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d) Vorläufiger Verwaltungsakt

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Bedeutung. Die Rechtsordnung enthält zahlreiche Rechtsgrundlagen für vorläufige Regelungen. Diese finden sich z.B. in § 164 AO (Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung[170]), § 165 AO (vorläufige Steuerfestsetzung), § 11 GastG (vorläufige Erlaubnis), § 20 PBefG (einstweilige Erlaubnis), §§ 38 ff. Landbeschaffungsgesetz (vorzeitige Besitzeinweisungen), § 18f FStrG und §§ 91 ff. BbergG, § 17 WHG (vorzeitige Gewässerbenutzung) sowie § 101 Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW (vorläufige Erlaubnis als Ersatzschule)

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Kennzeichnende Merkmale. Der vorläufige Verwaltungsakt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Rechte und Pflichten aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis nur aufgrund einer nicht abschließenden (summarischen) Prüfung der Sach- und Rechtslage geregelt werden und sie unter dem Vorbehalt einer späteren Nachprüfung ergehen.[171]

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Wirkung der Vorläufigkeit. Die Besonderheit der leistungsgewährenden vorläufigen Regelung ist, dass diese nur vorläufig bis zum Ergehen des endgültigen Bescheids als Rechtsgrund der Leistung fungiert;[172] der endgültige Bescheid ermöglicht rückwirkende Korrekturen der ursprünglichen Regelung, ohne dass der Verwaltungsakt ggf. unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 48 VwVfG (Ermessen, Vertrauen, Einwand der Entreicherung, Jahresfrist) zurückgenommen werden müsste.[173] Der vorläufige Verwaltungsakt verliert „mit Erlass der endgültigen Regelung seine Wirksamkeit; an seine Stelle tritt der endgültige Bescheid, und zwar regelmäßig rückwirkend“[174]. Er erledigt sich gem. § 43 Abs. 2 VwVfG.[175]

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Abgrenzung zur Bedingung. Die „vorläufige Regelung“ weist eine große Nähe zur auflösenden Bedingung und zur befristeten Regelung auf.[176] Ergeht eine Regelung unter einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingung, so hängt der Bestand der Regelung von einem zukünftigen Ereignis ab; knüpft der Vorbehalt dagegen an ein vergangenes, lediglich noch nicht ermitteltes Ereignis an, kommt eine vorläufige Regelung in Betracht.[177]

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Rechtliche Zulässigkeit und inhaltliche Grenzen. Die Vorläufigkeit der Regelung und ihr Umfang müssen hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht werden (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG).[178] Ob eine Bedingung oder eine vorläufige Regelung gewollt ist und auf welche Elemente sich die Vorläufigkeit bezieht, ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln.

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Bei einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass eines vorläufigen Verwaltungsakts bestehen keine Bedenken gegen die grundsätzliche Zulässigkeit vorläufiger Regelungen. Soweit hingegen keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht, ist zum einen zwischen begünstigenden und belastenden Regelungen zu differenzieren und zum anderen danach, ob die Regelung im Bereich der gebundenen oder der ermessensgesteuerten Verwaltung ergeht.

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Keine Bedenken bestehen im Rahmen der Leistungsverwaltung. In diesen Fällen der Leistungsgewährung vor abschließender Sachverhaltsermittlung erhält der Bürger eine Begünstigung, bevor alle anspruchsbegründenden Tatsachen festgestellt sind.[179] Dieses „Entgegenkommen“ rechtfertigt den Einsatz des vorläufigen Verwaltungsakts, auch wenn dieser unter dem Vorbehalt der nachfolgenden Sachverhaltsentwicklung steht. Die verfahrensrechtliche Ermächtigung zum Erlass vorläufiger Regelungen kann § 10 Satz 2 VwVfG entnommen werden, wonach die Behörde das Verfahren einfach, zweckmäßig und zügig durchführen muss.[180]

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Bei Verwaltungsakten im Bereich der Eingriffsverwaltung ist die Rechtmäßigkeit vorläufiger Regelungen wesentlich problematischer, weil die Behörde dem Betroffenen Belastungen auferlegt, bevor alle tatbestandlichen Voraussetzungen des belastenden Verwaltungsakts geklärt sind. Trifft die Beweislast für das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen die Behörde, wird ein vorläufiger Verwaltungsakt nur dann zulässig sein, wenn eine fachgesetzliche Regelung ein Eingreifen auch bei nicht vollständig geklärtem Sachverhalt erlaubt; zum Teil wird darüber hinausgehend gefordert, dass der Vollzug des vorläufig belastenden Verwaltungsakts nicht zu vollendeten Tatsachen führt.[181] Fachgesetzliche Regelungen in diesem Sinne sind z.B. die landesrechtlichen polizeilichen Generalklauseln bei einem Gefahrenverdacht.

Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess

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