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Tag 9

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12. Juni 2013

Manfred Götzl, Richter. Carsten Schultze, Angeklagter. Jochen Weingarten, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe.

Schultze Ich habe gestern die Karten auf den Tisch gepackt, das hätte ich schon viel früher tun sollen. Ich wollte alle schonen, besonders meine Familie. Auch bei Wohlleben habe ich mir eingebildet, ich nehm’ den Kindern den Vater weg. Das war natürlich idiotisch.

Götzl Als Sie sich mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in dem Café in Chemnitz getroffen haben, wie war da die Stimmung?

Schultze Es war eine freudige Stimmung. Beate Zschäpe ist recht zeitnah wieder gegangen. Ich kann mich aber nicht erinnern, wie wir uns verabschiedet haben. Was ich noch sehr gut weiß: Ich habe mich verarscht gefühlt, weil ich ihnen eine Waffe bringe, in der Annahme, sie haben keine. Und dann erfahr ich, dass sie schon eine hatten. Ich dachte dann, das geht wohl in Richtung Banküberfälle.

Götzl Sie haben zu Protokoll gegeben, dann hätte Böhnhardt im Café an Ihrem Handy herumgespielt und erklärt, was so ein Fingerabdruck wert sei. Und dann kam die Bemerkung: »Wir sind immer bewaffnet.« Was haben diese Äußerungen bei Ihnen für Überlegungen ausgelöst?

Schultze Keine.

Götzl Wie haben Sie die Situation eingeordnet, als Böhnhardt und Mundlos mit Ihnen über die Waffen sprachen und »Psst« machten, als Beate Zschäpe erschien? So haben Sie es bereits bei der Polizei angegeben.

Schultze Dass sie das nicht mitbekommen sollte. Der Vorgang war komisch.

Götzl Und was hatte es mit der Taschenlampe auf sich?

Schultze Ich wusste nicht, was die damit meinen. Sie haben nur gesagt, dass sie eine Taschenlampe in ein Geschäft gestellt haben und das hat nicht geklappt.

Götzl Wie vertraut waren Sie denn damals mit Herrn Böhnhardt und Herrn Mundlos? Haben Sie sich nicht gewundert, dass Frau Zschäpe nichts erfahren sollte und Sie ins Vertrauen gezogen werden über die Taschenlampe?

Schultze Ich habe mir abends Gedanken gemacht. Heute Vormittag haben mir meine Anwälte erzählt, dass da was passiert sein soll damals in Nürnberg. (Nach seiner Aussage am Vortag ist bekannt geworden, dass es im Juni 1999 einen Bombenanschlag auf ein türkisches Lokal in Nürnberg gegeben hat. Der Sprengsatz war in einer Taschenlampe versteckt und hatte einen Mann verletzt.) Ich habe mich damals darauf ausgeruht, dass sie sagten, es hat nicht geklappt.

Götzl Hat Nürnberg eine besondere Rolle gespielt? Gab es irgendwelche Verbindungen von Böhnhardt und Mundlos nach Nürnberg?

Schultze Ich weiß nur, dass die Skinheadband »Radikahl« aus Nürnberg kam.

Götzl War es ein Gedanke, der Sie beschäftigt hat: Wofür brauchen die die Waffe?

Schultze Mich hat das irritiert, aber genauer habe ich nicht darüber nachgedacht.

Götzl Hatten Sie Skrupel, die Waffe zu übergeben?

Schultze In der Situation nicht.

Götzl Warum hatten Sie den Gedanken, den Schalldämpfer wegzutun?

Schultze Weil er nicht bestellt war.

Götzl War das wirklich der Grund?

Schultze Damit die nicht auf dumme Gedanken kommen. Damals hab ich entschieden, da wird schon nichts passieren. Auch wenn es schwer ist, sich das heute einzugestehen.

Götzl Was meinen Sie mit »dumme Gedanken«?

Schultze Dass sie etwas Schlimmes tun.

Götzl Wann haben Sie das Telefonat mit Herrn Wohlleben geführt?

Schultze Nach Übergabe der Waffe.

Götzl Hat sich Herr Wohlleben über die näheren Umstände geäußert?

Schultze Nein. Ich habe nur so ein Lachen in Erinnerung, nach dem Motto: Diese Idioten.

Götzl Wollten Sie nicht wissen, was sich nach der Übergabe ereignet hat?

Schultze Wegen der kleinen Scheine, die ich für die Waffe bekam, hatte ich das Gefühl, die haben eine Bank überfallen.

Götzl Haben Sie nicht mit Herrn Wohlleben darüber geredet? Da waren Sie ja direkt betroffen, wollten Sie da nichts wissen?

Schultze Nein.

Götzl Warum nicht?

Schultze Gute Frage.

Götzl Herr Wohlleben stand Ihnen doch zur Verfügung. Warum gab es da nie ein Gespräch? Oder gab’s doch eins?

Schultze Nein.

Götzl Haben Sie etwas getan, damit die von Ihnen gelieferte Waffe nicht zum Einsatz kommt?

Schultze Habe ich nicht.

Götzl Warum haben Sie erst jetzt über die Taschenlampe gesprochen und das seltsame Gespräch mit Böhnhardt und Mundlos?

Schultze Ich hab das weggeschoben und mich nicht mehr damit beschäftigt.

Götzl Noch mal zu der Taschenlampe. Sie sagten, den Knopf der Taschenlampe haben Sie mit einem Zünder assoziiert. Wie kommen Sie darauf?

Schultze Was ist an einer Taschenlampe anderes dran? Warum stellt man so was in einen Laden? Darüber habe ich nachgedacht.

Götzl Gibt es weitere Informationen, die Sie uns nicht gegeben haben?

Schultze (fast flehentlich) Nein. Ich habe gestern alles auf den Tisch gepackt.

Götzl Was waren Ihre Motive, dass Sie diesen Punkt verschwiegen haben?

Schultze Ich wollte mich schützen und meine Freunde, die große Stücke auf mich halten. Ich wollte auch den Herrn Wohlleben schützen. Ich dachte, ich nehme den Kindern den Vater.

Verteidiger Stahl Ich beanstande die Fragestellung. Es ist nun das vierte Mal die gleiche Frage. Carsten Schultze hat sie viermal gleich beantwortet.

Götzl Was wissen Sie über Herrn Wohlleben? Über sein Leben?

Schultze Er hat mir seine Kinder vorgestellt. Er ist verheiratet. Früher war ich oft bei ihm eingeladen.

Götzl Wie ist Ihr Verhältnis heute zu ihm?

Schultze Ich habe kein Verhältnis mehr zu ihm.

Götzl Erzählen Sie uns ein wenig von Ihrer Familie. Wie hat sie auf Ihren Werdegang reagiert?

Schultze Meine Mutter wusste von meiner Begeisterung für das Dritte Reich. Sie war dagegen, es gab immer wieder Konflikte. Dann bin ich in mein Zimmer gegangen und habe laute Rechtsmusik gehört. Mein Vater hat mir verboten, Springerstiefel zu kaufen. Als ich trotzdem mit einem Paar nach Hause kam, musste ich sie wieder in den Laden zurückbringen. Meine Eltern haben aber immer zu mir gehalten, auch nachdem ich kurz im Gefängnis war. Das hat was ausgelöst bei mir.

Oberstaatsanwalt Weingarten Wann haben Sie Ihren Fachhochschulabschluss gemacht?

Schultze Von 2003 bis 2007.

Oberstaatsanwalt Weingarten Wann haben Sie Ihre Psychotherapie absolviert?

Schultze Das war 2010 und hat eineinhalb Jahre gedauert.

Oberstaatsanwalt Weingarten Welches Verhältnis hatten Sie zum historischen Nationalsozialismus?

Schultze Ich hab das glorifiziert.

Oberstaatsanwalt Weingarten Wie war Ihre Haltung zum Völkermord an den Juden? (Schultze gibt eine ausweichende Antwort.) Herr Schultze, jetzt reden Sie mal Tacheles!

Schultze Ich habe daran geglaubt, dass es den nicht gegeben hat. Damit lebt es sich einfacher.

Oberstaatsanwalt Weingarten Waren Ausländer für Sie gleichwertige Menschen?

Schultze Afrika für Affen, Europa für Weiße, das haben wir gesungen. Das bedeutete nicht, dass ich wollte, dass den Ausländern was passiert.

Oberstaatsanwalt Weingarten Waren Ihnen Türken ein besonderer Dorn im Auge?

Schultze Da hab ich nichts in Erinnerung. Wir waren generell der Ansicht: Das Boot ist voll.

Oberstaatsanwalt Weingarten Das bezog sich auch auf Dänen, Schweden, Holländer?

Schultze Es bezog sich auf Multikulti, also auf westdeutsche Verhältnisse.

Oberstaatsanwalt Weingarten Was hat Sie an Multikulti gestört?

Schultze Es ist schwer, sich da wieder reinzuversetzen. Die Hautfarbe hat sicher eine Rolle gespielt.

Oberstaatsanwalt Weingarten Sie waren bei Solidaritätskundgebungen für Rudolf Heß. Warum?

Schultze In der rechten Szene sind wir davon ausgegangen, dass er ein Friedensflieger war und 46 Jahre unschuldig in Haft saß. Es gab mal eine Aktionswoche, das war spannend.

Der NSU Prozess

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