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Tag 35

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17. September 2013

Manfred Götzl, Richter. Herbert Diemer, Anette Greger, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Heer, Anja Sturm, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Bernd Behnke, Edith Lunnebach, Gül Pinar, Anwälte der Nebenklage.

(Zwei Angehörige von Mehmet Turgut sind im Saal. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl fehlt.)

Götzl Ich gebe bekannt, dass Frau Zschäpe gestern ein Ablehnungsgesuch gegen alle fünf Mitglieder des Senats gestellt hat. Der Antrag wurde an den Beschlusssenat weitergeleitet. Damit stellt sich die Frage, ob die Hauptverhandlung heute fortgesetzt werden kann. Stellungnahmen?

Bundesanwalt Diemer Die Verhandlung kann und muss fortgesetzt werden.

Anwaltin Pinar Können Sie kurz skizzieren, um was es geht?

Götzl Das müssen Sie selbst dem Schriftsatz entnehmen. Die Kopien werden in 90 Minuten fertig sein. Die Frage, über die wir zu befinden haben, ist eine Fortsetzung der Hauptverhandlung nach Paragraf 29, Absatz 2 Strafprozessordnung. (Demnach ist eine Fortsetzung auch mit Richtern, die ein Angeklagter für befangen hält, unter bestimmten Voraussetzungen möglich.)

Bundesanwalt Diemer Das Gesetz sieht eine Fortsetzung vor. Spätestens übermorgen muss ohnehin über den Antrag entschieden worden sein. Und angesichts des Umfangs des Verfahrensstoffes muss fortgesetzt werden.

Anwalt Behnke Es gibt keinen rechtlichen und keinen tatsächlichen Grund zu unterbrechen. Ich kenne die Gründe für das Ablehnungsgesuch zwar nicht, ich gehe aber davon aus, dass sie nicht zwingend sind. Es kann doch nicht sein, dass wir deshalb wieder alle Zeugen umladen.

Götzl Nach Paragraf 29 Absatz 2 der Strafprozessordnung kann so lange fortgesetzt werden, bis die Entscheidung getroffen ist.

Verteidiger Heer Herr Vorsitzender, Sie konnen doch nicht ernsthaft fortsetzen, wenn niemand die Gründe unserer Mandantin auch nur skizzenhaft kennt. Der Antrag wurde gestern am frühen Nachmittag von uns gefaxt. Der Senat hätte ihn problemlos allen Prozessbeteiligten zur Kenntnis bringen konnen.

(Die Hauptverhandlung wird unterbrochen, Kopien des Befangenheitsantrags werden verteilt. Nun lesen die Prozessbeteiligten, worum es geht: Es geht ums Geld.

In dem Antrag heißt es, Zschäpe halte die Richter für befangen, weil ihr Verteidiger Wolfgang Stahl für seine Arbeit einen zu geringen Vorschuss erhalten soll. Dadurch sei ihm eine »effektive Verteidigung« nicht mehr möglich.

Obwohl es um Stahl geht, haben den Antrag im Namen Zschäpes alle drei Pflichtverteidiger, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm, unterzeichnet. Die Anwälte bekommen ihr Geld erst am Ende des Prozesses. Sie können aber einen Vorschuss beantragen. Stahl hat dies am 24. Mai 2013 getan. Er fordert einen Vorschuss in Höhe von 78 840,20 Euro auf bereits geleistete Arbeit. Er führt unter anderem an, dass er schon vor Beginn der Hauptverhandlung 756 Stunden und 17 Minuten an dem Fall gearbeitet habe. Die Zschäpe-Verteidigung habe rund ein Drittel seiner Arbeitszeit ausgemacht – seine Umsätze durch andere Mandate seien dadurch erheblich gesunken. Weiter erklärte Stahl, dass er allein Fixkosten von rund 5000 bis 6000 Euro im Monat habe.

Der Bezirksrevisor des Oberlandesgerichts München erklärte daraufhin, Forderungen nach einem Vorschuss seien in diesem außergewöhnlich umfangreichen und schwierigen Verfahren durchaus begründet, die beantragte Höhe sei aber »völlig übersetzt«. Er schlug eine Pauschale von 3000 Euro vor. Stahl antwortete, das bedeute eine Stundenvergütung von 3,90 Euro, aber er senkte seine Forderungen auf gut 60 000 Euro.

Heer und Sturm haben bislang keinen Vorschuss beantragt. Heer hat den Richtern jedoch am 10. Juli mitgeteilt, dass das Mandat sie alle »unter enorme wirtschaftliche Probleme« stelle.

Der zuständige Richter des Senats, Konstantin Kuchenbauer, entschied nach Beratung mit den anderen Senatsmitgliedern am 9. September 2013, dass 5000 Euro als Vorschuss für Stahls Tätigkeit in Vorbereitung des Prozesses genug seien. Zschäpe kontert nun mit ihrem Befangenheitsantrag gegen die Richter. Kuchenbauer sei quasi gleich doppelt befangen, weil er in der Begründung für seine Entscheidung zweimal von »der Schwierigkeit des Tatnachweises« schrieb – und nicht etwa von einer Schwierigkeit der Wahrheitsfindung oder Aufklärung. Kuchenbauer und mit ihm der ganze Senat seien »offenkundig davon überzeugt, dass dem Senat ein Tatnachweis gelingen« werde, sie Zschäpe also für schuldig hielten. Deshalb sei das Gericht als befangen abzulehnen.)

Verteidiger Heer Ich bitte um das Wort. Uns liegen nun die dienstlichen Äußerungen der Richter vor. Wir beantragen eine Unterbrechung, um mit der Mandantin über ein weiteres Ablehnungsgesuch zu beraten.

Götzl Ja, Moment. Herr Klemke?

Verteidiger Klemke Unser Mandant Ralf Wohlleben schließt sich dem Ablehnungsantrag von Frau Zschäpe gegen Richter Kuchenbauer an. Er hält ihn nicht mehr für unvoreingenommen und unparteiisch. Unser Mandant muss die Formulierung von Richter Kuchenbauer, dass der Tatnachweis schwierig zu führen sei, auch auf sich beziehen. Es geht dem Richter nicht um die Aufklärung des wahren Sachverhalts, sondern um den Tatnachweis. Richter Kuchenbauer sieht sich hier als Strafverfolger und nicht als unparteiischer Richter.

(Unterbrechung der Hauptverhandlung für fast drei Stunden.)

Verteidigerin Sturm Frau Zschäpe lehnt Herrn Vorsitzenden Richter Götzl, Frau Richterin Dr. Fischer, Herrn Richter Kuchenbauer, Herrn Richter Dr. Lang und Frau Richterin Odersky erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

(Götzl, Fischer, Lang und Odersky hatten angegeben, sie hätten an der Vorschussentscheidung nicht mitgewirkt, während Kuchenbauer mitgeteilt hatte, er hätte sich mit ihnen beraten. Sturm trägt vor, dass die Angaben der vier Richter also unwahr seien.)

Oberstaatsanwaltin Greger Ich beantrage die Fortführung der Verhandlung. Die geladenen Zeugen sind anwesend, die für morgen schon auf dem Weg. Aus Rostock und Dortmund.

Anwaltin Lunnebach Dass hat schon etwas von einem absurden Theater hier. Selbstverständlich ist es möglich und notwendig weiterzuverhandeln. Und man kann sich einem Befangenheitsantrag nicht anschließen, Herr Klemke. Da muss sich der Herr Wohlleben schon selbst äußern, warum er die Richter für befangen hält.

Götzl Die Anträge wurden an den Beschlusssenat weitergeleitet. Wann die Entscheidung fällt, ist im Moment ungewiss.

(Götzl unterbricht die Hauptverhandlung und hebt den nächsten Verhandlungstag auf. Danach soll weiterverhandelt werden.)

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