Читать книгу Einsitzschwimmer - Sabine Höntzsch - Страница 17

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Fotos ohne Spießer

Zita erwartet mich. Der Erbsenkopf, gerahmt von Rote-Beete-Saft gefärbtem Sauerkrauthaar, schaut suchend aus dem Fenster. Nichts erinnert mehr an den dramatischen Abend, angereichert mit zotteligem Filz.

»Was so `ne Packung ausmacht!«, bemerke ich anerkennend. Sie lächelt mir zu, winkt kindlich, wedelt unbeholfen, wird verschlungen vom Dunkel des Raums.

Als ich meine Sachen zusammen krame, öffnet sie freudig die Haustüre. »Komm rein, es ist alles belassen, wie es war!« Sie zieht an meinem Arm, drängt zum Eintreten. Der Drache bangt um seinen Schwanz. »Hübsch, das ist eine super Idee mit den Fotos! Du darfst die Fotoreihe nach mir benennen! Die Leute aus meiner Klasse werden staunen. Jetzt ist Ferienzeit, hopphopp klappt das eh nicht mit deiner Ausstellung, oder?« Ob das überhaupt was gibt? Keinen blassen Schimmer.

Also verweigere ich eine Antwort, schenke ihr ein gequältes Lächeln. In der Küche angelangt, baue ich die Gerätschaft auf, balanciere von einem Fuß auf den anderen. Immer auf dem Schirm - das wunderbare Stillleben. Fantastisch!

Zita versucht, zu helfen. Genervt drücke ich sie nieder auf den Stuhl, auf dem sie zeternd Platz nahm, als ich gestern ihre Bekanntschaft machte. Enttäuscht sitzt sie da im winzigen violetten Trägerkleid. Die langen Beine der riesigen Gestalt wibbeln ungeduldig. Violett passt prima zu den roten Haaren. Ich porträtiere sie wohl doch. Am liebsten wäre mir, sie verließe den Raum. Den Gefallen erweist sie mir leider nicht. Da sie schon mal da ist, mich mit Fragen bombardiert, entlocke ich ein bisschen was über Cat, die geheimnisvolle jugendliche Verbrecherin.

»Geht Cat in deine Klasse?«, forsche ich beiläufig, winde mich, um die beste Perspektive für die Fotos auszusuchen. »Hat sie nix erzählt? Wenn sie `nen tollen Typen kennenlernt, dann verschweigt sie einiges oder sie lügt, sie sei Bardame.« Zita verrenkt den Oberkörper, um meiner Arbeit zu folgen. Ich spitze die Ohren. Toller Typ – endlich jemand der das ausspricht!

»Verschweigt sie auch, dass sie nächste Woche sechzehn wird? Cat will nicht mehr feiern. Sie meint, sie sei zu alt. Quatsch!« Missbilligend schüttelt sie den winzigen Kopf. Cat ist erst fünfzehn, damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich bin von Kindern umgeben.

»Es wäre doch toll, wenn wir bei dir `ne Überraschungsparty ausrichten!« Zita klatscht vergnügt in die Hände. Ihre riesigen Augen strahlen begeistert. »Ich bastel was Nettes für sie ... `ne modische Tasche, oder so«, murmelt sie in sich gekehrt. »`Ne Dessousparty«, flüstere ich verächtlich – unhörbar. »Oh, das ist eine Mega-Idee. Cat liebt Dessouspartys! So was fällt sonst nur Cats Oma ein. Die Schaumparty letztes Jahr war der Knaller!«

Wieso konnte sie das bloß hören? Was für ´ne Vorstellung! Eine Horde von Kindern stolziert in Unterwäsche durch meine Bude und Zita stelzt. Nee, das geht gar nicht! Gänsehaut flitzt über meine Arme.

»Du würdest deinen Kindern das erlauben, habe ich Recht?«, fordert die schrill erhobene Stimme. Lang streckt sie den Finger aus, deutet in meine Richtung. Angst überkommt mich, dass es ihr gelingt, über diese Distanz meinen Arm zu berühren.

»Du bist kein verflixter Spießer, wie mein Vater! Der kümmert sich immer nur um Geschäfte, reist in der Welt herum, Spaß verbietet er.« Das kleine Gesicht formt eine beängstigende Grimasse. Fehlt nur, dass sie auf den Boden rotzt.

Ich weiche Zitas Blicken aus. Oh nee, damit will ich nix zu tun haben! Ich antworte nicht, bin zu beschäftigt. Keinen Bock, über eigene Kinder nachzugrübeln. Bin ich so alt? Kurz betrachte ich meine farbigen Freunde, die bejahend nickend. Na ja, für `ne 15-Jährige vielleicht schon. Wieso die kindlichen Dinger immer heiß aussehen müssen? Unschätzbar, ich meine altersmäßig. Wupps hast du `ne Klage am Hals, verdammt!

»Kann ich jetzt aufräumen, wenn alles im Kasten ist?« Ich nicke. »Ich freue mich wie Bolle auf die Ausstellung!« Sie seufzt, lächelt, wirbelt mit dem Besen, der gefährlichen Verlängerung ihres Armes, durch die Luft. Funkenmariechen? »Danke, ich bin dann jetzt weg. Man sieht sich.«

Als ich im Auto kauere, rauscht mir der Alkohol zurück in den Kopf. Schlapp drücke ich meinen Körper in den Sitz. Glasige Augen starren in den Rückspiegel. Na toll! Ich versuche ein Lächeln in den Spiegel. Zita steht am Fenster und winkt. Mit einem einzigen Armschwenk ist sie in der Lage, die komplette Fensterscheibe zu putzen. Der Weiße und ich kratzen die Kurve.

Einsitzschwimmer

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