einen Schritt nach vorn, fluchte und unternahm einen nächsten Ausfall auf die Frau.

„Dich schneide ich in Stücke“, drohte er.

„Vieh“, gab sie zurück. „Ich zeige dir, was es heißt, Siri-Tong zu nahe zu treten.“

„Gib auf“, brüllte er. „Gegen mich kommst du nicht an.“

„Und doch hat dich Hasards Zimmermann besiegt“, erwiderte sie höhnisch.

Der Schlächter geriet in Wut. Er benutzte den Degen wie eine Axt – damit konnte er schließlich am besten umgehen. Derb hackte er mal von links, mal von rechts quer nach unten durch die Luft, in dem Bestreben, Siri-Tongs Kopf oder Schultern zu treffen.

Sie wich vor ihm zurück. Er wertete das als Schwäche. Diese Entwicklung verlieh ihm inneren Auftrieb. Er stapfte ihr nach und trieb sie an der Kuhlgräting vorbei zum Steuerbordniedergang des Achterkastells.

Die Rote Korsarin steppte die Holzstufen rückwärts hoch, war bald an der Schmuckbalustrade vorbei und ließ sich bis an den Kolderstock zurückdrängen. Gespieltes Entsetzen zeichnete jetzt ihre Miene.

Der Schlächter befand sich in einem fast rauschartigen Zustand.

„Du“, stieß er aus. „Steck auf. Ich laß dich leben. Du gehörst mir. Auch das Schiff ist jetzt mein. Kapitän bin ich.“

„Und ich wäre demnach deine Geliebte, nicht wahr?“ erwiderte sie.

„Ja …“

„Narr! Bastard! Tier!“ Siri-Tongs Gesichtsausdruck veränderte sich wieder. Plötzlich waren ihre Züge wie aus Stein gemeißelt, alles Weiche, Sinnliche war von ihr abgefallen. Sie hob den Degen und hieb von unten gegen die Waffe ihres Gegners. Es klirrte. Der Schlächter schrak unwillkürlich zusammen.

Siri-Tong zeigte wieder ihr grausames Lächeln, dann schnitt sie in einer blitzschnellen Bewegung mit der Klinge ein Kreuz in die Luft. Das Sirren war die Melodie, die des Schlächters Untergang einleitete.

Rasant und unversehens erfolgte ihr Ausfall. Sie krümmte das rechte Bein, streckte das linke lang, federte nach vorn und stach nach dem Leib des wuchtigen Mannes. Der Schlächter quittierte es mit einem entsetzten Grunzen.

Er blockte ab und versuchte, eine Verteidigung aufzubauen. Aber Siri-Tong war jetzt ein Wirbelwind. Sie umtanzte ihn, ließ ihm keine Chance. Der Schlächter war rauhe Kampfsitten gewohnt, aber keine Finessen wie diese. Und hier bewies sich wieder, worin ihre Überlegenheit über den Haufen Piraten bestand. Sie glänzte durch brillante Einfälle, geistige Überlegenheit und unglaubliche Schnelligkeit.

Wenn der Schlächter nach den Seiten hieb, war die Korsarin hinter ihm, fuhr er herum und suchte sie in seinem Rücken, war sie bereits wieder auf einem anderen Platz. Sie hatte ihn zum Narren gehalten, als sie die Unterlegene gespielt hatte. Jetzt hielt sie ihn noch für eine Weile hin – aber dann unternahm sie die entscheidenden Paraden.

Der Schlächter schrie auf.

Siri-Tongs Degen hatte seine Schulter getroffen. Er rückte torkelnd gegen sie vor, aber sie brachte sich mit Leichtigkeit vor seiner Abwehr in Sicherheit. Seine Degenhiebe waren plump. In ihren Finten und Paraden lagen Eleganz und Harmonie.

Siri-Tong bereitete dem Hin und Her ein Ende, indem sie ihn auflaufen ließ und ihm den Degen bis über die Hälfte der Klinge in die Brust trieb. Sie tauchte unter seiner Waffe und seinen rudernden Armen weg, lief zur Seite und stand plötzlich an der Schmuckbalustrade des Achterdecks. Von hier aus sah sie zu, wie er zusammenbrach.

Der Schlächter sank auf die Knie. Sein Oberkörper schwankte vor und zurück. Anklagend blickte er zu der Roten Korsarin. Sie antwortete mit einer Geste grenzenloser Verachtung. Der Mann öffnete den Mund – es sah aus, als ob er noch etwas sagen wollte. Es war eine groteske, gespenstische Szene.

Zum Schluß kippte er vornüber und trieb sich die Klinge bis zum Heft ins Herz.

„Packt ihn!“ rief Siri-Tong. „Werft ihn über Bord!“

Juan, Muddi, Bill und ein vierter Mann stiegen auf das Acherdeck und hoben den Toten von den Planken auf. Bill zog ihm mit einem Ruck den Degen aus der Herzwunde. Während sie den Schlächter an Armen und Beinen hielten, händigte Bill seiner Herrin die Waffe aus.

Sie wischte den Degen an einem Tuch ab und steckte ihn zurück in die Scheide. Sie stand erhobenen Hauptes, der Wind griff nach ihren langen schwarzen Haaren und stellte sie in Strähnen auf. Dies war ihr Augenblick, ihr Triumph, die Zurschaustellung ihrer unumschränkten Macht an Bord des Schiffes mit den blutroten Lateinersegeln.

Schweigend wohnten der Seewolf und seine Männer der nun folgenden Szene bei. Stumm verharrten auch Siri-Tongs Kerle auf der Kuhl, als nun die vier den Leichnam zum Backbordschanzkleid der Kuhl beförderten und außenbords warfen.

Keine Bestattung, wie sie einem Seemann gebührte – kein Segeltuchkleid für die letzte Reise des Schlächters, kein Gebet, nicht einmal ein knapper Gruß seiner Kumpane. Mit einem Klatscher tauchte sein Körper in den Fluten unter, schwappte wieder hoch und wurde von dem ablaufenden Wasser der Passage entgegengetragen. Der Ebbstrom schleuste ihn hindurch, der Schlächter trieb auf die See hinaus und entzog sich den Blicken der stillen Beobachter.

Siri-Tongs Stimme erklang wieder. „So geht es jedem, der mich beleidigt und sich gegen mich auflehnt“, verkündete sie von ihrem Platz auf dem Achterkastell. „Ihr Kanaillen, laßt es euch ein Beispiel sein.“

Es war erstaunlich, fast ergreifend anzusehen, wie die elf Piraten sie von unten her anschauten. Ehrfurcht und Bewunderung lagen nun wieder in ihren Blicken, aber auch eine gehörige Portion Angst.

„Es lebe die Rote Korsarin!“ rief Juan, und die Piraten-Crew wiederholte es brüllend.

Siri-Tong lächelte. Sie wies auf Hasard und sagte nun ihrerseits: „Es lebe der Seewolf!“

Shane räusperte sich, dann brach es grollend aus ihm hervor: „Ein dreifaches Hurra für den Seewolf! Ein dreifaches Hurra für Siri-Tong!“

Das Grölen, Pfeifen und Jubeln ertönte nun von beiden Schiffen. Deutlich mischte sich von seiten der auf der „Isabella“ stehenden Männer auch ein „Ar-we-nack, Ar-we-nack“ darunter. Es war ihr Schlachtruf, aber er konnte auch zu einem schrägen Lobgesang werden, ganz nach Erfordernis.

Hasard stand gelassen am Schanzkleid des Zweimasters. Er hielt Siri-Tong das Gesicht zugewandt und lächelte ein wenig. Damit sprach er ihr seine Anerkennung aus. Ein Mann hatte sterben müssen, aber es war nicht schade um ihn.

Das Fazit lautete: Der Frieden war wiederhergestellt. Und nur das war wichtig.

Die Lust am Liebesabenteuer war beiden Crews gründlich vergangen. Da beäugte keiner mehr lüstern die Rote Korsarin, da schlich ihr keiner mehr nach, da wurden kaum noch anzügliche Bemerkungen fallengelassen. Und Siri-Tong nahm natürlich auch keine Nacktbäder mehr. Davon und von abgelegenen, romantischen Buchten hatte sie vorläufig die Nase voll.

Die Tage vergingen mit den Ausbesserungsarbeiten an den Schiffen, Landgängen zur näheren Erkundung der Insel, baden, schlafen, fischen. Nach einer Woche waren die Galeone und der Zweimaster wieder völlig intakt. Die Mannschaften hatten sich von den Strapazen erholt, es befanden sich genügend Proviant und Trinkwasser an Bord.

Hasard suchte mit Ben Brighton, Ferris Tucker und Edwin Carberry die Rote Korsarin auf. Sie lud sie in ihre Kapitänskammer ein. Es war ein ruhiger Abend. Die Bleiglasfenster der Heckgalerie standen offen, laue Luft wehte aus der Bucht herein, ein paar Mücken umtanzten das Öllicht, das Siri-Tong entzündete.

Die Männer setzten sich, und Hasard sagte: „Siri-Tong, wir brauchen wieder Beschäftigung. Alle Arbeiten sind erledigt, und die Männer schieben Müßiggang. Das ist schlecht. Es bringt sie erfahrungsgemäß auf dumme Gedanken.“

Die Rote Korsarin schenkte ihnen Rotwein in silbrig glänzende Kelche, teilte sie aus und nahm dann auch Platz. „Ja. Mit anderen Worten, keiner hat Lust, hier zu vergammeln.“

Carberry grinste. „Mir juckt’s schon wieder in den Fingern, Madame. Ich hätte nicht übel Laune, mal wieder ein paar Dons die Haut in Streifen vom – vom, äh, Allerwertesten zu ziehen.“

Siri-Tong lachte silberhell. „Wie ich Sie kenne, haben Sie bereits wieder einen Plan entwickelt, Hasard.“

„Allerdings.“

„Sie übertrumpfen mich. In allem.“

Hasard ging nicht darauf ein. Er hatte sich geschworen, nicht einmal auf kompromittierende oder schmeichelnde Äußerungen zu reagieren. Siri-Tong wollte gern wieder einen Annäherungsversuch unternehmen. Sie strich wie die Katze um den heißen Brei. Hasard blieb stur.

„Beide Schiffe verlassen die Schlangen-Insel zu einem neuen Raid“, sagte er. „Ich will dorthin, wo die Geleitzüge nach Spanien zusammengestellt werden. Nach Havanna auf Kuba.“

Ferris rieb sich die Hände. „Jawohl, und da werden wir den Dons mal wieder kräftig eins überbraten. Ich glaube, die haben verlernt, was es heißt- mit uns zu fechten.“

„Eure Tollkühnheit in Ehren“, erwiderte Siri-Tong. „Aber ich bin da skeptisch. Havanna ist bestens abgesichert. Viele Piraten von Tortuga haben versucht, sich an die Schatzgaleonen heranzupirschen, aber keinem ist es gelungen, einen entscheidenden Schlag zu landen. Ich bin auch einmal herangesegelt, habe jedoch feststellen müssen, daß Havanna ein paar Nummern zu groß für mich ist. Man kann sich da gehörig die Finger verbrennen. Ich bin lieber wieder umgekehrt, bevor mich die Spanier bemerkten. Ja, ich gebe offen zu: Ich habe gekniffen.“

„Das ist keine Schande“, sagte Ben Brighton. „Aber wir haben zwei Schiffe. Die ‚Isabella‘ ist bestens bestückt, und im Verband sind wir stärker.“

„Das ist es nicht …“

„Moment“, sagte Hasard. „Wir reden um den Kernpunkt des Problems herum. Wie überlisten wir die Spanier? Ich stelle mir die Sache ganz anders vor als ihr. Es wäre eine Riesendummheit, den Feind offen anzugreifen.“

„Wir schleichen uns bei Nacht einfach in den Hafen“, entgegnete der Profos. „Es wäre ja schließlich nicht das erste Mal, daß wir die Philipps auf diese Weise überraschen. Denkt mal an Panama zurück …“

„Wissen wir“, sagte Ferris. „Aber unterbrich den Seewolf nicht.“

„In Havanna wird die Hafeneinfahrt durch eine dicke Eisenkette verhängt“, fuhr Hasard fort. „Ich habe deswegen und auch aus anderen Gründen Bedenken, es auf diese Art zu versuchen. Meine Strategie lautet diesmal: Wir gehen nicht wie üblich von außen an die Geleitzüge heran, sondern von innen.“

„Was, wie?“ sagte Carberry. „Wie ist das zu verstehen?“

„Wenn du mich ausreden läßt, steigst du gleich dahinter.“

„Aye, aye, Sir.“

„Ben und ich, wir begeben uns nach Kuba. Wir gehen irgendwo an Land, marschieren nach Havanna und hören uns in den Hafenkneipen um, welcher Geleitzug als nächster ausläuft. Wir werden noch Sam Roskill mitnehmen, der beherrscht die spanische Sprache auch vorzüglich.“

„Da würde ich auch gern mit von der Partie sein“, erklärte Carberry.

Ferris grinste. „Du mit deinem Kauderwelsch. Hasard hat uns allen ja mühsam Spanisch beigebogen, aber wenn die Dons dich radebrechen hören, fliegt der Schwindel sofort auf.“

„Weißt du, was du mich kannst?“ grollte Carberry.

Der rothaarige Riese hob die Hand. „Halt, vergiß nicht, daß wir uns in der Gesellschaft einer Lady befinden.“

Der Profos kratzte sich am Rammkinn, blickte zu Siri-Tong und sagte: „Oh, verdammt, Madame, da wäre mir fast was ’rausgerutscht. Bitte um Entschuldigung.“

„Weiter im Text“, sagte Hasard. „Wir müssen versuchen, uns auf dem Flaggschiff des betreffenden Geleitzuges anheuern zu lassen. Haben wir das geschafft, ist der Rest kein Problem mehr. Wir nehmen den Generalkapitän als Geisel, sobald der Konvoi Havanna verläßt. Wir vereinbaren ein Zeichen. Ferris, du übernimmst das Kommando auf der ‚Isabella‘. Ihr wartet zusammen mit Siri-Tong draußen auf offener See, und wenn ihr das Zeichen seht, greift ihr mit ein.“

„Dann gibt’s Senge“, sagte der Profos.

„Seid doch endlich mal still“, brummte Ferris. „Kannst du deine verdammte Klappe nicht halten?“

„Du Holzwurm“, zischte Carberry. „Wir sprechen uns noch. Ich werde dich schleifen, bis dir das …“

Er bremste sich diesmal rechtzeitig. Siri-Tong lächelte, aber es fiel doch etwas schief aus, weil sie sich an gewisse Ausdrücke der harten Männer zur See immer noch nicht gewöhnt hatte.

Hasard blickte seinen Profos zurechtweisend an. „Streite dich nicht mit Ferris herum. Dich sticht wohl der Hafer, wie?“

„Ja, Sir.“

„Nun, du kriegst bald Gelegenheit, dich auszutoben. Zurück zur Sache jetzt – und keine Zwischenreden mehr, verstanden? Wenn ich es mir recht überlege, wäre es gut, wenn wir auch noch Blacky mitnehmen würden. Mit seinen schwarzen Haaren geht er auf Kuba ebenfalls glatt als waschechter Spanier durch. Wir drei Mann müssen das Flaggschiff besetzen, ich kann da weder dich, Ben, noch Sam entbehren, aber wir brauchen einen vierten Mann, der als Melder fungiert.“

„Da blicke ich jetzt wieder nicht durch“, sagte der Profos.

Er handelte sich erneut tadelnde Blicke ein – diesmal von allen Anwesenden. Siri-Tong konnte aber nicht ernst bleiben, als sie die belämmerte Miene des Profos’ sah. Sie kicherte hinter vorgehaltener Hand.

Hasard sagte: „Blacky begleitet uns bis in die Höhle des Löwen. Wenn aber feststeht, daß wir auf dem Flaggschiff anheuern können, verschwindet er wieder und kehrt zu euch anderen zurück. Wie solltet ihr sonst erfahren, daß überhaupt etwas aus unserem Vorhaben wird? Will das in deinen dicken Schädel, Ed?“

„Ja. Jawohl, Sir.“

„Also weiter. Vom Flaggschiff aus geben wir das Zeichen, sobald sich der Capitan in unserer Gewalt befindet. Dann können die ‚Isabella‘ und der Zweimaster heransegeln, die Beute übernehmen und das Flaggschiff ausschlachten und eventuell versenken. Die Besatzung und die Passagiere schicken wir natürlich in Booten an Land.“

„Wie nachsichtig“, sagte Siri-Tong in einem Anflug von Ironie.

„Sie kennen doch jetzt meine Prinzipien, oder?“ fragte Hasard zurück.

„Ja.“

„Und daran gibt es nichts zu rütteln. Ich will kein Gemetzel.“

„Aye, aye, Sir.“ Siri-Tong schnitt eine Grimasse, aber sie begehrte nicht gegen diese Verhaltensmaßregel auf. Einer mußte das Oberkommando haben, und das war nun mal der Seewolf. Siri-Tong akzeptierte mehr und mehr seine Führerrolle in dieser Koexistenz. Er war der erste Mann in ihrem Leben, dem sie sich wirklich unterordnete.

Hasard ließ den Blick über das Grüppchen schweifen. Zuckender Lichtschein erhellte die Gesichter. Die Aura der Verschwörung ging von der Szene aus.

„Es ist ein verwegener Plan“, sagte der Seewolf. „Sehr riskant, aber andererseits auch so frech, daß er einfach klappen muß. Ist es nicht so, Ed? Jetzt kannst du deine Meinung zum besten geben.“

Carberry nickte eifrig. „Es ist ein Unternehmen nach meinem Geschmack. Je dreister, desto besser. Was die Dons nicht erwarten, wirft sie total aus dem Konzept. Wir fallen wie der Blitz über sie her und …“

„… und wenn bei euch doch etwas schiefgehen sollte, Hasard, sind wir in der Nähe, halten Fühlung und können jederzeit eingreifen“, meinte der besonnene, umsichtige Ferris Tucker.

„Unterbrich mich bloß nicht noch mal“, sagte Carberry.

„Und wenn ich’s tue?“

„Dann zieh’ ich dir die Hammelbeine lang.“

„Eher umgekehrt“, widersprach Ferris grinsend. „Vergiß nicht, daß ich das Kommando über unser Schiff übernehme, wenn Hasard nicht mehr an Bord ist.“

„Hol’s der Teufel. Spiel dich bloß nicht auf.“

„Ed“, warnte Hasard. „Dein undiszipliniertes Verhalten geht mir langsam auf die Nerven.“ Mehr sagte er nicht. Wie ernst er es meinte, war in seinen glitzernden Augen zu lesen. Carberry zwang sich zum Schweigen.

Was ihn so aus dem Häuschen brachte, wußten alle: Siri-Tong. In ihrer Nähe wollte jeder beweisen, was für ein verwegener Kerl er doch war. Hasard hatte allmählich die Nase voll.

Die Rote Korsarin spürte es, sie bemühte sich um Sachlichkeit. „Sind Sie denn überhaupt sicher, daß die spanischen Kapitäne noch Männer für ihre Schiffe suchen, Hasard?“

„Ja. Die Galeonen sind ständig unterbemannt, ein Handicap für alle Geleitzüge der Tierra-Ferma-Flotte. Es mangelt ganz gewaltig an ausgebildeten Seeleuten. Die Besatzungen bestehen zu einem Teil aus Verbrechern, Abenteurern, Negersklaven, Indianern und anderen Leuten, die von Schiffen soviel verstehen wie unser Profos von den guten Manieren eines englischen Edelmanns.“

Siri-Tong entblößte ihre makellosen Zähne zu einem Lächeln. „Eine fabelhafte Idee also. Sie scheinen in Havanna besser Bescheid zu wissen als ich, Hasard.“

„Zu meiner Crew gehören ehemalige Karibik-Piraten. Und bei mir an Bord fuhren Jean Ribault und Karl von Hutten, die sich von allen am besten auf diesen Iseln auskennen. Sie haben mir manchen brauchbaren Tip gegeben. Und nicht zuletzt hatten wir sogar mal einen Spanier in unserer Mannschaft, der allerhand über die Gewohnheiten seiner Landsleute in der Neuen Welt zu berichten wußte.“

„Valdez, der alte Haudegen“, sagte Carberry. „Was aus dem wohl geworden ist.“

„Das Zeichen“, sagte die Rote Korsarin. „Wir müssen es noch vereinbaren.“

„Viermal drei Lichtblitze“, erklärte der Seewolf. „Ich nehme stark an, daß wir unseren entscheidenden Schlag in der Dunkelheit landen werden.“

Punktum und basta. Damit hatte er entschieden, was getan werden mußte, und Siri-Tong blieben zwei Möglichkeiten. Entweder willigte sie bedingungslos ein – oder sie verzichtete auf die Kaperfahrt.

Hasard musterte sie im Licht der Öllampe. Widerstreitende Gedanken schienen ihr sekundenlang durch den Kopf zu schießen. Dann erhob sie sich.

„Gut. Einverstanden. Ich unterrichte meine Männer. Wann brechen wir auf?“

„Im Morgengrauen“, sagte Hasard.

Seewölfe Paket 4

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