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Tag 21

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10. Juli 2013

Manfred Götzl, Richter. Helmut K., 53, Mitarbeiter des Polizeilichen Erkennungsdienstes in Nürnberg. Er sicherte die Spuren am Tatort im Mordfall Enver Şimşek. Günther B., 63, pensionierter Elektroingenieur aus Nürnberg. Er fuhr mit seinem Sohn am Tatort vorbei und sah vermutlich die beiden Männer, die Şimşek erschossen. Nicole Schneiders, Verteidigerin von Ralf Wohlleben. Sebastian Scharmer, Anwalt der Nebenklage.

(Adile Şimşek ist im Saal, die Witwe des ermordeten Enver Şimşek. Als erster Zeuge spricht Kriminalhauptkommissar Helmut K. Er hat Fotos vom Tatort im Mordfall Şimşek gemacht.)

Helmut K. Ich wurde am 9. September 2000 gegen 15.30 Uhr verständigt, dass ein mobiler Blumenhändler angeschossen worden war. Herr Şimşek war schon im Krankenhaus, als ich am Tatort eintraf, es hieß, er sei in Lebensgefahr. Vom Stand waren der Sonnenschirm, Blumensträuße und ein weißer Sprinter zu sehen. Die Schiebetür stand offen, eine große Blutlache auf der Ladefläche war schon von außen zu erkennen. Außerdem lagen umgestürzte Blumenkübel und Blumenreste herum. An der Schiebetür fanden wir eine 6,35-Millimeter-Kaliber-Patronenhülse, aber auch eine 7,65-Millimeter-Hülse in der Blutlache und direkt daneben. Insgesamt haben wir fünf Hülsen gefunden im Auto, in der Kleidung fand sich noch eine sechste. Bei der Obduktion von Herrn Şimşek wurden sechs Projektile gefunden. Die umgestürzten Blumenkübel stammten offenbar vom Todeskampf des Herrn Şimşek und den Rettungsmaßnahmen.

Auf dem Tisch draußen waren die Blumenkübel und Blumensträuße ausgestellt, da ist nichts aufgefallen. Auch das Führerhaus war unauffällig. Es war nichts durchsucht worden, auf der Beifahrerseite war lediglich das Handschuhfach nach unten geklappt. Dort lag eine kleine Plastiktüte mit Kleingeld. An der Schiebetür waren kaum Blutspuren. Sie war also zum Tatzeitpunkt geöffnet und die Täter mussten sie nach der Tat geschlossen haben.Wir haben alle Kübel nach DNA und Fingerspuren untersucht. Das Blut war zum Teil noch flüssig, als ich kam. Die Wandseiten des Fahrzeugs waren mit Blutspritzern bedeckt, auch die Trennwand zum Führerhaus. In der Blutlache haben wir einen Zahn von Herrn Şimşek gefunden.

Als wir den Tatort untersuchten, war ein Haufen Radfahrer unterwegs und viele Autos. Die Straße und der Parkplatz, auf der der Blumenwagen stand, waren hoch frequentiert.

(Der Zeuge verlässt den Saal. Nach der Befragung eines weiteren Polizisten kommt Günther B. herein.)

Günther B. Ich war am Samstag mit meinem Sohn unterwegs, erst zum Recyclinghof, um Möbel zu entsorgen, dann fuhren wir zurück. Wir hatten die Fenster im Auto runtergedreht und fuhren an dem Parkplatz vorbei, wo der Blumenhändler stand. In dem Moment hörten wir mehrere metallische harte Schläge. Zwei Männer in Radlerkleidung gingen schnell von dem Fahrzeug des Blumenhändlers weg. Ich konnte nicht erkennen, wohin, wir mussten weiterfahren, hinter uns waren Autos. Die Männer waren so um die zwanzig, vielleicht ein bisschen älter, einer hatte ein Base-Käppi auf. Es muss kurz vor 13 Uhr gewesen sein, der Recyclinghof schließt um 14 Uhr. Es waren drei, vier harte Schläge, die aus der Richtung des Lieferwagens kamen, die Tür stand offen. Ich weiß noch, dass ich verwundert war, dass man hier überhaupt ein Geschäft machen kann.

Götzl Wie haben Sie die metallischen Schläge eingeordnet?

Günther B. Wenn man heute darüber nachdenkt … Aber es war keine Aktion zu sehen, die beiden Männer hatten nichts in der Hand. Man hat sich seine Gedanken gemacht, aber es war kein Handlungsbedarf ersichtlich. Am Montag lasen wir in der Zeitung über den Vorfall und haben uns bei der Polizei gemeldet.

Götzl Wie schnell sind Sie gefahren?

Günther B. Nicht über fünfzig, das ist Stadtgebiet. (Lachen im Saal.)

Götzl Woran erinnern Sie sich noch bei dem weißen Fahrzeug?

Günther B. Die Schiebetür stand offen, das war auf der Sichtseite von der Straße aus.

Die Männer sind nicht gerannt, aber mit schnellen Bewegungen weggegangen. Sie hatten Radlerkleidung an, aber ich habe keine Fahrräder gesehen, nix. Das Ganze ist jetzt 13 Jahre her, ich kann mich nicht an mehr erinnern. Ich weiß nur, als wir den Stand schon fast passiert hatten, konnte ich noch zwei blecherne Schläge hören. Es war kein normales Verhalten.

Götzl Können Sie die Männer beschreiben?

Günther B. Sie waren 20 bis 30 Jahre alt, sehr groß, über 1,80 Meter. Sie trugen schwarze Radlerhosen und dunkle T-Shirts.

Götzl 2010 wurden Sie ja noch mal befragt von der Kripo Nürnberg. Wurden Ihnen da Fotos gezeigt?

Günther B. Nein.

(Dem Zeugen werden die Fahndungsbilder von der Keupstraße in Köln vorgelegt, die nach dem Nagelbombenattentat am 9. Juni 2004 gefertigt wurden. Ein Mann mit kantigem Kinn und einer Kappe sowie einem T-Shirt ist zu sehen.)

Anwalt Scharmer Kommt Ihnen da eine Erinnerung?

Günther B. Ich kann nur ungefähr die Größe des Mannes bestätigen. Die Kleidung war anders, viel sportlicher. Aber von den Gesichtern her kann ich mich nicht erinnern.

Verteidigerin Schneiders Wurden Sie mal gefragt, was die Person für ein Typ war? In dem Protokoll Ihrer Befragung im Jahr 2007 heißt es: »Bei den beiden Personen handelt es sich meiner Meinung nach um Südeuropäer, da mir der dunkle Teint aufgefallen ist.«

Günther B. Ich glaub nicht, dass ich das gesagt hab.

Verteidigerin Schneiders Waren es braun gebrannte Männer mit dunklem Haar?

Günther B. Sie hatten einen kurzen Haarschnitt. Ob schwarz oder braun, weiß ich nicht mehr.

(Der Zeuge wird entlassen, vier weitere Zeugen werden noch gehört.)

Götzl Dann kommen wir zum Antrag des Herrn Eminger. Aufgrund von Paragraf 231c Strafprozessordnung. Der Antrag wird abgelehnt. Es kann zwar bei einer Verhandlung gegen mehrere Angeklagte gestattet werden, dass sich Angeklagte zeitweise entfernen, wenn sie nicht betroffen sind. Und der Senat ist sich der Belastung durch die relativ weite Anreise durchaus bewusst. Aber es besteht die naheliegende Gefahr, dass jederzeit in der Verhandlung Umstände zur Sprache kommen, die auch Herrn Eminger betreffen, vor allem von Zeugen aus dem Umfeld der Angeklagten. Einer Beurlaubung steht überdies der Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Weg.

Der NSU Prozess

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