Читать книгу Verteidigung in Steuerstrafsachen - Sebastian Burger - Страница 107

bb) Nicht gerechtfertigter Steuervorteil

Оглавление

196

Ein strafrechtlich relevanter Steuervorteil gem. § 370 Abs. 1 AO ist stets gegeben, wenn der Täter Steuervergütungen gem. § 370 Abs. 4 S. 2 AO erlangt.

Darüber hinaus liegt ein Steuervorteil auch bei einer sonstigen verfahrensrechtlichen Begünstigung vor, wenn von dem jeweiligen Verfahrensergebnis Grund, Höhe oder Fälligkeit einer Steuerschuld oder die Gewährung einer Steuervergütung abhängen können.[48] Die wichtigsten Beispielfälle für solche Verfahrensbegünstigungen sind die Stundung gem. § 222 AO, der Zahlungsaufschub gem. § 223 AO, die einstweilige Einstellung der Vollstreckung gem. § 258 AO, die Niederschlagung gem. § 261 AO, die Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 Abs. 2 AO, die Herabsetzung von ESt-Vorauszahlungen[49] und die Eintragung zu hoher Freibeträgen gem. § 39a EStG. Nach Auffassung des BGH begründet auch schon die Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes einen ungerechtfertigten Steuervorteil i.S.d. § 370 Abs. 1 AO, da eine wirtschaftliche Besserstellung des Steuerpflichtigen nicht erst durch die tatsächliche Durchführung des Verlustabzugs, sondern bereits durch die Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes bewirkt wird.[50]

197

Der Begriff des Steuervorteils ist für die Abgrenzung zum Betrug gem. § 263 StGB und zum Subventionsbetrug gem. § 264 StGB von großer praktischer Bedeutung. So führt eine Selbstanzeige nur bei der ungerechtfertigten Erlangung eines Steuervorteils zur Straffreiheit, nicht jedoch bei Vergehen gem. §§ 263, 264 StGB. Leichtfertiger Subventionsbetrug ist gem. § 264 Abs. 3 StGB strafbar, während es sich bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung gem. § 378 AO nur um eine Ordnungswidrigkeit handelt. Relevant wird diese Abgrenzung z.B. auch im Auslieferungsverfahren bei der Frage, ob es sich um ein auslieferungsfähiges Delikt handelt.[51]

Entscheidend für die Annahme eines Steuervorteils ist, dass der vergütete Betrag nach steuerrechtlichen Vorschriften bemessen und festgesetzt worden ist. Der erlangte Vorteil muss damit zum Bereich des Steuerrechts gehören und darf nicht auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen. Unter dieser Voraussetzung wird nämlich der Steuerertrag im Ergebnis ebenso gemindert wie im Fall einer unmittelbaren Verkürzung der Steuereinnahmen durch Verschweigen von Besteuerungsgrundlagen.[52] Liegt ein Steuervorteil vor, so ist § 370 AO gegenüber anderen Straftatbeständen exklusiv; es liegt damit schon tatbestandlich kein Betrug oder Subventionsbetrug vor.[53]

Die frühere Streitfrage, ob im Fall der unberechtigten Geltendmachung von Vorsteuererstattungen Betrug oder Steuerhinterziehung vorliegt, wenn der gesamte Sachverhalt frei erfunden ist bzw. ein Geschäftsvorgang vorgetäuscht wird – d.h. wenn der USt-Ersattung überhaupt kein konkreter Steuervorgang zugrunde lag –, wurde höchstrichterlich dahingehend entschieden, dass § 370 AO Anwendung findet.[54] Dies gilt selbst dann, wenn die Existenz eines Unternehmens insgesamt fingiert ist.[55]

198

Der Steuervorteil ist nicht gerechtfertigt, wenn bei richtiger Rechtsanwendung kein Anspruch darauf besteht. Dies soll trotz des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen auch schon dann der Fall sein, wenn zwingend vorgeschriebene Förmlichkeiten oder Sachvoraussetzungen, wie z.B. besondere Aufzeichnungen oder Belege, nicht gegeben sind oder deren Vorhandensein vorgetäuscht wird.[56]

199

Erlangt ist ein Steuervorteil bereits dann i.S.e. Tatvollendung gem. § 370 AO, wenn die begünstigende Verfügung erlassen und zugestellt ist.[57] Auf die Auszahlung kommt es daher nicht an.

Verteidigung in Steuerstrafsachen

Подняться наверх