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Tag 27

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24. Juli 2013

Manfred Götzl, Richter. Olaf B., 44, Nachbar von Beate Zschäpe in der Zwickauer Frühlingsstraße 26. Ronny B., Polizeibeamter aus Zwickau. Thomas R., 52, Kriminalhauptkommissar beim Landeskriminalamt Sachsen. Nadine R., 31, Kosmetikerin aus Zwickau. Anette Greger, Vertreterin der Bundesanwaltschaft. Carsten Ilius, Seda Başay, Sebastian Scharmer, Reinhard Schön, Anwälte der Nebenklage.

Götzl Herr B., es geht uns um Ereignisse am 4.11.2011 und davor. Vielleicht erzählen Sie mal, wie Sie gewohnt haben.

Olaf B. Was soll ich da erzählen? Ich habe in der Frühlingsstraße 26 gewohnt, im Dachgeschoss links. Mein unmittelbarer Nachbar war Lutz W., eine Etage tiefer wohnte die Frau Erber. Im Erdgeschoss war das Geschäft Schlecker, drüben im anderen Eingang war die Taverne. Über der Gaststätte war es leer, im Dachgeschoss wohnte der Herr K.. Circa ein Jahr später ist, tja, eine Frau eingezogen mit zwei Männern, die haben aus zwei Wohnungen eine Wohnung gemacht. Das war’s.

Götzl Hatten Sie Kontakt zu den Personen?

Olaf B. Ich geh früh aus dem Haus und komme abends wieder. Ich hatte nur zu der Frau Kontakt, dass man sich ein bisschen unterhalten hat, zu den Männern weniger, guten Tag und guten Weg, mehr kann ich dazu nicht sagen.

Götzl Was können Sie über die Frau sagen?

Olaf B. Was hab ich über sie erfahren? Wie sich jetzt herausgestellt hat, war’s ein falscher Name. Aber zu dem, was ihr hier vorgeworfen wird – da muss ich leider passen.

Götzl Unter welchem Namen hat sich die Frau Ihnen vorgestellt?

Olaf B. Susann Dienelt.

Götzl Wie häufig hatten Sie Kontakt zu ihr?

Olaf B. Wenn ich am Wochenende hinterm Haus war, mal ein kurzes Schwätzchen, über Gott und die Welt.

Götzl Wissen Sie noch etwas genauer, über was Sie geredet haben?

Olaf B. Herr Richter, das ist ein, zwei Jahre her. Ich hab null Ahnung. Bei der Fußball-WM hab ich den Fernseher rausgeholt, da saßen die Nachbarn und schauten, sie hat uns eine große Pizza runtergebracht, als nachbarschaftliche Geste.

Götzl Wurde darüber geredet, eine Frau und zwei Männer?

Olaf B. Einer soll ihr Freund gewesen sein und der andere der Bruder vom Freund. Das hat plausibel geklungen.

Götzl Können Sie die beiden mal beschreiben?

Olaf B. Weniger. Die sind viel Fahrrad gefahren. Alle drei, die hatten kein eigenes Auto, erledigten alles mit Fahrrädern. Sie ist auch viel gejoggt. Die Männer haben »Glückauf« gesagt und sind in den Keller mit ihren Fahrrädern. Die lässt man nicht stehen, sonst sind die weg.

Götzl Hat sie berichtet, was die beiden Männer beruflich machen?

Olaf B. Die beiden würden Fahrzeugüberführungen machen, deswegen würden auch öfter fremde Fahrzeuge hinterm Haus stehen. Sie selbst würde von zu Hause vom Computer aus arbeiten, sie sei fast ständig zu Hause. Klang auch plausibel.

Götzl Welche Fahrzeuge standen da hinterm Haus?

Olaf B. Wohnmobile, VW-Busse.

Götzl Hatten Sie sehr schnell Kontakt zu der Frau?

Olaf B. Ja, sie hat sich selbst vorgestellt. Das ist bei uns halt so, dass man sich gegeneinander vorstellt.

Götzl Und die anderen zwei? Haben sich die auch vorgestellt?

Olaf B. Nein, gar nicht.

Götzl Waren Sie mal in der Wohnung?

Olaf B. Nein, nie.

Götzl Haben Sie auch mal einen Pkw gesehen?

Olaf B. Immer dann, wenn die Angeklagte Besuch bekommen hat. Es kamen öfter ein junger Mann und eine junge Frau mit zwei Kindern, meist am Donnerstag. Ein Nachbar hat immer gesagt: Donnerstag ist Badetag, die Kinder sind da. (Es handelt sich um den Angeklagten André Eminger, seine Frau und seine Kinder.)

Götzl Haben Sie sie gesehen?

Olaf B. Ja, flüchtig.

Götzl Über was haben Sie mit Frau Zschäpe gesprochen?

Olaf B. Ja, dass sie auf Urlaub auf der Insel Fehmarn waren.

Götzl Haben Sie Einzelheiten erfahren?

Olaf B. Nur, dass der Urlaub schön war. Fotos hat sie keine gezeigt.

Götzl Wer war dabei?

Olaf B. Wenn, dann sind sie alle drei gefahren. Klamotten rein, Fahrräder rein, Surfbretter rein ins Wohnmobil. Das klang alles plausibel. Ich hab andere Dinge im Kopf, ich muss meine Firma am Laufen halten.

Götzl Woran erinnern Sie sich noch bezüglich der Wohnmobile?

Olaf B. Als es im Fernsehen gezeigt wurde und brannte. Da dachte ich mir: Das Wohnmobil kennst du doch. Das ist doch das, was einmal hinterm Haus stand. Mit Vogtländer Kennzeichen.

Götzl Können Sie sich noch an den Besuch bei Frau Zschäpe erinnern?

Olaf B. Die Frau war schwarzhaarig und tätowiert. Das gefällt mir eh nicht, deswegen habe ich weggeguckt. Der Mann war auch tätowiert, am Unterarm.

Götzl Und die Frau?

Olaf B. Am Rücken, da war ein bisschen mehr tätowiert.

Götzl Wie alt waren die Kinder?

Olaf B. Fünf, sieben, so ungefähr. Auf jeden Fall sind sie schön im Treppenhaus rauf- und runtergelaufen, holterdipolter. Wir haben eine Holztreppe.

Götzl Ich will noch auf die Einzelheiten Ihrer Vernehmung eingehen. Sie sagten, der Freund von Zschäpe sei der Größere gewesen.

Olaf B. Wenn ich das so gesagt habe, stimmt das so.

Götzl Sie sagten auch, sie hat sich immer über den Griechen aufgeregt und dass es immer stinken würde.

Olaf B. Da gab ich ihr vollkommen recht, ich bin Knoblauch-Feind, und wenn es da immer danach stinkt und nach Frittenbude, na dann Glückauf.

Götzl Sie sind oft im Keller gesessen und haben etwas getrunken, haben Sie bei der Polizei gesagt.

Olaf B. Ja, ist nichts Verwerfliches dran. Sie hat sich öfter zu uns gesetzt – das ist im Osten so.

Götzl Das ist nicht nur im Osten so, das ist überall so.

Olaf B. Wir haben Bier getrunken, aber sie mochte das nicht so. Sie hat Prosecco getrunken, oder ein Glas Wein, mal eine Zigarette mitgeraucht, obwohl sie aufhören wollte mit Rauchen.

Götzl Sie haben in Ihrer Vernehmung noch eine ältere Frau erwähnt.

Olaf B. Die Katzenmutti, die kümmerte sich um ihre zwei Katzen. Die war da, wenn die im Urlaub waren.

Götzl Wurden Sie von der Polizei auch mal in ein Zimmer geführt und sollten Personen erkennen?

Olaf B. Sie meinen die Gegenüberstellung bei der Polizei? Wir sind reinbestellt worden zur Gegenüberstellung – Tür auf, ist sie das? Da saßen noch ein paar andere Personen, drei Frauen und ein Mann. Weiß nicht, ob das professionell war, ich kenne es aus Filmen und Fernsehen anders. Draußen wurde ich gefragt: Ist sie’s? Ja natürlich, habe ich gesagt, das ist meine ehemalige Nachbarin.

Götzl Ist in Ihrem Besitz eigentlich ein Bild von Adolf Hitler?

Olaf B. Ja, das habe ich. Es steht im Keller auf dem Fernseher.

Götzl Was hat es mit dem Bild auf sich?

Olaf B. Das ist ein Andenken an meinen Nachbarn. Ich hab die Wohnung nach seinem Tod entrümpelt und es in meinen eigenen vier Wänden auf den Fernseher gestellt. Jeder, der bei mir im Keller saß, wusste das.

Götzl Hat Frau Zschäpe mal was zu dem Bild gesagt?

Olaf B. Nein, gar nichts.

Götzl Hat das Bild von Hitler eine Bedeutung für Sie?

Olaf B. Nur als reine Erinnerung.

Götzl Wie ist Ihre politische Einstellung?

Olaf B. Ich gehöre keiner Religion an, und was die Politik macht … Ich nehm es so, wie es ist.

Götzl Hatte Frau Zschäpe einen Spitznamen?

Olaf B. Ja, Diddlmaus.

Götzl Wie kamen Sie darauf?

Olaf B. Sie hieß Dienelt und sie ist ne Maus.

Götzl Haben Sie sie so angesprochen?

Olaf B. Natürlich, die Diddlmaus. Sie ist ja auch eine hübsche Maus.

Götzl Haben Sie durch den Brand Schaden erlitten?

Olaf B. Ich habe wieder bei null angefangen. Die Stadt Zwickau hat mir meinen Mietvertrag abgekauft. Es hieß, man wolle das Haus abreißen, damit es kein Denkmal wird. Mein Zeug konnte ich wegschmeißen, weil es nach dem dritten Mal Waschen immer noch nach Rauch roch. Aber Schwamm drüber.

Anwältin Başay Wissen Sie, wer Conny S. ist?

Olaf B. Ja, ein Bekannter von mir.

Anwältin Başay War der auch im Keller mit dabei?

Olaf B. Ja. '

Anwältin Başay Ich lese Ihnen mal aus dessen Vernehmung vor.

Olaf B. Die brauchen Sie mir nicht vorlesen, die kenn ich.

Anwältin Başay Ich lese Sie Ihnen trotzdem vor: »Ich weiß, dass der Herr B. eine rechte Meinung hat: Zu Adolf Hitlers Zeiten war alles besser. Man hat sich über den Staat aufgeregt.« Was sagen Sie dazu?

Olaf B. Ich weiß nicht, wie der zu der Meinung kommt.

Anwalt Ilius Sie wissen, dass Sie sich mit dem Zeigen des Hitlerbildes strafbar machen können?

Olaf B. Nein, ich hab eine Bestätigung von der Polizei Zwickau: In meinen eigenen vier Wänden kann ich tun und lassen, was ich will.

Anwalt Ilius Mich interessiert Ihr Verhältnis zu Hitler und dem Dritten Reich noch etwas mehr. Sie haben einen Jutesack mit einem Hakenkreuz im Keller?

Olaf B. Nein, das war nicht im Keller, der hing in der Wohnung an der Wand.

Anwalt Ilius Zu welchem Zweck?

Olaf B. Den habe ich gefunden bei einer Entrümpelung, der war noch nagelneu, eingepackt in Folie.

Anwalt Ilius Können Sie schildern, welche politische Einstellung Frau Zschäpe hatte?

Olaf B. Nein. Sie war eine liebe, gute Nachbarin. Ihre Gesinnung hat sie nie uns gegenüber preisgegeben.

Anwalt Schön Wie lang hat es gedauert, bis Sie sie »Diddlmaus« nannten?

Olaf B. Nicht sehr lang. Sie hat gelächelt und sich geehrt gefühlt.

Anwalt Schön Haben Sie sich von Frau Zschäpe über das Nachbarschaftliche hinaus angezogen gefühlt?

Olaf B. Nein. Ich bin glücklich geschieden.

Anwalt Schön Und Ihre Kollegen?

Olaf B. Nein, es wurde nicht gebaggert.

Anwalt Scharmer Fahren Sie einen Kübelwagen VW 188, auf dem ein Eisernes Kreuz aufgemalt ist?

Olaf B. Ja, den hab ich noch. Das Eiserne Kreuz ist das Hoheitszeichen der Bundesrepublik Deutschland. Das hat die Bundeskanzlerin auch auf ihrem Flugzeug drauf.

Anwalt Scharmer Ich frage ja nur nach Ihrer politischen Meinung. Weil Sie meinten, Sie hätten gar keine politische Meinung. Jutesack mit Hakenkreuz, Hitlerbild, Kübelwagen – da sehen Sie keinen Zusammenhang?

Olaf B. Definitiv nein.

(B. verlässt den Gerichtssaal. Der nächste Zeuge ist der Zwickauer Polizeibeamte Ronny B.)

Ronny B. Ich habe die Auswertung eines PCs vorgenommen, der in der Frühlingsstraße in Zwickau gefunden wurde. Ich habe den PC am 6.11.2011 auf die Dienststelle bekommen, um zu untersuchen, welche Absichten hinter der Brandstiftung standen. Ein Benutzer mit dem Namen »Liese« hat den PC zuletzt am 4.11.2011, dem Tag der Brandstiftung benutzt. Um 14.30 Uhr wurde der Computer runtergefahren. Das bedeutet, jemand hat den Rechner ausgeschaltet. Auffällig war, dass am Tag der Brandstiftung im Internet vor allem nach Unfällen gesucht wurde: »Autounfall Mitteldeutschland«, »Autounfall 1.11«. Um 12.39 Uhr wurde nach »Autounfall Sachsen 31.10.« gegoogelt. In den Monaten davor wurde unter anderem nach »Olaf B.« und »Campingplatz Eisenach« und am 24.10. bei Wikipedia nach »Arbeitslosengeld« gesucht. Zuletzt wurde nach Biofleisch gesucht.

(Der nächste Zeuge ist Thomas R. vom Landeskriminalamt Sachsen.)

Thomas R. Mir oblag die Gefährdungsbeurteilung der Explosion in der Frühlingsstraße, Ende November erhielt ich dazu eine Anfrage von der zuständigen Ermittlergruppe »BAO Trio«. Mein Fazit lautete: Personen, die sich im oberen Stock oder Dachgeschoss befanden, waren erheblich gefährdet. Sie hatten kaum eine Chance das Gebäude gefahrlos zu verlassen, es gab nur ein Treppenhaus. Sie waren somit erheblich in Lebensgefahr. Die Person in der Nachbarwohnung hat nur Glück gehabt, weil sich die Druckwelle nicht so massiv ausgebreitet hat. Sie hätte auch die Zwischenwand zur Nachbarwohnung zerstören können. Ein Problem sind auch die geladenen Waffen: Es kann sein, dass die anfangen zu schießen. Und keiner weiß, wo das Projektil hingeht.

Oberstaatsanwältin Greger Ist so ein Brandgeschehen beherrschbar?

Thomas R. Die Explosion ist nicht beherrschbar, der Brand in der Größe genauso wenig. Dass sich der Brand nur auf die Wohnungseinrichtung bezieht, kann man vollständig ausschließen. Das Explosionsereignis hätte viel, viel schlimmer kommen können. Im Wohnzimmer war viel mit Benzin benetzt. Man hätte auch mit einer vollständigen Zerstörung von Haus 26 und 26 a rechnen können.

(Thomas R. verlässt den Gerichtssaal, es folgt die Zeugin Nadine R.)

Nadine R. Ich bin an dem Tag gegen 15 Uhr mit dem Auto stadtauswärts gefahren und in die Frühlingsstraße eingebogen. Hundert Meter weiter vor mir war überall weißer Rauch. Ich bin stehen geblieben und ausgestiegen, um zu sehen, was passiert ist. Ich sah Flammen und hörte es knistern. In dem Moment kam die Frau Zschäpe um die Ecke. Ich habe sie angesprochen, weil ich erschrocken bin. Ich rief: Hinter Ihnen brennt’s. Haben Sie das nicht gemerkt? Wir müssen die Feuerwehr alarmieren. Da hat sie sich erschrocken und blitzartig umgedreht. Und ist in die Richtung, aus der sie gekommen ist, wieder zurückgelaufen.

Götzl Hat Frau Zschäpe was geantwortet?

Nadine R. Sie hatte zwei Katzenkörbe in der Hand, die hat sie auf den Fußweg gestellt. In dem Haus wäre noch ihre Oma, sie müsse noch mal schauen, sagte sie. Sie hat eine Nachbarin gefragt, ob sie ein paar Minuten auf die Katzen aufpassen könnte. Dann ist sie zurückgelaufen.

Götzl Sie haben ausgesagt: Ich dachte mir, das wird sie wohl nicht allein schaffen, ihre Oma da rauszuholen.

Nadine R. Stimmt, das habe ich gedacht.

Götzl Ist Ihnen an Frau Zschäpe etwas aufgefallen?

Nadine R. Nein, nichts Außergewöhnliches.

Götzl An ihrem Gesichtsausdruck vielleicht?

Nadine R. Eigentlich war es ein freundlicher Gesichtsausdruck, entspannt. Er passte nicht zur Situation, man sah ja hinten schon den Rauch.

Der NSU Prozess

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