Читать книгу Einsitzschwimmer - Sabine Höntzsch - Страница 8

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Nicole & Roselinde

Mein klappriger Mazda ›Der Weiße‹ erwartet mich. Ich reiße die Fahrertüre auf. Der abgestandene scharfbeißende Schwall wabert mir entgegen. Rücklings falle ich auf die Sitze, die Beine hängen leblos aus dem Wagen. Schleppend und hörbar ziehe ich die Fersen über den Bürgersteig. Angewinkelt bleiben die Beine draußen. Kurze Pause.

Betty räkelt sich auf dem Polster, so, als kuschelte sie in flauschiger Zuckerwatte. Im Fußraum windet sich das beschuppte Drachen-Monster, bereit, gleich Vollgas zu geben.

Nach einer gefühlten Ewigkeit rapple ich mich auf. Die wertvolle Tüte verbanne ich auf den Rücksitz. Die Sonne brutzelt. Tempo 30 ist angesagt.

»Geh Göre!«, schreie ich. Dieses Blag quert diagonal die Straße, ohne einen Blick an den Verkehr zu verschwenden. Der verschwitzte Arm, zu dem die perfekten Tattoos gehören, durchwedelt stickige Luft. Schweißtropfen hüpfen, gehen rund um mich nieder. Na, wenn das Mal keinen Regenbogen gibt.

Meine Zähne knirschen. Fast schmerzhaft kräuselt sich meine Stirn und meine Augen bilden Schlitze, münden in braungebrannten Krähenfüßen. Wie fühlt sich das an, wenn ich vorwärts, rückwärts, vorwärts, rückwärts über diese Göre ... die sich einfach nicht vorschriftsmäßig verhalten will? »Kopfkino für Genießer!«

»Stichwort - N i c o l e – komm auf andere Gedanken! Alles, was dir jetzt durch den Kopf schießt, wird deine Stimmung beeinflussen«, säuselt der Koi. Er grinst ein rotes Grinsen.

Wahrlich ein perfektes Stichwort. Nicole - sie schwört auf trashigen Kitsch und saftige Erotik, schwärmt von diesen entzückenden Filmchen. Roselinde Pichler heißt doch die, deren Bücher als Vorlage herhielten? Man, was da an Kohle floss, als der Mist verfilmt wurde? Nicole – nicht hübsch, nicht hässlich. Durchschnitt, aber auf Dauer unerträglich.

»Hab ich die Haare schön? Eine neue Farbe war bei `ner anderen Friseuse. Meine Tasche - niedlich, ne? Mir bleibt doch nix anderes, als jeden Tag putzen. Die Welt ist so schmutzig! Manchmal verzweifele ich. Und jeden Tag in die Stadt gehen und einkaufen befriedigt nur kurzfristig. War das ein lustiger Abend, als wir ordentlich einen pichelten. Pling, mein Schatz!« Unentwegt plappert dieses Mündchen – Lippenstift ist zu dick und viel zu rot aufgetragen. Säuseln in meinen Ohren, ich befürchte, ohnmächtig zusammen zusacken. Nein, die Dame ist alles andere als blond! Ich schüttle mich angewidert.

Nee, stelle mir vor, ich hätte täglich solche Weiber um mich. Die wünschen nur eins, bespaßt zu werden. Okay, sie sehen echt annehmbar aus, nette Püppitäschchen unter den Achseln, wechseln mindestens zweimal am Tag die Klamotten, zusehen - Fehlanzeige. Das Essen zahl immer nur ich. Politik - Sie wissen, wie man es schreibt - toll! Bücher oder Dokumentationen mit Wahrheitsgehalt ertragen sie nicht, agieren hysterisch, und mit Anfassen ist auch nix. Wieso in Gottes Namen lernte ich diese Frau kennen? Und warum verbrachte ich Zeit mit ihr? Ob man so was sagen darf? Politisch korrekt war ich nie, meine Freunde verstehen das. »Ich hoffte auf positive Gedanken«, schmollt der Koi.

Ich ignoriere ihn, richte meine volle Aufmerksamkeit auf die Straße. Vielleicht läuft mir irgendwas Lebendiges über den Weg. Ich grunze, lache und entblöße meine weißen Zähne. Mhhh, kalter Milchkaffee von heute Morgen. Ja, Milchkaffee. Tattoos bedeuten nicht zwangsläufig Bier!

Das lauwarme, braune Nass erfrischt meinen klebrigen Gaumen. Tropfen sprudeln aus meinem rechten Mundwinkel, folgen dem Kinn. Und wieder blitzen meine weißen Zähne im stechend quälenden Sonnenlicht. Ich blinzle hinüber, in das Auto auf der rechten Spur, mein Lächeln wird erwidert.

Schweiß braucht Ablenkung! Ich denke an Geld, die nächste Fälligkeit der Krankenversicherung - Geld - und Fußball. Deutschland ist erwartungsgemäß natürlich nur Dritter der WM geworden. Mit 51 Punkten beim Tippen war ich gar nicht schlecht, hatte die Holländer als Weltmeister auf dem Schirm. War nix.

Schweiß braucht Nahrung – Flüssignahrung. Nochmals greife ich auf den Beifahrersitz und fingere am kaffeegefüllten Chutneyglas. Es klemmt, das verdammte Ding, ich habe immer eins dabei. Ich muss anerkennen, von Minute zu Minute geht es mir besser! Trotzdem die Hitze im Mazda konstant steigt und die Tattoos perfekter denn je glänzen. Die Klimaanlage ist defekt, die Scheibenheber leider auch. Bankraub, das war `ne Kack-Idee!

Einsitzschwimmer

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