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13. Begründung des Verwaltungsakts
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Begründungspflicht. Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit einer Begründung zu versehen. Für mündlich oder in anderer Weise erlassene Verwaltungsakte (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) gilt die Begründungspflicht hingegen von vornherein nicht.
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Von der für schriftliche oder elektronische sowie schriftlich oder elektronisch bestätigte Verwaltungsakte grundsätzlich bestehenden Begründungspflicht sieht § 39 Abs. 2 VwVfG Ausnahmen vor. Die dort enumerativ aufgeführten Ausnahmetatbestände sind abschließend, nicht analogiefähig und eng auszulegen.[375] Ob die Behörde im Falle des Vorliegens eines der in § 39 Abs. 2 VwVfG genannten Fälle von der Begründung des Verwaltungsakts absieht, liegt in ihrem Ermessen.[376]
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Begründungsanforderungen. Zu einer ordnungsgemäßen Begründung gehört gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG die Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben.[377] Welche Gründe „wesentlich“ sind, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Begründung im Einzelfall ihre Zwecke erfüllt. Diese sind u.a.[378] die Legitimationsfunktion (Akzeptanz durch Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsgründe) und die Rechtsschutzfunktion (Abschätzbarkeit der Notwendigkeit und Erfolgsaussichten von Rechtsbehelfen).[379]
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Der Bescheid muss in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachvollziehbar sein. Zur Begründung gehören deshalb die Angabe der Rechtsgrundlage sowie eine fallangemessene Würdigung des konkreten Sachverhalts. Dabei muss die Behörde nicht generell auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal der Rechtsgrundlage eingehen. Sie hat nicht die Pflicht zur erschöpfenden, gewissermaßen gutachterlichen Auseinandersetzung mit allen sich anlässlich des Erlasses des Verwaltungsakts ergebenden Sach- und Rechtsfragen.[380] Sie muss aber die tragenden Gründe ihrer Entscheidung mitteilen[381] und dabei alle wesentlichen, substantiiert erhobenen Einwände des Betroffenen erörtern. Die Bezugnahme auf die Begründung eines anderen, dem Adressaten bekannten Bescheides kann zulässig sein.[382]
Beispiel:
Die Begründung sanierungsrechtlicher Abgabenbescheide (vgl. § 154 BauGB) muss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich nicht alle Schritte der Ermittlung und Bewertung sanierungsrechtlicher Abgaben in einem detaillierten Abschlussbericht erörterten, sondern es genügt die Mitteilung der Eckdaten. Einer detaillierteren Begründung in Gestalt einer zusammenfassenden Dokumentation bedarf es ausnahmsweise nur dann, wenn die Ermittlung und Bewertung im konkreten Einzelfall allein durch die Mitteilung der Eckdaten nicht nachvollziehbar ist.[383]
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Trifft die Behörde eine Ermessensentscheidung (vgl. § 40 VwVfG), soll die Begründung gem. § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Da es sich um eine „Soll-Regelung“ handelt, darf nur in atypisch gelagerten Fällen von der Mitteilung der Ermessenserwägungen abgesehen werden.[384] Anders verhält es sich dann, wenn die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtsgrundlage der Behörde ein intendiertes Ermessen einräumt, das Gesetz also „für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht“[385]. In diesem Fall besteht keine Pflicht zu einer „das Selbstverständliche darstellenden Begründung“, weshalb die Ermessensausübung nur dann begründet werden muss, „wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände des Falles bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen“.[386] Dies gilt auch bei den sog. Soll-Vorschriften.[387]
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Fehlerfolgen. Eine nicht den Anforderungen des § 39 Abs. 1 VwVfG genügende Begründung hat die formelle Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zur Folge. Die Begründung kann gem. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Wird sie nicht nachgeholt, richtet sich der Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts nach § 46 VwVfG.
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Bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Darlegung der Ermessenserwägungen (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG) ist zu beachten, dass dieser Mangel nicht nur zur formellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führt. Er kann darüber hinaus die Feststellung der materiellen Rechtswidrigkeit wegen eines Ermessensfehlers (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) zur Folge haben. Ob die Behörde im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts Ermessenserwägungen fehlerfrei angestellt, diese aber lediglich nicht hinreichend mitgeteilt hat (formelle Rechtswidrigkeit), oder ob sie ihren Ermessensspielraum bei Erlass des Verwaltungsakts verkannt oder fehlerhaft ausgeübt hat (materiell-rechtlicher Ermessensfehler), wird sich bei einer defizitären Begründung nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG regelmäßig nicht zweifelsfrei feststellen lassen. Deshalb indiziert eine Begründung, die die bei korrekter Anwendung des § 40 VwVfG anzustellenden Erwägungen nicht hinreichend nachvollziehbar wiedergibt, den materiellen, im gerichtlichen Verfahren nur noch eingeschränkt heilbaren Rechtswidrigkeitsgrund des Ermessensfehlers (vgl. § 114 Satz 2 VwGO).[388]
D. Handlungsformen und Entscheidungen im Verwaltungsverfahren › II. Der Verwaltungsakt › 14. Ermessen