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Der Chefkoch & die Nazijägerin

Ein Parkplatz vor der Türe, ich fass´ es nicht. Cat bringt Glück!

Ich befreie sie aus dem weißen Gefängnis. Sie zerrt die großgeblümte Tasche vom Rücksitz und folgt mir zum Hauseingang.

Wann ich die wieder brauche? Die afrikanische Gesichtstüte bleibt im Weißen.

Sie ist verschlossen, die dunkle alte Holztüre mit den hübschen Drechslereien. Ich öffne. Wir tauchen in den kühlen mit Mosaiken ausgelegten Flur.

»Klein Chicago, deshalb schließen wir Tag und Nacht ab! Zu viele Junkies, jede Woche mindestens ein Bruch auf der Straße.« Das Holzgeländer und die quietschenden Stufen begleiten uns in den ersten Stock zu meiner Wohnung. »Verkackter Spießer«, nörgelt Cat, begeistert sich im nächsten Atemzug für das Haus. »Ultra cool!«

»Steht unter Denkmalschutz, eines der ältesten am Platz.« Ich wohne liebend gern in dieser Straße, gäbe es nicht immer Parkprobleme.

Der nächste Schlüssel öffnet die Wohnungstüre. Ich freue mich täglich über die Bude, obwohl ich schon etliche Jahre hier lebe. Sie könnte `nen Anstrich vertragen, gebe ich ja zu!

»Mensch, die ist ja irre!« Cat breitet die Arme aus, dreht sich im Kreis. »Die tollen hohen Decken, wie hoch sind die? Schade, dass es keinen Stuck mehr gibt. Und diese Doppelflügeltüren. Ein Palast«, staunt sie. »Einen Holzfußboden, den wünsche ich mir immer schon!« »Der ehemalige Besitzer – verstorben - erzählte, dass meine Räume lang vor meiner Zeit als ›Blauer Salon‹ des Hauses genutzt wurden.« Im Wohnraum wirft Cat ihre Tasche aufs Sofa. Genießt den Ausblick auf das beleuchtete historische Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Ich zaubere uns was zu futtern«, murmle ich auf dem Weg in die Küche, schalte das Licht ein.

Der Einkauf landet auf dem Glastisch. Vier antike Holzstühle haben Platz. Über der Spüle hängen Pfannen und Siebe. Schnappe meine Lieblingspfanne. Mein ganzer Stolz: der Edelstahlgasherd – italienisches Modell! Fünf profimäßige Kochfelder wären der Hammer gewesen, aber die Nische reichte nur für vier. Die Schublade gleitet lautlos aus dem Unterschrank, präsentiert offenherzig die vielen gestapelten Töpfe.

Ein wohl durchdachtes System. Mist, dass ich nicht Koch gelernt habe! Keinen Bock auf die Arbeitszeiten. Kochen finde ich super, aber die Kohle unverschämt, na ja, Sterneköche ... Außerdem geht es der Gastronomie nicht prickelnd. Restaurantsterben, sage ich nur! Wenige Menschen können es sich leisten essen zu gehen.

Pastawasser ist aufgesetzt. Cat hilft mir beim Schnippeln. Chilikörner springen über den Tisch. Knoblauch klebt an meinen Händen. Angeekelt, schweigend quetscht Cat die Chilimasse aus dem Darm. Das gibt morgen Placken!

Leichte Rötungen an Cats rechtem Mundwinkel zeigen sich bereits. »Aber essen kannste die, oder?« Ich übernehme, rolle die klebrigen Bällchen liebevoll in den Handflächen. Kurz in Paniermehl gewälzt - fertig. Spaghetti versinken - torpedierte U-Boote im Topf, kochen brodelnd. Cat hievt die riesigen Pastateller aus dem Glashängeschrank. »Ich könnte ein Pferd verschlingen!«, lacht sie. »Allerdings nur, wenn du es nicht selber schlachten musst!« Ich positioniere meine Lieblingspfanne auf dem matt glänzenden Edelstahlherd. »Was süppeln wir dazu?«, forscht sie vorwitzig. »Wasser ist im Kühlschrank.« Ich deute hinüber, derweil rühre ich zärtlich die Nudeln.

»Wasser?« Entsetzt überschlägt sich ihre Stimme. »Besser Wodka oder Gin.« »Ich trinke nicht, sorry!« »Das geht ja mal gar nicht. Zu leckeren Spaghetti gehört doch ein Schlückchen. Wein, wenn schon nix Hartes.« Ich wette, dass sie boshaft mit den Augen rollt.

»Im Regal im Flur liegen ein paar Pullen, Geschenke. Wenn du willst?« »Na und ob ich will!« Umgehend kehrt Cat mit einer Weinflasche zurück, zerrt den Korken heraus und schenkt sich einen Vorab-Kochwein ein.

Sie schüttet die Nudeln ab. Die Wurstbällchen brutzeln knusprig vor sich hin. Knoblauch, zusätzlich Chili in die Pfanne, die Spaghetti rein, Pfeffer, Salz und schwenken. Mann, hab ich das lange geübt. Miracoli ist fertig!

Wein gluckert in mein Glas. »Überredet, zum Essen nehme ich eins!« Der Chefkoch – mein bestes Ich – verteilt die Spaghetti auf Tellern. Ich strahle, wenn auch ermattet. Bin nicht mehr in der Lage mich aufzuplustern, ein Lob einzufordern.

Das wilde Mädchen taucht mechanisch die Gabel in den Spaghettihaufen, ähnlich elegant wie eine Forke in den Mist. »Lecker!« Still schlingen wir die ersten Bissen in uns hinein. Teigwaren hängen aus Mundwinkeln, wedeln durchs Gesicht, hinterlassen Fettspuren, geschleudert auf T-Shirts, Tattoos, Tisch ... Mann, kann ich gut kochen!

Höre das Schlürfen, das Mahlen der Zähne, das Knirschen der Kaumuskeln, das finale Schlucken. Zum x-ten Mal prostet Cat mir zu. Eine gefühlte Ewigkeit, aber nur drei überfüllte Gabeln später, beginnt die Bildschöne, bis dato recht Schweigsame zu schwätzen. Ich lausche dem Gefasel von geglückten Überfällen, Einbrüchen, dem nächsten Ziel – richtig fettem Kunstraub, Beschwerden über unsensible Verbrecher und vermeidbaren Vandalismus. Sie stößt an, auf famose Freundinnen, eine eingeschworene Tippgemeinschaft und den erwarteten Lottogewinn. Hegt Bewunderung für die verrückte Oma, die sich bestens mit Terrorismus auskennt, als berühmte Nazijägerin gefeiert wird. Stinkende Kanalisationsflucht, eine zusätzliche Spezialität der Oma, möchte ich mir derzeit nicht vorstellen. Tolle Großmutter! Beinahe beneide ich sie um ihren Erfolg in der Ahnenforschung und den Stammbaum, der bis ins Mittelalter reicht.

Spaghettipfanne leert sich. Emsig schenkt Cat Wein nach und nach und nach. »Was ist das?«, lallt sie - entgleister Gesichtsausdruck. Gleichzeitig schiebt sie die letzte Pasta auf ihren Teller. Mir wird schummerig. Ich beuge mich angestrengt über meine Lieblingspfanne, mustere die Innenfläche. »Teflon ...«, ich dehne das Wort ungewollt. Oh, der Alkohol!

»Teflon rausgekratzt, gegessen, aus Versehen ... Schadet dem menschlichen Körper nicht, wird ausgeschieden. Keine Gefahr!«, blubbert der Text unkontrolliert aus mir heraus. Es rauscht kurz in meinen Ohren. Mir gehen die Lichter aus.

Einsitzschwimmer

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