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Der Anfang vom Ende?

Drache, Koi, Betty Page & ich

»Everything must go! Packen wir es!« Ich knete und würge das klebrige schwarze Lenkrad. Die Hitze scheint es aufzulösen. »Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen«, fasele ich und streichle den schwitzenden Koi, der Schulter und Oberarm umschlingt. Die roten Schuppen verschmelzen mit den blauen des Drachen. Entschlossen kriecht das Reptil die Haut hinunter zu meiner Hand. »Jetzt keine Zweifel aufkeimen lassen!« Zur Abwechslung kraule ich das halbnackte Pin-up auf meinem anderen Arm, gezwungen meine Zuneigung einigermaßen gerecht zu verteilen. Ich beschleunige.

»Du hast dich entschieden, bist perfekt vorbereitet, also sei kein Gogo-Girl!«, ermahne ich den lässigen Typen mit dem zerzausten braunen Haar am Steuer des gammligen Mazda. »Die Zeit des einzigartigen Nils Löwenberg ist angebrochen. Meine Zeit! Wem schade ich schon? Wir spazieren rein und gleich wieder raus!« Nochmals tätschele ich die farbenfrohen Tätowierungen. ›Die Bestgestochenen der Welt‹ versuchen täglich, mein eingefleischtes Singledasein zu kontrollieren. Ernsthaft, sie quasseln, toben ... just in diesem Moment wünschte ich, sie wären stinknormale Tattoos.

Ein Schmetterling segelt, nimmt Platz auf meiner Windschutzscheibe. Ich beschleunige nochmals. Die Flügel wehen. Abbremsen, beschleunigen, abbremsen. Er wiegt im Fahrtwind, balanciert und rutscht in Zeitlupentempo, gaanz gaaanz langsam. Patsch! »Weg.«

»Schade Nils, ich mag Schmetterlinge. Die kitzeln den Gaumen. Schmecken schön pelzig«, schmollt der Koi. »Ja, im Abgang und die Flügel eignen sich hervorragend zur Zahnpflege!«, schmatzt der schillernde Drache. Er kratzt das geschuppte Kinn.

»Keine Diskussion! Ihr seid Tattoos. Koikarpfen, Flugdrache, rot und blau. Übrigens, Falterflügel zerfallen zu Staub, wenn ihr sie berührt. Haltet die Klappe!«

»Puh - Dickkopf! Wir schmücken deine Haut, ist das ein Grund uns zu beschimpfen?« »Schmetterlinge - absolute Feinkost! Ich verplempere mein Pfauen-Tattoo-Sein an Nils Wade, schlechte Position um einen zu erwischen«, brüllt der Gefiederte aus dem Fußraum.

»Schluss! Ich brauche Ruhe, muss mich sammeln. Fehlt nur, dass auch die Sonne auf meinem Rücken über Insekten referiert.« »Wieso sprichst du zu deinen Tattoos, wenn wir leblos sind? Bist du vielleicht plemplem?« »Es reicht, Miss Page! Pin-ups, liebste Betty, befriedigen in der Regel einen einzigen Zweck - sexy ausschauen. Das ist wirklich alles, was ich von dir erwarte! Danke!«

»Gut, wie du magst, sprechen wir über Erwartungshaltungen. Nils, wie alt bist du? 26, präzise? Schlaue begehrenswerte Typen horten mit 30 die erste Million auf ihrem Konto. Du hingegen gefällst dir in der armseligen Rolle des Vinyl-Junkies? Ja, Junkie! Schallplatten sammeln ist das eine, sie im Laden zu verkaufen das andere. Ich erinnere mich nicht, wann zuletzt ein Kunde die Bude betreten hat!« »Mein Drachenhirn besinnt sich sehr wohl! Der roch streng – beißt noch heute in meinen Nüstern. Gekauft hat er nix!«

»Das Texten für die blöde Agentur bringt ebenfalls zu wenig Geld ein!«, nörgelt Betty. »Bin ich schuld, dass die nur Freiberufler beschäftigen? Außerdem muss ich Prioritäten setzen!« »Deine Prioritäten kennen wir. Du konzentrierst dich auf Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Betrug und Korruption. Der letzte Held unserer Tage! Der, der die Welt rettet?«, zweifelt der Karpfen. »Ich bin nicht der Einzige. Immer mehr Folks empören sich. Wir leben unsere Vision!«

Einsitzschwimmer

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