Читать книгу Der NSU Prozess - Tanjev Schultz - Страница 33
Tag 16
Оглавление26. Juni 2013
Manfred Götzl, Richter. Volkmar E., 63, Verwalter des Wohnhauses von Beate Zschäpe in der Frühlingsstraße in Zwickau. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Nicole Schneiders, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Stephan Lucas, Anwalt der Nebenklage.
(Der Zeugentisch soll so gedreht werden, dass nicht nur Richter und Angeklagte den Zeugen ins Gesicht sehen können, sondern auch die Nebenkläger einen Blick auf deren Gesichter bekommen. Dafür muss der Zeugentisch mehr in die Mitte des Gerichtssaals gerückt werden.)
Verteidiger Stahl Jetzt ist der Fluchtweg versperrt. Eine Verordnung sieht vor, dass mindestens 1,20 Meter frei sein muss als Durchgang. Das ist jetzt ein Sicherheitsrisiko.
(Leichtes Gelächter im Saal.)
Götzl Haben Sie jetzt Bedenken für Ihre Person?
Verteidiger Stahl Man kann, Herr Vorsitzender, das jetzt natürlich ins Lächerliche ziehen. Das ist aber ein Hindernis, das ist nicht zulässig.
Götzl Wir setzen die Verhandlung mit der Vernehmung des Zeugen Volkmar E. fort.
(Der Zeuge betritt den Gerichtssaal.)
Volkmar E. Anfang September 2011 bekam ich einen Anruf, Herr Dienelt meldete Mängel am Fußboden. Ich habe mich mit ihm getroffen und das angesehen. Er war der Meinung, es senkt sich etwas, der Fußboden in der Küche. (Lacht.) Vielleicht wollte er mich auch nur mal kennenlernen. Als ich die Wohnung das nächste Mal betreten habe, öffnete mir Frau Zschäpe, wie wir heute wissen. Für mich war nicht klar, dass sie da ständig wohnt.
Götzl Wer war bei dem ersten Termin zugegen?
Volkmar E. Diese männliche Person, die sich als Herr Dienelt vorstellte. Der alte Hausverwalter, von dem ich das Haus im September übernommen habe, hat mir eine Handynummer gegeben und einen Namen dazu. Er hat auch mal gesagt, ich soll mich nicht wundern, die Leute dort sind manchmal ein bisschen komisch. Komisch war für uns vor allem, wie die Mieten überwiesen wurden: Da kam am 28. September eine Überweisung: Lisa Dienelt für Matthias Dienelt 740 Euro für den Oktober. Dann am 25.10.11 von Lisa Pohl mit dem Betreff »Miete Dienelt« 740 Euro, für November. Sie waren überpünktlich.
Götzl Nochmals zu diesem Termin. Wie verlief der?
Volkmar E. Er hat uns in die Küche geführt, und da war nach seiner Meinung eine kleine Absenkung im Boden. Nichts Dramatisches, was so einen Anruf unbedingt gerechtfertigt hätte, aus meiner Sicht.
Götzl Können Sie den Mann beschreiben?
Volkmar E. Er war circa 1,85, hatte eine sportliche Figur, war unter 40, und trug kurz geschnittene Haare; vielleicht waren sie auch abrasiert. Von den beiden Toten hat man ja den Eindruck, dass sie extrem abstehende Ohren hatten. Das wäre mir vielleicht aufgefallen, ist es aber nicht.
Götzl Wie hat sich die männliche Person verhalten?
Volkmar E. Ganz normal. So, er wolle nur darauf hingewiesen haben. 95 Prozent der Mieter hätten da garantiert nichts angezeigt. Ich habe ihm zugesagt, dass ich mich um die Beanstandung kümmern werde. Es war aber keine Gefahr im Verzug.
(Verteidiger Stahl verlässt während der Zeugenvernehmung kurz den Saal und passiert dabei den engen Gang zwischen dem Zeugentisch und einem weiteren Tisch, an dem die Gerichtsschreiber sitzen.)
Götzl Und der zweite Termin, wie ist der abgelaufen?
Volkmar E. Ganz normal, ich war da keine zehn Minuten in der Wohnung.
Götzl Es war doch auch Frau Zschäpe anwesend, sagten Sie. Wie hat sie sich verhalten?
Volkmar E. Ganz normal. Ich glaube, es sind nicht viele Worte gefallen. Frau Zschäpe hat geöffnet, sie hat sich nicht vorgestellt. Für uns war sie die Vertraute des Mieters gewesen, ich kann da ja nicht den Ausweis verlangen. Es war ein schlüssiges Verhalten, sag ich mal. Es gab da keine Auffälligkeiten in der Wohnung, zumindest beim ersten Blick nicht.
Götzl In welchem Zustand war die Wohnung?
Volkmar E. Ordentlich. Wobei ich nur Flur und Küche gesehen habe. Der zweite Termin diente wohl dazu, den Geschäftsführer von dem Sachverhalt zu informieren. Wir hatten ja gerade Baumaßnahmen in dem Haus: Die Handwerker waren beauftragt, die Wohnungen in einen vermietungsfähigen Zustand zu versetzen. Zuerst sollten die beiden Wohnungen über der Wohnung der drei, also im Dachgeschoss, renoviert werden. Der Keller sollte auf jeden Fall geräumt werden. Da hatten wir noch altes Frittenfett in Kanistern gefunden, von dem griechischen Lokal, das da früher war. Der Keller war ziemlich zugemüllt. Es gab eine Auffälligkeit: eine Metalltür blitzblank in dem verranzten Keller, die wir nicht zuordnen konnten. Auf die Idee, dass der Keller zu der Wohnung der drei gehört, bin ich nicht gekommen. Ich habe dann zum Handwerksbetrieb gesagt, wenn wir nicht wissen, wem der Keller gehört, machen wir mal auf. Es gab dann mal eine Begegnung zwischen Frau Zschäpe und einem Handwerker vor der Kellertür, als der die Tür öffnen wollte. Sie hat dann mitgeteilt, dass das ihr Keller ist, und dann sind sie abgetreten. Das weiß ich aber nur vom Hörensagen. Frau Zschäpe soll da relativ erregt gewesen sein. Ich kann aber nicht sagen, wann das gewesen sein soll. Ich habe das von einem Handwerker erfahren, aber erst nach dem 4. November 2011. (Ermittlungen ergaben, dass Böhnhardt und Mundlos im Keller Schießübungen unternahmen. Außerdem hatten sie dort ihre Fahrräder abgestellt, mit denen sie zu ihren Anschlägen und Raubüberfällen fuhren.)
Am 4.11. hat mich der Handwerksbetrieb angerufen, dass das Haus explodiert sei. Ich habe später mitbekommen, dass der Eigentümer das Haus wieder aufbauen wollte. Aber das scheiterte an der Stadt. Es gab die Befürchtung, dass sich da eine Art Kultstätte entwickelt. Also ist die Ruine an die Stadt verkauft worden, und das war’s dann.
Götzl Wie hoch war der Schaden?
Volkmar E. Etwa 70 000 Euro. Der Kaufpreis war 195 000 Euro.
Götzl Sie haben bei der Vernehmung im Jahr 2012 ausgesagt, die schwarzhaarige Frau, also Frau Zschäpe, wie Sie jetzt sagen, habe ein Heidentheater gemacht.
Volkmar E. So war es auch. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn wir die Tür geöffnet hätten und sie dann dazugekommen wäre.
(Später am Nachmittag, als gerade ein weiterer Zeuge befragt wird, springt Zschäpe plötzlich von ihrem Platz auf und deutet auf das Netzteil ihres Laptops. Götzl unterbricht die Verhandlung wegen eines »Kurzschlusses«. Zschäpe bekommt ein neues Netzteil. Dann ruft Götzl den Handwerker René K. auf, der sich am Tag der Explosion in der Frühlingsstraße 26 aufhielt und dort arbeitete, zum Zeitpunkt der Explosion aber mit seinem Kollegen beim Bäcker gegenüber Kaffee trank. Wie schon zuvor sein Kollege berichtet auch K., dass das Treppenhaus sehr hellhörig gewesen sei und die Holzstufen sehr laut knarrten.)
Verteidiger Stahl (unterbricht) Herr Vorsitzender, können wir nicht an dieser Stelle unterbrechen? Ich habe morgen noch einen Termin und eine lange Zugfahrt vor mir.
Götzl Ich habe morgen auch einen Termin.
Verteidiger Stahl Aber Sie fahren nicht noch sechs Stunden nach Hause.
Götzl Aber Sie fahren doch mit dem Zug.
Verteidiger Stahl Ich komme dann wahrscheinlich sehr spät an und muss morgen um sieben wieder zu einem Termin.
Götzl Ich bin heute um halb fünf aufgestanden, nur zu Ihrer Information.
Verteidiger Heer Herr Vorsitzender, die Konzentrationsfähigkeit unserer Mandantin ist überschritten. Die Frage ist doch, ob man für heute so viele Zeugen hätte laden müssen.
Götzl Wir können gern auch früher beginnen, da habe ich keine Probleme. Es wäre auch gut, wenn wir pünktlicher anfangen könnten. 90 Prozent der Anwälte kommen erst fünf Minuten vor halb zehn.
Anwalt Lucas Wir haben noch Luft. Und einfach nur in den Raum zu werfen bei einer Enddreißigerin, sie sei um 17.20 Uhr nicht mehr fit – das halte ich nicht für begründet. Und was Ihren Termin angeht, Kollege Stahl: So ist das Anwaltsleben nun mal. Ich finde den Einwurf ärgerlich.
Götzl Jetzt diskutieren wir aber schon sehr lange. Ich würde vorschlagen, wir machen eine kleine Pause.
(Götzl verlässt den Gerichtssaal und kehrt nach wenigen Minuten wieder an seinen Platz zurück.)
Götzl Dann setzen wir fort. Haben Sie sich wieder etwas erholen können, Frau Zschäpe?
Verteidiger Heer So geht das nicht, Herr Vorsitzender, ich habe bereits erklärt, dass meine Mandantin mit ihrer Konzentration am Ende ist. Sie hat Beschwerden.
Götzl Und welche Beschwerden sind das?
Verteidiger Heer Ich weiß nicht, warum wir darüber jetzt diskutieren sollen.
Götzl Dann müssen wir das eventuell medizinisch überprüfen lassen.
Verteidigerin Schneiders Man muss unterscheiden bei denen, die in Haft sind. Es ist ein Faktum, dass auch unser Mandant genauso erschöpft ist, wie es die Verteidiger von Frau Zschäpe bei ihrer Mandantin ausgeführt haben. Drei Tage Verhandlung am Stück sind ein Marathon. Am dritten Tag sind die Mandanten erschöpft. Auch unser Mandant hat über Kopfschmerzen geklagt.
Götzl Gegebenenfalls werden wir da auch Untersuchungen durchführen lassen. Wenn das nicht anders geht …
Verteidiger Heer So langsam kommt mir das wie eine Drohung vor. Meine Mandantin ist zu einer Untersuchung bereit.
Verteidiger Klemke Es würde schon helfen, wenn unser Mandant in der Mittagspause mal frische Luft schnappen dürfte.
Verteidiger Heer Wenn ich dazu noch etwas sagen dürfte …
Götzl Zu Herrn Wohlleben?
Verteidiger Heer Ja, auch wenn da alle lachen. Auch ich fände es hilfreich, wenn meine Mandantin mittags ein wenig frische Luft bekäme.
Bundesanwalt Diemer Darüber wird man dann noch reden.
Götzl Vielleicht kann man auch mal sehen, ob immer alle Anwälte da sein müssen, oder ob man sich da aufteilt. Aber Frau Zschäpe fühlt sich ja nicht wohl. Dann lasse ich jetzt den Arzt holen.
(Nach der ärztlichen Untersuchung wird die Verhandlung um 18.30 Uhr beendet.)