Читать книгу In besten Händen - Sky du Mont - Страница 16
3.
Оглавление»Junge«, seufzte Reinhard Richter, »diese Krankenhausluft bringt mich noch um. Der einzige Trost ist, dass deine Mutter mich hier eher in Frieden lässt als zu Hause.« Für einen Fremden hätte der alte Herr vermutlich ganz normal geklungen. Mark indes hörte sehr deutlich, dass die Zunge seines Vaters schwerer war als sonst und dass er kleine und vor allem unmotivierte Pausen in seiner Rede einlegte. »Weißt du, ich stelle mir vor, dass das hier ein paar Ruhetage in einem Kloster sind. Einige aus der Bank machen das gelegentlich, um sich innerlich ›frei zu machen‹. Sie gehen für eine Woche oder zwei in ein Kloster, zahlen ein Heidengeld dafür und bekommen keine Unterhaltung, nichts zu essen und ein riesiges schlechtes Gewissen.«
»Na, dann geht’s dir doch hier vergleichsweise gut. Dir zahlt die Krankenversicherung den Aufenthalt, du bekommst ständig Besuch, kannst fernsehen, das Essen wird dir sogar ans Bett gebracht – und du brauchst auch kein schlechtes Gewissen zu haben.«
»Unsinn, Junge. Das ist das Schlimmste dabei: Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen. Was vertue ich hier meine Zeit, statt etwas zu unternehmen. Ich sollte arbeiten. Ich sollte Termine wahrnehmen, sollte Geschäftsabschlüsse vorbereiten, unsere Bank auf dem Kongress in Sankt Petersburg nächste Woche vertreten …«
»Um Himmels willen, Papa!«, entfuhr es Mark. »Wie kommst du darauf, dass irgendjemand von dir erwartet, dass du das alles machst – in deinem Zustand.«
»Ich erwarte es von mir, Junge. Und das reicht völlig aus. Im Übrigen ist mein Zustand der allerbeste. Ich bin nicht einmal sicher, ob die sich hier nicht täuschen und sich meinen sogenannten Schlaganfall nur einbilden. Wenn der alte Paduani noch hier wäre, hätte ich mehr Vertrauen.«
»Der alte Paduani?«
»Ja, Professor Paduani, der Chefarzt. Ich kannte ihn ganz gut vom Club. Er ist doch auch ein Alsterianer. Das heißt: Er war einer.«
»Er war Mitglied in der Alstergesellschaft?«
»Länger als ich, Junge. Und das will was heißen! Und dann hat ihn vor einem halben Jahr der Krebs hingerafft. Scheußlich, das. Und so ungerecht. Paduani hat nicht geraucht, höchstens mal eine Zigarre nach dem Essen, er hat nicht getrunken oder jedenfalls wenig. Er hat sogar Sport gemacht. Wir haben ihn immer ausgelacht deshalb und ihn aufgezogen, dass er auf das ewige Leben spekuliert. Und dann kriegt er plötzlich Krebs und liegt ein paar Monate später unter der Erde.« Reinhard Richter atmete schwer. Die lange Rede hatte ihn sichtlich angestrengt. Als er aber Marks mitleidvollen Blick sah, drückte er den Rücken durch und schaute mit blitzenden Augen zurück. »Es geht mir gut, Junge«, sagte er und nahm demonstrativ die Zeitung vom Nachttisch.
Mark ging nicht darauf ein. »Ich hatte schon gehört, dass der Chefarzt gestorben ist«, sagte er stattdessen. »Sie haben noch keinen neuen.«
»Wird auch nicht so leicht sein, einen zu finden.«
»Wieso? Das ist doch hier sicher ein begehrter Posten.«
Reinhard Richter lachte müde, während sein Blick über die Börsenmeldungen glitt. »Da liegt manches im Argen, Junge. Dem Paduani hat der Posten jedenfalls in der letzten Zeit nicht mehr viel Freude bereitet. Der hat schon länger von der Pension geredet. Tja, und jetzt kann er sie nicht mehr genießen.«
Das Telefon klingelte. »Richter«, meldete sich der alte Herr. »Ja, grüße Sie. – Die finden Sie bei den Unterlagen über die Fusion Wackermann. Aber geben sie Acht, dass Sie nichts durcheinanderbringen. – Nein, das hat die paar Tage Zeit. Lassen Sie alles genau da, wo es ist. – Das soll Lindenmeyer mit Staufer besprechen. Aber er soll aufpassen, dass Staufer nicht wieder die Stoppuhr mitlaufen lässt. Wir haben eine Pauschale vereinbart. – Gut. Tun Sie das. – Ja, machen Sie einen Termin. Lindenmeyer und Berksch von unserer Seite. – Nein, ich muss da nicht dabei sein. Das ist nur ein Vorgespräch. Was wir jetzt brauchen, ist ein Angebot, das wir ablehnen können. – Richtig. – Bald. Schneller, als Sie denken.« Er legte auf und lehnte sich in sein Kissen zurück. »Wird Zeit, dass ich wieder rauskomme, mein Junge«, sagte er und rollte die Augen.
Mark sah seinen alten Herrn besorgt an.