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2.

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»Wohin so eilig, Frau Richter?« Doktor Wenger hatte lässig seinen Arm auf der Tür seines Cabrios liegen und lächelte Ricarda über seine Sonnenbrille hinweg an.

»Oh, Doktor Wenger!«, rief Ricarda und blieb stehen. »Ich hätte sie fast nicht erkannt.« Hinter dem Arzt hupte ein anderer Autofahrer.

»Moment«, sagte Wenger, »ich fahre mal rechts ran.« Er rollte vorsichtig über die Bordsteinkante und blieb ein paar Meter weiter stehen. Dann stieg er aus und kam auf Ricarda zu. Er sah gut aus in seinem lässigen Segler-Outfit. »Sie sehen aus, als ob Sie’s eilig hätten«, sagte er. »Darf ich Sie irgendwo hinbringen?«

Ricarda winkte ab. »Nicht nötig. Ich will bloß ein paar Sachen für meinen Großvater besorgen.«

»Verstehe. Und da haben Sie natürlich keine Zeit, sich vorne am Kai mit mir auf eine Tasse Kaffee in die Sonne zu setzen?«

»Soll das eine Einladung sein?«

»Warum nicht?«

»Okay«, sagte Ricarda. »Warum nicht.« Wie sehr es doch einen Menschen veränderte, ob er einen Arztkittel trug oder lockere Freizeitkleidung. Wenger sah auch als Medizinmann gut aus – aber so hatte er das gewisse Etwas, fand Ricarda. »Trotzdem muss ich zuerst noch zwei, drei Besorgungen erledigen.«

»Gut«, sagte Wenger. »Ich parke irgendwo und suche uns einen hübschen Tisch. Und Sie kommen nach, wenn Sie so weit sind? Versprochen?«

»Ja, bis gleich.« Ricarda winkte ihm zu und hastete weiter, diesmal aber sehr viel beschwingter als eben noch. Ein Rendezvous mit Doktor Wenger. Sie musste grinsen. Wenn Großmama das wüsste …

Kaum zwanzig Minuten später stand Ricarda am Eingang zur Terrasse und hielt Ausschau nach Doktor Wenger. Noch ehe sie ihn entdecken konnte, winkte er ihr zu und erhob sich von seinem Stuhl, um ihr entgegenzukommen. Ein sportlicher Mann, der sich seiner Ausstrahlung wohl bewusst war. »Schön, dass Sie gekommen sind!«

»Dachten Sie, ich versetze Sie?«

Wenger lachte und entblößte zwei makellose Zahnreihen. »Vielleicht«, sagte er und lächelte vieldeutig, während er ihr den Stuhl zurechtrückte, die Einkaufstasche abnahm und auf dem Sockel der Balustrade platzierte. »Bei schönen Frauen weiß man nie!«

»Doktor Wenger! Ich bin nur die Tochter eines Ihrer Patienten.« Sie mahnte ihn scherzhaft mit erhobenem Zeigefinger.

»Steffen, bitte«, erwiderte er. »Den Doktor lege ich ab, wenn ich den Kittel ausziehe. Außerdem ist Ihr Vater ab heute kein Patient mehr, er kann nach Hause.«

Ein Kellner trat an den Tisch.

»Eine Latte macchiato, bitte«, bestellte Ricarda.

»Zwei«, sagte Wenger, ohne den Blick von Ricarda zu lösen.

Ricarda lächelte befangen. »Hatten Sie gerade nichts vor, und sind Sie immer so spontan mit Ihren Einladungen?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.

»Um ganz ehrlich zu sein, ich hatte in der Tat gerade nichts vor. Aber selbst wenn: Sollten wir nicht alle ein wenig spontaner sein?«

Ricarda lachte. »Sie würden sich mit meinem Vater verstehen. Er ist ziemlich spontan – und wahrscheinlich auch sehr unkonventionell.«

»Das müssen Sie mir erklären.«

Der Ober brachte die Bestellung.

»Sie lenken ab, Doktor Wenger.«

»Steffen.« Er hob sein Glas mit dem Milchkaffee und hielt es zu ihr hin.

Ricarda nickte. »Okay. Ricarda.« Sie stießen an und nippten.

»Nun, da gibt es auch nicht viel zu erzählen«, meinte Wenger. »Ich bin Junggeselle und kann mir regelmäßige Verpflichtungen nicht gut leisten, weil das mein Dienstplan nicht zulässt. Deshalb habe ich dann immer einmal Zeiten des Leerlaufs, in denen ich als einsamer Wolf umherstreife.«

»Ach. Und ich bin die Beute?«

Wenger lachte. »Nein, so habe ich das nicht gemeint!«

Doch Ricarda hatte das ziemlich sichere Gefühl, dass er genau das gemeint hatte.

»Wissen Sie«, sagte Wenger und schob sich wieder seine Sonnenbrille auf die Nase, »was Sie mir gestern erzählt haben, das hat mich beschäftigt.«

»Was ich Ihnen erzählt habe?«

»Ja. Diese Sache mit der Konzeptkunst. Wie kommt man darauf?«

Ricarda lachte. »Vielleicht liegt es daran, dass ich nach meinen verschiedenen Studien etwas gesucht habe, in dem alles enthalten ist: Mathematik, Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Psychologie, Kunstgeschichte …«

Wenger lachte auf. »All das haben Sie schon studiert? Respekt!«

»Alles nur angefangen – und wieder aufgehört. Das heißt: Kunstgeschichte studiere ich noch immer. Aber eigentlich hat es mich mehr zur Schauspielerei gezogen.«

»Schauspielerei«, sinnierte Wenger. »Gehört die nicht letztlich zu jedem Beruf irgendwie dazu?«

»Da haben Sie vermutlich recht. Es kommt eben immer auch auf die Präsentation an.«

»Aber sagen Sie, Kunstgeschichte, heißt das, Sie können, sagen wir, einen echten Picasso von einem gefälschten unterscheiden?«

Ricarda nippte an ihrer Latte macchiato. »Einen echten Picasso von einem gefälschten?« Wengers Interesse gefiel ihr. So aufgeweckt hätte ihr Vater mal schauen sollen, wenn sie über ihre beruflichen Absichten sprachen. Aber der hatte meist nur einen schlechten Scherz über ihre wechselnden Studien übrig. »So pauschal kann ich das nicht sagen. Aber im Prinzip: ja. Das sollte möglich sein. Die richtige Literatur vorausgesetzt.«

»Würden Sie sich meinen mal ansehen?«

»Sie haben einen echten Picasso bei sich hängen?«

Wenger machte eine vage Handbewegung. »Sagen wir, ich habe einen Picasso. Ob er echt ist, das könnten vielleicht Sie mir sagen.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und sah sie von unten herauf mit tiefem Blick an. »Es ist nur eine Lithografie. Etwas aus den Fünfzigern, glaube ich.«

»Großartig!«, rief Ricarda aus. »Die Phase liebe ich besonders! Vermutlich ein Stier, der Europa raubt, oder ein Bild gegen den faschistischen Terror in Spanien …«

»Eher eine ziemlich unanständige Szene mit einem Liebespaar«, lächelte Wenger schräg.

Ricarda lächelte zurück. »Noch besser«, sagte sie. »Und, wo wohnen Sie?«

Keine halbe Stunde später waren sie bei Wenger zu Hause. Er residierte in einer sehr stilvollen Altbauwohnung in der Anne-Frank-Straße in Blankenese.

»Gar nicht die Wohnung eines Junggesellen«, rutschte es Ricarda raus, als sie das Wohnzimmer betrat.

»Danke«, sagte Wenger. »Das nehme ich als Kompliment.«

»Und das ist der Picasso?« Sie ging auf eine Grafik zu, die etwas verdeckt hinter einer größeren Palme an der Wand hing.

»Äh, nein«, verbesserte Wenger und kam ihr nach. »Das sollte ein Chagall sein.«

»Ja, richtig«, sagte Ricarda und trat näher. »Das ist ein Chagall. Und der ist bestimmt auch echt.« Sie drehte sich um und spielte ihren ganzen Charme aus. »Und falls es keiner ist, dann sieht er jedenfalls so sehr nach Chagall aus, dass sogar Chagall seine Zweifel gehabt hätte.« Ihr Blick streifte durch den Raum. »Und wo ist der Picasso?«

»Der ist, äh, im Schlafzimmer«, sagte Wenger.

»Ach. Im Schlafzimmer?«

»Ja, aber …«

»Wollen Sie mir das Bild zeigen?«

»Gerne.« Wenger ging voran.

Ricarda folgte ihm, nicht ohne sich noch ein wenig umzusehen. Die Wohnung war geschmackvoll. Man sah, dass Wenger Geld und vor allem Zeit hatte, sich mit schönen Dingen zu umgeben. Auf dem Schreibtisch bemerkte sie verschiedene Fotos, die Wenger mit einer attraktiven Blondine zeigten. Auf dem Nachttisch neben dem Bett stand ein Bild, das Wenger und dieselbe junge Frau zeigte. Offensichtlich waren die beiden ein Paar.

Wenger, der ihre Blicke nicht bemerkt hatte, zeigte auf das Bild, das über dem Bett hing und eine ziemlich derbe Kopulationsszene zeigte. »Und?«, sagte er.

Ricarda seufzte. »Der Chagall war besser.«

In besten Händen

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