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VORWORT

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An einem Sonntagmorgen bei herrlichem Sonnenschein sitzt mein Vater mit seinen 81 Jahren bei uns draußen auf der Terrasse, trinkt genüsslich eine Tasse guten Ceylontee und unterhält sich mit einem unserer Gäste, die ich anlässlich einer Familienfeier bewirte. Mit halbem Ohr nehme ich wahr, was er sagt. Dabei sitzt er nicht gemütlich zurückgelehnt im Gartenstuhl, sondern in seiner ihm so typischen „Lehrhaltung“: leicht vornübergebeugt, den einen Arm verschränkt, den anderen mit der offenen Handfläche zum Gegenüber hingestreckt, als wolle er ihm etwas ganz Kostbares anbieten. Zuerst denke ich, er wolle die gerade gehörte Predigt unseres Pfarrers kritisieren – wie Pfarrer das gerne tun –, doch dann werde ich eines Besseren belehrt. Schnell setze ich mich hin und höre zu, wie ich schon als Kind immer dann besonders aufmerksam gelauscht habe, wenn er bei einer seiner Bibelarbeiten auf irgendeine kleine, aber äußerst wichtige Sache im Urtext hinwies. Eigentlich sollte ich ja weiter meine Gäste bewirten und will schon wieder aufstehen, auch weil es um die Schöpfung zu gehen scheint und ich dieses Thema als Theologin schon fast nicht mehr hören kann, da merke ich plötzlich auf. Es erstaunt mich, dass mir das, wovon mein Vater gerade spricht, selber noch nie aufgefallen ist, wo ich doch den Luthertext fast auswendig kann. Mein Vater stellt fest, dass Gott Adam den Auftrag im Paradies gibt, die Erde zu bebauen und zu bewahren, aber nach dem Sündenfall Gott nur noch die Aufgabe gibt, die Erde zu bebauen. Von Bewahren ist keine Rede mehr. Dann folgt natürlich gleich die Auslegung, dass durch Jesus auch die Schöpfung erlöst werden müsse, und zwar nicht durch unser Tun, sondern durch Gottes Neuschöpfung. Mich hat es wieder einmal erstaunt, wie genau mein Vater hinschaut und das Augenmerk auf Dinge lenkt, über die man normalerweise einfach so hinwegliest.

Wenn er früher sonntags bei seinen – immer frei gehaltenen Predigten – den Bibeltext vorlas, dann erklang bei neutestamentlichen Texten original Luther, obwohl er nur das griechische Neue Testament vorliegen hatte. Dabei ging es ihm aber nie um theologische Spitzfindigkeiten oder gar Lehrstreitigkeiten, sondern immer darum, die Bibel und den Glauben in seiner ganzen Tiefe und Breite zu erforschen und für das jetzige Leben lebendig zu machen – eben ganz Missionar! In diesen Momenten war ihm auch später sein fortgeschrittenes Alter überhaupt nicht anzumerken. Mit fester, überzeugter Stimme war er jederzeit bereit, das zu bezeugen, was ihm das Wichtigste war auf Erden: das Heil, das wir im Glauben an Jesus geschenkt bekommen.

Es war selten, dass meine Eltern so gemütlich bei uns auf der Terrasse saßen, waren sie doch meistens – auch noch im hohen Alter – unterwegs: in Sri Lanka, in Israel, mal eben in der Türkei oder zu irgendwelchen Kulturbesichtigungen in und um Deutschland. Wobei die Kultur mehr Steckenpferd meiner Mutter war. Mein Vater war glücklich, wenn er solche Reisen mit einem „Dienst“ verbinden konnte – hier ein Gottesdienst, da eine Bibelarbeit …

Wenn ich an meinen Vater denke, kommen mir noch andere Bilder in den Sinn: wie er in seinem kakifarbenen Outfit mit geschultertem Gewehr in Namibia das Abendessen in Form eines Springbocks jagt – natürlich in Begleitung des Farmbesitzers, nachdem morgens mit vielen Farmern der Umgebung ein Farmgottesdienst fast wie ein kleines Gemeindefest gefeiert wurde. Oder ich sehe ihn, wie er sich mit uns Kindern im warmen Ozean Sri Lankas tummelt, um hinterher auf der Terrasse eine Runde Skat mit uns zu spielen. Dann denke ich daran, wie er nach langer Reise aus Afrika mit bunten, afrikanischen Blusen für uns Mädchen im Koffer heimkommt und am nächsten Tag auf dem Weg zur Schule uns animiert, mit ihm zusammen lauthals die CVJM-„Ohrwürmer“ zu schmettern: „Jesu Name nie verklinget …“

Auch ein Bild aus seiner Studentenzeit erscheint vor meinem inneren Auge: Er steht vor einem Kreis junger Männer, ein Bein auf einen Stuhl gestellt, in der einen Hand die Bibel, die andere wieder zu den Menschen hingewandt. Zuletzt ein Bild aus seiner Kindheit: Er steht sinnierend da, eine Hand in der Hosentasche und auf der Schulter sitzt seine zahme Elster …

Ein Bekannter sagte mir einmal, dass er Biografien nicht möge, weil dort immer die Person viel zu sehr gelobt und als unfehlbarer Mensch hingestellt werde. So als gäbe es nicht auch die Schwächen, Schuld und schweren Stunden im Leben dieses Menschen. So gesehen dürfte man keine Biografie schreiben, denn selbst die großen Heiligen der Menschheitsgeschichte seien bestimmt keine Engel gewesen und hätten ganz gewiss auch menschliche Schwächen und Fehler.

Deshalb hoffe ich, dass in dieser Biografie letztlich nicht die Person meines Vaters im Vordergrund steht, sondern wie Gott ihn in seinem bewegten Leben immer wieder geführt hat, um für viele Menschen in den verschiedensten Teilen dieser Welt zum Segen zu werden.

Karl Sundermeier - Der Orchideenmissionar

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