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bb) Wegfall
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Aufhebung der Zusicherung. Die Bindungswirkung entfällt zum einen bei Aufhebung der Zusicherung durch deren Rücknahme oder Widerruf gem. § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG. Eine solche Aufhebungsverfügung ist aber nicht schon im Erlass eines zusicherungswidrigen Verwaltungsakts zu sehen, weil die Aufhebung nicht stillschweigend erfolgen darf, sondern der Rücknahme- bzw. Widerrufwille klar erkennbar sein muss.[357]
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Wegfall der Geschäftsgrundlage. Zum anderen entfällt die Bindungswirkung der Zusicherung, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach Abgabe der Zusicherung derart geändert hat, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen (§ 38 Abs. 3 VwVfG). Diese spezialgesetzliche Regelung, die ebenso wie § 60 VwVfG und § 313 BGB Ausdruck des Rechtsgrundsatzes der „clausula rebus sic stantibus“[358] ist, ist gegenüber § 38 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG vorrangig.[359] Die ursprüngliche Sach- oder Rechtslage muss Geschäftsgrundlage der Zusicherung geworden sein, und die Änderung darf erst nach Erteilung der Zusicherung eingetreten sein.[360] Liegt keine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage vor, sondern hatte die Behörde im Zeitpunkt der Erteilung der Zusicherung lediglich keine hinreichende Kenntnis der Sachlage oder hat sie sich über die Sach- oder Rechtslage geirrt, entfällt die Bindungswirkung nicht gem. § 38 Abs. 3 VwVfG, sondern allenfalls durch Aufhebung der Zusicherung gem. § 38 Abs. 2 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG.[361]
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Ob die Behörde die Zusicherung bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht gegeben hätte (§ 38 Abs. 3 Alt. 1 VwVfG), verlangt eine hypothetische Betrachtung, mit der regelmäßig eine Rechtsunsicherheit einhergeht.[362] Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es darauf an, „ob bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Rechtssätze, deren Vollzug oder Wahrung der zugesicherte Verwaltungsakt dient, zu erwarten wäre, dass die Zusicherung auch in Ansehung der veränderten Umstände erneut gegeben worden wäre“[363]. Das Risiko verbleibender Unsicherheiten geht zu Lasten der Behörde, so dass im Zweifel nicht von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 38 Abs. 3 Alt. 1 VwVfG auszugehen ist.[364] Die Änderung der Sach- oder Rechtslage muss kausal für die hypothetische Versagung der Zusicherung sein; deshalb kommt § 38 Abs. 3 Alt. 1 VwVfG nicht zur Anwendung, wenn die Zusicherung vorbeugend mit Blick auf eine erwartete Änderung der Sach- oder Rechtslage erteilt wurde und diese Änderung so auch eingetreten ist.[365]
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Einfacher festzustellen ist der Wegfall der Geschäftsgrundlage im Fall des § 38 Abs. 3 Alt. 2 VwVfG, wenn also die Behörde die Zusicherung bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Hier bedarf es keiner hypothetischen Prüfung aus verobjektivierter Behördensicht, sondern lediglich der Prüfung, ob die erteilte Zusicherung noch mit dem geltenden Recht in Einklang steht.[366] § 38 Abs. 3 Alt. 2 VwVfG regelt damit den Fall der rechtswidrig gewordenen Zusicherung. Kein Wegfall der Geschäftsgrundlage, sondern der Rücknehmbarkeit der Zusicherung gem. § 38 Abs. 2 i.V.m. § 48 VwVfG liegt deshalb dann vor, wenn die Zusicherung von Anfang an rechtswidrig war.[367] Etwas anderes gilt dann, wenn eine von Anfang an rechtswidrige Zusicherung infolge einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage aus einem zusätzlichen Grund mit der Rechtslage nicht mehr in Einklang steht. In diesem Fall ist die Zusicherung nicht unter den Voraussetzungen des § 48 VwVfG aufzuheben, sondern es entfällt kraft Gesetzes die Bindungswirkung gem. § 38 Abs. 3 Alt. 2 VwVfG. Denn der Begünstigte einer von Anfang an rechtswidrigen und durch die nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage aus einem weiteren Grund rechtswidrigen Zusicherung kann nicht besser stehen als der Begünstigte einer im Zeitpunkt ihrer Erteilung rechtmäßigen Zusicherung.
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Kein Fall des § 38 Abs. 3 Alt. 2 VwVfG, sondern der Rücknehmbarkeit gem. § 38 Abs. 2 i.V.m. § 48 VwVfG liegt vor, wenn die Zusicherung die eingetretene Änderung der Sach- oder Rechtslage antizipiert, hierfür aber eine rechtswidrige Regelung in Aussicht stellt.
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Die Bindungswirkung entfällt kraft Gesetzes (vgl. § 38 Abs. 3 VwVfG); einer Aufhebung der Zusicherung bedarf es nicht,[368] wenngleich eine behördliche Mitteilung über den Wegfall der Bindungswirkung mit Blick auf das zuvor geschaffene Vertrauen zweckmäßig sein kann.[369]