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aa) Steuerverkürzung

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Eine Verkürzung von Steuern ist dann gegeben, wenn die Ist-Einnahme des Staates hinter der Soll-Einnahme zurückbleibt.[29] Ob und in welchem Umfang eine Steuerverkürzung eingetreten ist, folgt damit aus einem Vergleich zwischen der tatsächlich festgesetzten und der bei wahrheitsgemäßen Angaben geschuldeten Steuer.[30] Ob die Steuer aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können, ist gem. § 370 Abs. 4 S. 3 AO für die Beurteilung der Tat unerheblich (sog. „Kompensationsverbot“).[31]

Offen bleibt bei dieser Definition, auf welchen Zeitpunkt für den Ist-Soll-Vergleich abzustellen ist. Hier ist zwischen Fälligkeitssteuern und Veranlagungssteuern zu differenzieren.[32]

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Bei Fälligkeits- bzw. Anmeldungssteuern (z.B. Umsatzsteuer, Lohnsteuer) ist nach h.M. die Verkürzung grundsätzlich dann eingetreten, wenn die Steuer zum Fälligkeitstermin nicht oder nicht vollständig gezahlt wird.[33]

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Bei Veranlagungssteuern (z.B. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) setzt die Fälligkeit und damit die Annahme eines Verkürzungserfolges eine Veranlagungshandlung des Finanzamts voraus.

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Allerdings wird durch § 370 Abs. 4 S. 1 AO der Eintritt des Verkürzungserfolges sowohl für Fälligkeits- als auch für Veranlagungssteuern zeitlich vorverlagert; eine tatbestandsmäßige Steuerverkürzung liegt demnach schon dann vor, wenn die Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird.

Bei Veranlagungssteuern sind die gesetzlichen Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen zu beachten (z.B. § 149 Abs. 2 AO). Bei Fälligkeitssteuern ist im Hinblick auf § 370 Abs. 4 S. 1 AO zu berücksichtigen, dass hier der Steuerpflichtige die Steuern selbst zu berechnen und zu bestimmten Terminen anzumelden hat (z.B. § 18 UStG). Ein Verkürzungserfolg kann hier folglich nicht nur bei verspäteter Anmeldung, sondern bereits im Zeitpunkt der termingerechten, jedoch unrichtigen Anmeldung eintreten (Ausnahme: USt-Erstattung).[34]

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Selbst wenn der Steuerpflichtige keinen dauerhaften Verkürzungserfolg anstrebt, sondern lediglich die gesetzlichen Anmeldungs- oder Erklärungsfristen versäumt, ist der Straftatbestand gem. § 370 Abs. 1 Ziff. 2 AO erfüllt (Steuerverkürzung auf Zeit).[35]

Während sich der Steuerschaden auf tatbestandlicher Ebene nach dem Nominalbetrag der verkürzten Steuern oder der nicht gerechtfertigten Steuervorteile richtet (Erfolgsunrecht), ist im Rahmen der Strafzumessung (Handlungsunrecht) zu differenzieren, ob der Täter eine dauerhafte Verkürzung beabsichtigte oder die unterlassenen Angaben zu einem späteren Zeitpunkt nachholen wollte und damit nur eine vorrübergehende Steuerverkürzung in Kauf nahm.[36]

Die Abgrenzung zwischen endgültiger Verkürzung und Verkürzung auf Zeit richtet sich somit allein nach dem Willen des Täters zur Tatzeit.[37] Hat der Täter die unterlassenen Angaben später nachgeholt und den Steuerschaden wiedergutgemacht, so liegt – wenn nicht bereits eine strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 AO anzunehmen ist –, ein Indiz dafür vor, dass der Vorsatz des Steuerpflichtigen nur auf eine Verkürzung auf Zeit gerichtet war.[38] In diesen Fällen bemisst sich der für die Strafzumessung maßgebliche Schaden nach dem Zinsverlust des Fiskus.[39] Dieser Verspätungsschaden ist i.S.v. §§ 235, 239 AO mit 0,5 % pro Monat anzusetzen.[40]

Dies gilt selbst dann, wenn der Täter später nicht in der Lage ist, die verkürzten Steuern zu entrichten und die Schadenswiedergutmachung dadurch scheitert. Hat der Steuerpflichtige jedoch von Anfang an damit gerechnet, dass er seine Steuerschuld nicht würde begleichen können, richtet sich sein Vorsatz auf einen dauerhaften Steuerschaden und nicht auf eine bloße Zahlungsverzögerung.[41]

Hauptsächlich tritt diese Problematik bei der Hinterziehung von Fälligkeitssteuern (USt-Voranmeldungen), Abzugssteuern (Kapitalertragsteuer) oder bei Steuervorauszahlungen auf. In diesen Fällen steht die endgültige Hinterziehung erst mit dem Jahressteuerbescheid fest. Die vorherige Entdeckung gem. § 371 Abs. 2 Ziff. 2 AO hindert zwar eine Selbstanzeige durch eine berichtigende Jahressteuererklärung,[42] allerdings wird hier eine Verkürzungsabsicht auf Dauer in aller Regel nicht nachweisbar sein.

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Wirkt der Steuerpflichtige bei Veranlagungssteuern überhaupt nicht mit und verhindert dadurch die Steuerveranlagung, würde die Steuerschuld mangels Festsetzung niemals fällig werden und eine Tatvollendung nicht eintreten.

In diesem Sonderfall bejaht die h.M. gleichwohl den Eintritt des Verkürzungserfolges in dem Zeitpunkt, in dem Veranlagung und Festsetzung bei ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung erfolgt wären, d.h. wenn die Veranlagungsarbeiten im betreffenden Bezirk „im Großen und Ganzenabgeschlossen sind.[43] Maßgeblich sind die Verhältnisse im konkreten Veranlagungsbezirk, wobei höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob hierfür 90 oder 95 % der Veranlagungstätigkeit abgeschlossen sein müssen. Derzeit bestehen jedoch Tendenzen in der Rechtsprechung des BGH, zumindest bei einfach gelagerten Sachverhalten von einem einheitlichen Bearbeitungszeitraum von längstens einem Jahr auszugehen.[44]

Ein bloßer Versuch wird dagegen nur ausnahmsweise angenommen, wenn das Finanzamt trotz unterlassener Erklärung rechtlich und tatsächlich ohne Weiteres in der Lage war, den Steueranspruch festzusetzen.[45]

Beim Schmuggel im Reiseverkehr ist zu beachten, dass ohne Festsetzung der Eingangsabgaben eine vollendete Steuerhinterziehung über den gesamten Abgabenwert beim Passieren der Zollkontrolle anzunehmen ist, weil hier die hypothetische Veranlagung bereits abgeschlossen wäre, wenn der Täter die Kontrollstelle in Richtung Inland verlässt.[46]

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Steuern können solange verkürzt werden, wie die geschuldete Steuer noch nicht ausgeglichen ist. Dies bedeutet nach heute ganz h.M., dass Täuschungshandlungen, die sich auf die Beitreibung negativ auswirken, auch im Beitreibungsverfahren als Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 AO und nicht lediglich als strafantragsabhängige Vollstreckungsvereitelung gem. § 288 StGB strafbar sind (z.B. bei Gewährung von Zahlungsaufschub, Einstellung der Zwangsvollstreckung, Niederschlagung der Steuerschuld aufgrund falscher Angaben).[47] Dies ist aus zwei Gründen von Bedeutung, einmal wegen des unterschiedlichen Strafrahmens (Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bei § 370 AO gegenüber 2 Jahren bei § 288 StGB) und zum anderen wegen des Strafantragserfordernisses bei § 288 StGB.

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