Читать книгу Der NSU Prozess - Tanjev Schultz - Страница 31

Tag 14

Оглавление

24. Juni 2013

Manfred Götzl, Richter. Karlheinz B., 54, Polizeibeamter aus Nürnberg. Er fand Abdurrahim Özüdoğru, der am 13. Juni 2001 in seiner Schneiderei ermordet wurde. Norbert H., 67, pensionierter Kriminalbeamter. Er untersuchte den Tatort in Nürnberg. Sabine M., 44, Zeugin aus Nürnberg. Sie wohnte gegenüber der Schneiderei und sagte in der Vernehmung aus, sie habe die Täter beobachtet. Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe. Michael Kaiser, Verteidiger von André Eminger. Christina Clemm, Mehmet Daimagüler, Adnan Erdal, Yavuz Narin, Anwälte der Nebenklage.

(An diesem Tag werden mehrere Zeugen zum Mord an Abdurrahim Özüdoğru befragt. Özüdoğru wurde am 13. Juni 2001 in seiner Schneiderei in Nürnberg erschossen.)

Karlheinz B. Ich habe das Opfer abends am Tatort vorgefunden. Ich habe gemerkt, der ist ziemlich kalt. Er hatte keinen Puls mehr, die Körpertemperatur war einem lebenden Menschen ziemlich fremd. Dann kamen die Rettungssanitäter. In der Schneiderei brannte Licht, wir konnten keinerlei Einbruchspuren finden. Die angrenzende Wohnung des Opfers habe ich nicht betreten. Nach meiner Erinnerung war die Tür zugesperrt. Fotos habe ich keine gemacht, aber die Kollegen vom Kriminaldauerdienst. Ich habe keine Erinnerung mehr, welche Kleidung das Opfer trug.

(Der Zeuge B. verlässt den Gerichtssaal, als nächster Zeuge wird Norbert H. aufgerufen. Der mittlerweile pensionierte Kriminalhauptkommissar hat damals den Tatort fotografiert.)

Norbert H. Ich habe leider eine veränderte Situation vorgefunden. Die Lage der Leiche war verändert; der Tote befand sich in halb liegender, halb sitzender Position. Es war ein frühsommerlicher Tag, die Außentemperatur lag bei 20 Grad.

(Im Gerichtssaal werden Lichtbilder vom Tatort an die Wand projiziert. Zschäpe setzt zeitweise eine Brille auf. Zunächst wird die Schneiderei von außen gezeigt, an der Scheibe ist eine Aufschrift zu sehen: »Änderungsschneiderei aller Art«. Im Innern des Ladens liegen Kleidungsstücke.)

Norbert H. Es war eine gewachsene Unordnung in dieser Schneiderwerkstatt, es ist alles etwas wild durcheinandergelegt gewesen.

(Fotos und Detailaufnahmen werden an die Wand projiziert, H. gibt dazu Erläuterungen.)

Norbert H. Der Einschuss erfolgte an der rechten Schläfe. Das steckengebliebene Projektil des zweiten Schläfenschusses war am Kopf noch ertastbar. Wir konnten Anschmierungen von Blut im vorderen Brustbereich feststellen. Auch am Hals fanden wir Spritzspuren von Blut, und am Unterarm fanden sich Tropfspuren von Blut.

(Es werden etwa 100 Fotos gezeigt: Bluttropfspuren auf der Kleidung des Toten, die große Blutlache neben dem Opfer, Blutspritzer an der Wand, eine Patronenhülse, alte Gardinen, Bilder auch vom Wohnzimmer des Opfers, Skizzen und Lagepläne.)

Norbert H. Es handelt sich um ein Wohngebiet in der Südstadt von Nürnberg, eigentlich eine Gegend, die nicht von zufälligen Passanten begangen wird.

Anwalt Daimagüler Es gab ja die Vermutung, das Opfer sei am Drogenhandel beteiligt gewesen, deshalb gab es Durchsuchungsmaßnahmen mit Drogenhunden. Welche Hinweise gab es denn für die Beteiligung?

Norbert H. Da bin ich überfragt, weil ich mit diesen Ermittlungen überhaupt nichts zu tun hatte. Ich gehörte zum Erkennungsdienst.

Anwalt Daimagüler Es gibt aber Vermerke dazu, die Sie selbst unterschrieben haben.

Norbert H. Kann sein, dass ich bei der Durchsuchung dabei war. Gefunden worden ist, glaube ich, aber nichts.

(Der Zeuge verlässt den Saal. Nach der Mittagspause und der Befragung eines weiteren Polizisten lässt Richter Götzl auf zwei Leinwänden im Gerichtssaal eine Vorläuferversion des NSU-Bekennervideos abspielen und anschließend das NSU-Bekennervideo, das im November 2011 verschickt wurde und das die Trickfilmfigur »Paulchen Panther« zeigt. Im Bild immer wieder Gesichter von Menschen, die gerade ermordet wurden. Auch die Leiche des Mordopfers Abdurrahim Özüdoğru ist zu sehen. Die Bilder des ersten Videos sind unterlegt mit Neonazi-Hardrockmusik. »Wir werden sie besiegen, mit rechtem deutschen Mut«, heißt es in einem Liedtext. Und: »Alle, die sich unsere Feinde nennen, die werden wir ewig hassen. Und kämpfen werden wir gegen sie, bis sie unser Land verlassen.« Das auf DVDs verschickte Bekennervideo beginnt mit einer Texttafel. Vor schwarzem Hintergrund steht dort: »Der Nationalsozialistische Untergrund ist ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz ›Taten statt Worte‹.« Und: »Solange sich keine grundlegen den Änderungen in der Politik, Presse und Meinungsfreiheit vollziehen, werden die Aktivitäten weitergeführt.«

Die Zeugin Sabine M. betritt den Gerichtssaal. Sie wohnte gegenüber der Schneiderei.)

Sabine M. Ich saß im Wohnzimmer und hörte plötzlich zwei Schüsse vom Haus gegenüber, da hab ich aus dem Fenster geschaut. Ich habe zwei Männer gesehen. Schon ein oder zwei Tage vorher hatte ich zwei Männer gesehen in der Straße, bei denen war eine blonde Dame dabei. Ich kannte den Schneider nicht, habe ihn aber von meinem Wohnzimmerfenster aus genau gesehen. Die beiden Männer haben sich entfernt, einer kam gerade aus dem Laden.

Götzl In Ihrer ersten Vernehmung ist nicht von einem zweiten Mann die Rede.

Sabine M. (nervös) Da war ein zweiter Mann dabei, das ist sicher.

Götzl Sie sagten damals auch nicht, dass Sie den Getöteten von Ihrem Wohnzimmer aus gesehen hätten.

Sabine M. Ich habe die Leiche aber liegen gesehen. Ich schwör’ es Ihnen.

Götzl Können Sie den Pkw, den Sie laut dem Protokoll Ihrer Aussage bei der Polizei beobachtet haben, beschreiben?

Sabine M. Nein, daran erinnere ich mich nicht mehr.

Götzl Wie viel Uhr war es, als Sie diese Beobachtungen machten?

Sabine M. Das muss am Nachmittag gewesen sein.

Götzl Aber die Polizei kam erst am Abend nach 21 Uhr – wie erklären Sie sich den Zeitabstand?

Sabine M. Aber so spät wären meine Kinder nicht mehr auf gewesen. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr. Vielleicht habe ich mich in der Zeit auch vertan.

Anwalt Narin Sie haben ausgesagt, Sie hätten eine Frau am Tatort gesehen. Wie sah die denn aus, können Sie sie näher beschreiben?

Sabine M. (weint) Sie war schlank und hatte blonde, lockige Haare.

Anwalt Erdal Hatte die Frau, die Sie angeblich beobachtet haben, Ähnlichkeit mit Frau Zschäpe?

Sabine M. Ich weiß es nicht.

(Zschäpe ist sichtlich amüsiert und lacht den Anwälten zu.)

Anwältin Clemm Haben Sie Angst, hier auszusagen?

Sabine M. (weint) Ich hab furchtbar Angst. Ich trau mich nicht.

Anwältin Clemm Wollen Sie nicht weiter aussagen?

Sabine M. Nein.

(Sabine M. wird von Götzl aufgefordert, kurz den Gerichtssaal zu verlassen.)

Götzl Das Gericht erwägt, der Zeugin einen Zeugenbeistand beizuordnen.

Verteidiger Kaiser Zu welchem Zweck? Es erwartet sich doch ohnehin niemand mehr im Saal etwas Substanzielles von der Zeugin.

Verteidiger Stahl Die Voraussetzung für einen Zeugenbeistand ist nicht gegeben. Die Zeugin fantasiert hier doch nur.

(Sabine M. wird wieder in den Saal gerufen.)

Götzl Was meinen Sie, wenn Sie sagen, Sie hätten Angst?

Sabine M. Man weiß ja nicht, was außerhalb des Saals noch passiert. Ich bin allein in der Wohnung, mein Mann arbeitet im Ausland.

Götzl Welche Befürchtungen haben Sie?

Sabine M. Dass mich einer wegmacht.

(Die Vernehmung der Frau wird unterbrochen. »Tut mir leid«, sagt sie beim Verlassen des Saals in Richtung Nebenkläger.)

Der NSU Prozess

Подняться наверх