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Viel schlimmer als das!

Riesen Bifi & Hungerlohn

Der Wecker quält. Nur fünf Minuten! Geballte Fäuste pressen das Kissen auf den Kopf, bis es schmerzt. Es ist nicht auszuhalten! Bin vollkommen gerädert. Wie kann das Püppchen so unglaublich schnarchen? Die halbe Nacht habe ich mit Hin- und Herwälzen verbracht. Bin vollkommen fertig. Die automatische Ohrverriegelung - ausgesetzt! Geschnarche - durch die fette Holztüre, die alten starken Mauern, beinahe hätte ich sie mit den Daunen erstickt. Ich habe einen solchen Hass!

Die Fäuste verkrampfen, die Zähne knirschen, die Kiefermuskeln blockieren und meine gebräunten Krähenfüße vertiefen sich um zusätzliche Hundertstelmillimeter. Erneut das schauderhafte Geräusch der Uhr. Scheiße, ist nicht der Wecker! Ist die Schelle vom Laden. Ich springe aus dem Bett, vorbei an der freigestrampelten, schnarchenden Cat. Greife zur Gegensprechanlage. »Okay, bin sofort da. Moment! Ahhhh!« Mein Zeh donnert vor die Türe. Der Hörer der Anlage verpasst die Gabel, baumelt an der verhaspelten Strippe, touchiert die Wand - Knockout am Boden. Das T-Shirt verheddert sich im Nacken. Barfuß stürze ich hinunter zur Haustüre.

Meine Bestellung! Ich zerre, zupfe, nehme dem armen Kerl vom Kurierdienst die fette Kiste mit den Schallplatten ab. Bugsiere den Karton – der Schatz ist schwer – in den Laden. Ich plumpse auf den Stuhl, stöhne, massiere den angestoßenen Zeh. Rauchschwaden verpuffen, entweichen den Nüstern des blaugrün Geschuppten. »Dein Glück, das kein Kunde gekommen ist. Du siehst verdammt bescheiden aus!« »Danke für das qualifizierte Statement. Pack an!« Die Kostbarkeiten bergen wir flott. Alles da, Okay! Oh man, er wartet auf eine Unterschrift. Ich humple an die Türe, unterschreibe und angle ein paar Cent aus meiner Hosentasche. »Danke Kollege und schönen Tach!« Ich setze ein schmerzverzerrtes Lächeln auf. Für einen Hungerlohn jagt der Arme durch die Stadt mit privatem PKW. Wenn er den Adressaten nicht erreicht, fährt er mehrmals, das geht auf seine Kappe. Mieser Job! Die blutunterlaufenen Augen und das wirre, melierte Haar zeugen davon, dass auch er wenig geschlafen hat, letzte Nacht.

Zurück in der Wohnung gebe ich mir alle Mühe, Cat unsanft zu wecken. Ich zerre an ihr. Du raubst mir kostbaren Schlaf! Rüttle brutaler. Jetzt heißt es Rache nehmen! Nach mehreren Anläufen krönt mich der Erfolg. Das Resultat ist überraschend. Frisch schält sie sich vom Sofa. Hätte ich dermaßen gesoffen, würde ich nach dem Kaffee straight das Bett aufsuchen. Mein Zeh wird violett – gebrochen? Er wächst beim Zusehen auf Riesen-Bifi-Größe an. Cat tänzelt singend ins Bad. Ich stelle die Espressokanne und den Milchtopf auf. Meine Augen streifen den Spül. Ekelhaft! Der Brief versteckt sich unter `nem Teller. Nochmals überprüfe ich den Termin. 5.8. Wo liegt der Kalender? »Das ist nächsten Donnerstag!« Der Finger unterstreicht die Ziffern. Heute ist Samstag. Keine Ahnung, ob ich das schaffen könnte. Verlosung. Die hat Ideen! Ich vertiefe mich im Milchaufschäumen. Kann den Laden unmöglich schließen, und Kohle - Mangelware!

Ich schneide eine böse Grimasse, schüttle das Haupthaar über duftendem, cremigem Schaum. Aufmerksam springt der Karpfen, schnappt das Haar, verschluckt es, bevor es einer Feder gleich schlingernd auf der Schaumkrone landet. »Nach dem Käffchen rufe ich Otti an, damit sie das für uns übersetzt.« Ihr Haar tropft, sie duftet. Mehrfach deutet der Finger auf die Post. Bedrohlich. »Nach dem Kaffee erledigst du den Spül!«, entgegne ich superfreundlich. Druckvoll tippt mein Zeigefinger auf die makellose Stirn. Ich gieße den frischen Espresso und die schaumige Milch in die gelben Schalen. »Ja, sofort danach – versprochen!« Lachend erhebt sie Zeige- und Mittelfinger zum Schwur und kullert mit den mandelförmigen Augen. Wasserperlen fallen vom Schopf, plumpsen auf den Tisch, den Boden in den Milchkaffee. Wer will die Plörre dann trinken? Sie nimmt mich nicht für voll!

Fliegen schweben durch den Raum, schimmern schwarzbläulich, kreisen über dem verwässerten Cappuccino. Cat scheucht sie mit einem Handschlag weg, schlürft den Kaffee. Unerwartet springt sie auf, eilt in den Wohnraum und kehrt mit Telefon zurück. Kennt sich bereits glänzend aus, in meiner Bude. Die flinken Finger wählen gewünschte Nummer. Hoffentlich kriegst du keinen gewischt! Ich stelle mir vor, die Ninja-Kämpfer-Haare stehen zu Berge.

»Ja, hallo Oma, Cat hier!« Gebrabbel am anderen Ende. Oma? Die ruft ihre Oma an? Was soll der Mist? Dachte ich´s mir – klingt verdammt alt, der Name. »Ja, ach die, die gehen mir auf die Nerven, sollen sich um ihren eigenen Scheiß kümmern!« Das Gebrabbel am anderen Ende schwillt an. »Ja, sag´ ihnen halt Bescheid, dass es mir vortrefflich geht. Bin bei `nem Freund, der ist sehr nett und hat `ne megatolle Wohnung. Du würdest sie lieben! Oma, ich zieh sowieso aus, sobald ich 16 bin!« Gleichzeitig landen Miss Betty Page, die beschuppte Echse und der freudig dreinblickende Koi einen Hieb in meine Magengrube. Aaaahhh! »Dem Luder ist es ernst, die zieht bei uns ein, wetten?«, mosert der Karpfen. »Los überleg dir was oder ich kratze dem Gör die Augen aus!«, droht die Echse.

»Darfst du denen gleich aufs Butterbrot schmieren! Ich wollte ursprünglich Otti sprechen, ist die da? Ja, danke. Wir sehen uns!« Cat trommelt mit den schlanken Fingern auf den leicht gebräunten Oberschenkel. Wirft mir ein genervtes Lächeln zu. »Hallo Otti, ja ich bin okay! Grete weiß Bescheid. Du kannst doch spanisch, `ne? Nein ich bin nicht in Spanien!«

Zum wiederholten Mal verdreht sie die Klüsen. »Könntest du was für einen Freund übersetzen? Oh, das wäre superlieb! Ist was Amtliches. Prima, wenn ihr zu Hause seid, kommen wir kurz vorbei. Bis später, tschüss!« Cat drückt den zarten Daumen auf den Hörer-Button, als koste es alle Kraft der Welt, das Gespräch zu beenden. »Du rufst deine Oma und irgendeine Otti an, weil sie spanisch spricht? Willste mir die Bullen auf den Hals hetzen? Die suchen dich!« Ich warte verärgert auf den nächsten Kick in den Magen. »Ach was!« Sie winkt ab. »Die beiden sind super, die hauen mich niemals in die Pfanne. Otti hat einige Jahre in Spanien gelebt, auf `ner Hippie-Insel, bevor sie Oma, äh Grete kennenlernte. Na, welche war das? Egal, irgendwann haben beide beschlossen, in einer Wohngemeinschaft zusammenzuleben. Das klappt prima. Solltest du auch mal drüber nachdenken!« Ich ignoriere den Satz. Nee, mein Fräulein, nicht mit uns! Nur über unsere Leichen!

»Fahren wir gleich hin, dann wissen wir, was auf dem Wisch vom Notario steht, okay?« Die Stirn kräuselt sich bedenklich. Ich leere die letzten kostbaren Tropfen des Kaffees, beobachte Cat über den Rand hinweg. »Dem Zeh geht es wesentlich besser, danke der Nachfrage.« Ihre Miene hellt sich auf. »Das ist doch prima! Ich mache mich fertig, und wenn du so weit bist, können wir meinetwegen los.« »Ich bin fertig!« Sie schüttelt den hübschen Kopf. »Bist du nicht! Du wirst ein langärmliges Shirt anziehen, wegen der Tattoos!« Sie verlässt die Küche. Die spinnt völlig! Will mir vorschreiben, was ich anziehe, bin ich 12?

Nach erneuten kratzbürstigen Wortgefechten, Argumentationskriegen und Nickeligkeiten: ein akzeptables Resultat. Cat verspricht, Kohle für den Flug nach Spanien bei der Oma locker zu machen. Akzeptiert! Ich zeige mich von der diplomatischen Seite.

Einsitzschwimmer

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