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Tag 10
Оглавление13. Juni 2013
Manfred Götzl, Richter. Carsten Schultze, Angeklagter. Anja Sturm, Verteidigerin von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Jacob Hösl, Verteidiger von Carsten Schultze. Mehmet Daimagüler, Philipp Götze, Gül Pinar, Jens Rabe, Andreas Thiel, Angela Wierig, Anwälte der Nebenklage.
Götzl (an die Verteidiger von Ralf Wohlleben) Haben Sie Fragen an Herrn Schultze?
Verteidiger Hösl (an die Verteidiger von Wohlleben) Mein Mandant wird Fragen von Ihrer Seite nur beantworten, nachdem sich Herr Wohlleben selbst geäußert hat. Sonst werden keine Fragen dieser Seite beantwortet.
Verteidiger Klemke Ich fasse es nicht. Das lehnen wir natürlich ab. Wir lassen uns nicht erpressen.
Verteidiger Hösl Wir hätten aber auch eine Menge Fragen an Herrn Wohlleben.
Anwältin Pinar Warum möchten Sie Fragen von der Seite Wohlleben nicht zulassen?
Schultze Ich habe von denen mal was von Waffengleichheit gehört. Und ich möchte, dass hier nicht nur ich mich nackig mache, sondern er auch.
Anwalt Rabe Wo wurde die Waffe übergeben, was für ein Café soll das gewesen sein? In welchem Kaufhaus?
Schultze Ein Kaufhaus mit einem Café mit drinnen. Das hab ich noch in Erinnerung.
Anwalt Rabe Gibt’s da mehrere?
Schultze Ich war nur selten in Chemnitz, kenn mich da nicht aus.
Anwalt Rabe Sie haben mal von der Galeria Kaufhof gesprochen.
Schultze Ich erinnere mich nicht genau an eine Galeria Kaufhof. Da ist nur dieses Gefühl. Ich kenne eine Galeria von Düsseldorf her.
Anwalt Thiel Hatten Sie nach der Waffenübergabe Skrupel? Sie haben gesagt, Sie hätten die schlechten Gefühle schnell weggepackt. Wie darf ich das verstehen?
Schultze Aus der Erinnerung kann ich nur sagen, dass es die Gedanken gab, und dass sie dann wieder fort waren.
Anwalt Thiel Aber Sie hatten ein ungutes Gefühl?
Schultze Ja.
Anwalt Thiel Gab es nicht mal den Gedanken, es anzuzeigen oder sich zu offenbaren?
Schultze Leider nicht.
Anwalt Thiel Es hat ja öffentliche Fahndungsmaßnahmen gegeben nach der Česká-Waffe. Wann haben Sie zum ersten Mal zur Kenntnis genommen, dass es die Verknüpfung zwischen den Mordtaten und der Česká-Waffe gab?
Schultze Im Spiegel TV-Bericht ungefähr eine Woche nach Auffliegen des NSU im Jahr 2011.
Anwalt Thiel Und zu einem früheren Zeitpunkt?
Schultze Leider nicht.
Anwalt Götze Sie hatten berichtet, Ralf Wohlleben habe Ihnen mal erzählt, die drei hätten jemanden angeschossen. Und Sie hätten gedacht, hoffentlich sei das nicht mit der Waffe passiert, die Sie überbracht haben. Warum haben Sie sich solche Sorgen nicht schon gemacht, als Sie die Pistole in Chemnitz übergeben haben?
Schultze Ich denke mal, dass das eine neue Information für mich war. Ich traute denen so etwas nicht zu – und dann passiert das. Einmal denke ich, da wird nix passieren. Und dann höre ich, da ist was passiert.
Anwalt Götze Wie erklären Sie sich, dass Sie nicht zur Polizei gegangen sind?
Schultze Dass es aus Versehen passiert ist mit dem Anschießen. Ich hab da im Kopf: Die Idioten, das machen die nicht noch mal.
Anwalt Götze Sie haben von Geld berichtet, das Sie von dem Trio bekommen haben, und Sie haben das mit Überfällen in Verbindung gebracht. Das hat doch bedeutet, dass die Untergetauchten auch ohne Ihre Hilfe auskamen …
Schultze Ja, ich habe mich da verarscht gefühlt. Auch weil die Uwes sagten, sie haben bereits Waffen.
Anwältin Wierig Meine Mandantin würde gerne mehr wissen über die damaligen Strukturen. Sie waren in Therapie, ich hoffe, dass wir hier nichts kaputt machen, was Sie sich erarbeitet haben. Bisher haben Sie nur gesagt, Sie hätten Lieder gesungen und Unterschriften gesammelt. Das allein kann es ja nicht gewesen sein?
Schultze Das ist eine riesige Frage. Die Hierarchien fallen mir da ein, von Tino Brandt ging es nach unten.
Anwältin Wierig Mir geht es weniger um die Personen, mehr um die Inhalte. Was waren denn das für Thesen in den Papieren? Wie waren Ihre Vorstellungen?
Schultze Es ist erst mal so im Groben geblieben. Aus der JN gab es den »Funkenflug«, ein JN-Buch. Da wüsste ich nicht, ob ich da überhaupt drin gelesen hab. Das NPD-Programm hab ich mal gelesen, und dann hört es auch schon fast auf. Auch was wir konkret besprochen haben, mir kommen da keine Erinnerungen.
Anwältin Wierig Was hatten Sie damals so an?
Schultze Ranger Boots mit Stahlkappen, ein schickes Hemd, anfangs hatte ich noch eine Mütze auf, so barettmäßig, mit Thüringen-Aufnäher.
Anwältin Wierig Kann man das als Uniform bezeichnen?
Schultze Ja. Ich hatte auch ein Bajonett und einen französischen Armee-Schlafsack.
Anwältin Wierig Hatten Leute auch Angst vor Ihnen, vor Ihnen allein oder als Gruppe?
Schultze Ich denke schon. In der Stadt gab es einen Türsteher, der mich lange Zeit auf dem Kieker hatte. Der kam auf einmal zu mir und hat gesagt, alles in Ordnung. Da hat sich das wahrscheinlich einfach rumgesprochen, dass ich Leute kenne. Das war ein gutes Gefühl.
Anwältin Wierig Warum haben Sie beim Trio ein komisches Gefühl gehabt?
Schultze Die hatten ja mit meiner Lebenswelt nichts zu tun. Ich kannte die ja nicht mal. Die sahen ganz normal aus. Es ging darum, die dürfen nicht auffliegen. Am Telefon haben sie mich »Kleiner« genannt, sie haben mich nie mit dem Namen angesprochen. Aber das war normal in der Szene, es gab immer auch ein Gefälle zwischen Jüngeren und Älteren. Im Auto saßen die Jüngeren hinten, die Älteren vorne.
Anwalt Daimagüler Welche Bedeutung hatten rechte Bands für Sie?
Schultze Die »Zillertaler Türkenjäger« haben wir lustig gefunden.
Anwalt Daimagüler Was ist denn daran so witzig? In einem der Lieder dieser Band geht es um die Ermordung von Türken.
Schultze Das ist mir heute auch bewusst. Damals fanden wir das lustig.
(Pause.)
Verteidigerin Sturm Unsere Mandantin ist heute in schlechter Verfassung. Sie fürchtet, dass sie es heute nicht den ganzen Tag durchhält.
Götzl (wendet sich an Zschäpe) Wenn Sie Beschwerden haben, würde ich Sie bitten, dass Sie sofort Bescheid sagen.
(Im Vorfeld der Verhandlung wurde bekannt, dass ein Brief Zschäpes beschlagnahmt wurde: 26 Seiten lang, handschriftlich, über ihre Haftzeit, über ihre Gedanken und Gefühle, über den Prozess. Zschäpe hat sich einem Mann anvertraut, der seit 2007 in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld sitzt, verurteilt zu acht Jahren Haft wegen schwerer räuberischer Erpressung. Bei einem Überfall auf einen Lebensmittelmarkt hat er als 20-Jähriger viermal auf einen gebürtigen Tunesier geschossen, der nur durch eine Notoperation überlebte. Zschäpes Brieffreund heißt Robin S. und gehörte vor seiner Inhaftierung zur rechtsextremistischen Szene Dortmunds.
Der Generalbundesanwalt hat zudem offiziell Ermittlungen gegen Beate Zschäpe wegen des erst durch die Aussage von Carsten Schultze bekannt gewordenen versuchten Rohrbombenanschlags von Nürnberg eingeleitet. Nach dem Anschlag waren die Ermittlungen der Nürnberger Behörden ohne Ergebnis eingestellt worden. Nun geht der Generalbundesanwalt davon aus, dass auch diese Tat dem NSU zuzuordnen ist und bei dem Anschlag ein Mensch getötet werden sollte.)