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Tränen & Holzbein

Ducken! Fliegeralarm!? Der Himmel – anthrazitfarben. Fette Gewitterwolken ziehen stürmisch. Bedrohlicher wirken die Cessna in der Luft, mindestens zwölf.

Schwarz lackiert, tragen sie grüne Kreuze auf beiden Seiten des Rumpfs und attackieren die Stadt. Sie kreisen über Trümmern. Mörderischer Krach beherrscht den gespenstischen Ort. Um mich herum fliehen Menschen Hals über Kopf, suchen Rettung. Die Erde bebt unter den Füßen. Ich schaue entsetzt hinab, da ist nur ein Fuß und ein - ein Holzbein und vor allem keine Zeit darüber nachzudenken. Stapfe, so rasch es mir möglich ist. Bomben schlagen in Mauern, Häuser, Autos. Neben mir wird einer zerfetzt, zerplatzt einem Luftballon gleich. Sein Blut, die Gedärme kriechen, schwabbeln an mir herunter, verätzen die Haut und färben den hölzernen Stumpf. Ich stürze. Dunkles Plasma klebt überall, beginnt zu gerinnen. Wische mit total verdreckten Händen über meine Arme, mein Gesicht, bis es schmerzt. Wohin sind die fabelhaften Tattoos verschwunden?

Ich heule – unfähig aufzuhören. Da hinten rennt eine menschliche Fackel. Abrupt richte ich mich auf. Durch den Schleier aus Tränen betrachte ich prüfend die Arme, strecke sie von mir. Blut? – Nein, erleichtert atme ich, werfe den Blick an die Decke - weiß. Die Tattoos existieren und das Holzbein - fleischlich. Schweiß läuft in Strömen. Vorsichtig stecke ich die Nase unter die Achseln, erst rechts, dann links. Puh, ich brauch `ne Dusche – unbedingt. War das ein Scheißtraum. Das war Krieg!

Ich bin bemüht, die quälenden Bilder zu vertreiben. Kneife mich. Roboterhaft erreiche ich das Bad, schleudere die Klamotten von mir, genehmige mir einen ausgedehnten, lauwarmen Schauer. Ich beruhige mich allmählich. Der Wasserschleier entstammt endlich nicht mehr den puterroten Augen. Die Stille und das lauwarme Wasser – eine Wohltat!

»Bin wieder da!« Cat steht plötzlich im Bad, klatscht bestens gelaunt an den transparenten Duschvorhang. Ich zucke zusammen. »Räume schon mal was auf. Bis gleich!« Ehrlich gesagt wäre ich glücklicher alleine zu sein. Ich hasse es, wenn jemand ungefragt durch die Bude läuft. Reiße das Handtuch vom Klo, binde es um, watschle auf feuchten Füßen in den Flur. Die wandelnde Fackel will mir nicht aus dem Kopf. Meine Mauken hinterlassen klamme Spuren auf den Holzbohlen. Der mit Intarsien geschmückte Biedermeierschrank entstammt meinem Jugendzimmer. Die Türe quietscht. Ich greife frische Klamotten heraus.

»Du hast ja mehr ...« Cat lugt um die Ecke, meinen Rücken im Visier. »Tattoos meine ich!«, blinzelt sie neckisch, verschwindet in der Küche.

Das Mädel nervt. Ich verdrehe die Augen. Geklimper - hoffentlich geht nix kaputt!

Eilig streife ich die Klamotten über, schaue nach dem Rechten. »Wo ist das Bier her?« Cat sammelt Leergut in ihrer Blumentasche. »Vom Kiosk, du hast schon geschlafen. War verdammt durstig, nach dem Tag«, antwortet sie frisch und strahlend. »Du bist wirklich nix gewohnt, konnte ich nicht glauben. Ich dachte, du scherzt.« Sie schlüpft an mir vorbei, stellt die Tasche in den Flur vor die Eingangstüre. Es scheppert mächtig. Wedelnd mit meinem Ersatzschlüssel, an ihrem Schlüsselbund, kehrt sie zurück. »Ich bring´ die Flaschen weg. Dein Schlüssel war leicht zu finden, an der Kuhglocke in dem protzigen Bilderrahmen.« Sie deutet in den Korridor. »Danke, dass ich bleiben darf!« Nur ihr Duft erfüllt den Flur.

Einsitzschwimmer

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