Читать книгу Strafprozessrecht - Sabine Swoboda - Страница 54

4. Das Problem der sog. „beweglichen Zuständigkeit“

Оглавление

81

Es wurde bereits hervorgehoben (s.o. Rn 69), dass der „gesetzliche Richter“ zwar für jeden denkbaren Rechtsfall im Vorhinein objektiv feststehen muss (Art. 101 I GG), dass aber andererseits unser Prozessrecht der StA in beschränktem Umfang eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Spruchkörpers einräumt, bei dem sie Anklage erheben will. Es handelt sich insbes.[31] um folgende Fallgruppen:

Gem. §§ 24 I Nr 3, 74 I 2 GVG kann die StA wegen besonderer Bedeutung des Falles statt beim AG die Anklage beim LG (große Strafkammer) erheben (s.o. Rn 78).

Bei Staatsschutzdelikten iSd § 74a GVG sowie bei einigen anderen schweren Straftaten hängt die erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG davon ab, dass der Generalbundesanwalt wegen „besonderer Bedeutung“ die Verfolgung übernimmt (s.o. Rn 80).

Seit langem wird darüber gestritten, ob diese Wahlmöglichkeiten mit Art. 101 I 2 GG, § 16 S. 2 GVG (gesetzlicher Richter) im Einklang stehen. Das BVerfG[32] hat die Zuständigkeitsregelung für verfassungskonform erachtet[33].

Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass

der StA kein Ermessen zustehe. Falls die Voraussetzungen vorlägen, sei die StA verpflichtet, bei dem höheren Gericht anzuklagen, sodass eine „Wahlmöglichkeit“ gerade nicht bestehe.
die Entscheidung der StA der uneingeschränkten (kein Beurteilungsspielraum der StA!) gerichtlichen Kontrolle gem. § 209 StPO unterliege, wonach das Gericht, bei dem die Klage eingereicht worden sei, das Hauptverfahren auch bei einem niedrigeren eröffnen bzw einem höherem Gericht vorlegen könne.

Keinen Fall der „beweglichen Zuständigkeit“ stellt die gem. §§ 30 II, 76 I 2 GVG gegebene Möglichkeit dar, außerhalb der Hauptverhandlung ohne Mitwirkung der Schöffen zu entscheiden (s.o. Rn 76). Da Art. 101 I 2 GG verlangt, dass der zuständige Richter frei von subjektiver Wertung vorherbestimmbar ist[34], müssen die §§ 30 II, 76 I 2 GVG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass es nach Beginn der Hauptverhandlung nicht zur freien Disposition des Gerichts steht, ob innerhalb oder außerhalb der Hauptverhandlung entschieden wird. Vielmehr muss die Entscheidung im Regelfall innerhalb der Hauptverhandlung getroffen werden, es sei denn zwingende Gründe (zB extreme Eilbedürftigkeit) bedingen eine Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung[35]. Nach entgegenstehender – in jüngerer Rechtsprechung herrschender – Ansicht ist jedoch über Verhängung oder Aussetzung etc der Untersuchungshaft außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden[36].

§ 3 Gericht, Gerichtsaufbau und Zuständigkeit › IV. Die Zuständigkeit in erster Instanz und die Besetzung der Spruchkörper › 5. Verbindung

Strafprozessrecht

Подняться наверх