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cc) Aufgabe zur Post oder elektronische Übermittlung

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Die Bekanntgabe des Verwaltungsakts durch Aufgabe eines einfachen Schreibens zur Post oder dessen elektronische Übermittlung regelt § 41 Abs. 2 VwVfG. Diese Vorschrift gilt nur für postalisch oder elektronisch übermittelte Verwaltungsakte und ist nicht analogiefähig.[456]

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Bekanntgabefiktion bzw. -vermutung. Ein schriftlich bekannt gegebener Verwaltungsakt, der im Inland[457] durch die Post übermittelt wird, gilt nach § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Für in das Ausland postalisch versandte Verwaltungsakte greift diese Regelung nicht.

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Elektronisch übermittelte Verwaltungsakte gelten gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ebenfalls am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben, und zwar auch dann, wenn sie in das Ausland übermittelt werden.

Beispiel:

Wird ein schriftlicher Bescheid am Donnerstag zur Post aufgegeben, beginnt die Drei-Tage-Frist des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG am Anfang des darauf folgenden Tages, also am Freitag (vgl. § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB). Der Bescheid gilt mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, also am Sonntag, als bekannt gegeben (vgl. § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 188 Abs. 1 BGB). § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG, wonach die Frist erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags endet, wenn das rechnerische Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, ist nicht anwendbar, weil es sich nicht um eine Frist i.S.d. § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG handelt, innerhalb deren eine bestimmte Handlung vorgenommen werden soll, sondern um einen festen Zeitpunkt und damit um einen Termin.[458]

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Die Vorschrift des § 41 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG hat einen Doppelcharakter. Sie enthält sowohl Elemente einer Bekanntgabefiktion als auch einer widerlegbaren Bekanntgabevermutung. Die gesetzliche Annahme der Bekanntgabe am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post bzw. Absendung gilt nach § 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 VwVfG nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (widerlegbare Vermutung). Nur die gesetzliche Annahme, dass der Verwaltungsakt nicht vor dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post oder der elektronischen Absendung als bekannt gegeben gilt, ist unwiderlegbar (Fiktion).[459] Die Bezeichnung des § 41 Abs. 2 VwVfG als (widerlegbare) Fiktionsregelung[460] ist deshalb unpräzise.

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Voraussetzungen. § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG setzt die Übermittlung des Verwaltungsakts durch die Post voraus. Unter den Begriff „Post“ fallen sowohl die Deutsche Post AG als auch weitere lizensierte private Postdienstleister.[461]

Beispiel:

Ein dem Empfänger lediglich durch die behördeninterne Dienstpost übermittelter Beihilfebescheid gilt nicht gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG am dritten Tag nach seiner (behördeninternen) Aufgabe (gekennzeichnet durch einen „Ab-Vermerk“) als bekannt gegeben.[462]

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Ferner setzt § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG voraus, dass die Behörde das ihr Mögliche und Zumutbare unternommen hat, damit der postalisch oder elektronisch übersandte Verwaltungsakt den Empfänger tatsächlich erreichen kann.[463] Sie muss den Bescheid dorthin versenden, wo der Adressat seinen räumlichen Lebensmittelpunkt hat; die melderechtliche Situation hat dabei lediglich Indizwirkung.[464]

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Entkräftung der Bekanntgabevermutung. Die gesetzliche Regelung des § 41 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG, dass der Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post bzw. seiner Absendung bekannt gegeben ist, gilt nicht, wenn dieser nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 VwVfG). Bestehen Zweifel darüber, ob der Verwaltungsakt überhaupt zugegangen ist bzw. ob er spätestens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post oder der elektronischen Absendung zugegangen ist, hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 VwVfG).

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Der Zweifel im Sinne dieser Bestimmung muss ein „berechtigter“ sein, weil anderenfalls die Bekanntgabevermutung leerliefe.[465] Darüber hinaus ist aber streitig, unter welchen Voraussetzungen berechtigte Zweifel am Zugang des schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts bestehen können.

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In Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, das schlichte Bestreiten des Adressaten, den Bescheid überhaupt erhalten zu haben, genüge nicht; vielmehr müsse „der Adressat sein Vorbringen nach Lage des Einzelfalls derart substantiieren, dass zumindest ernsthafte Zweifel am Zugang begründet werden“.[466] Diese Substantiierung sei aber nur dann erforderlich, wenn das Versanddatum des Bescheids z.B. durch Anbringen eines sog. „Ab-Vermerks“ auf dem zur Behördenakte genommenen Bescheidentwurf ordnungsgemäß dokumentiert sei; anderenfalls genüge ein einfaches Bestreiten des Zugangs.[467] Wenngleich auch nach dieser Auffassung an das substantiierte Bestreiten keine zu strengen Anforderungen zu stellen seien,[468] überzeugt dieser Maßstab nicht. Stattdessen ist zwischen dem Bestreiten des Zugangs an sich und dem Bestreiten des Zeitpunkts eines unstreitig erfolgten Zugangs zu unterscheiden.

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Soweit es um den Nichtzugang des Bescheids geht, genügt grundsätzlich ein einfaches Bestreiten des Zugangs.[469] Anderenfalls würde dem Adressaten ein vertiefter Vortrag negativer Tatsachen abverlangt, den er regelmäßig nicht leisten kann. Das Verlangen, der Adressat müsse vortragen, dass und auch welche Weise er in den Briefkasten geschaut und er den Bescheid nicht vorgefunden habe,[470] erhöht die Darlegungslast zum Nachteil des Betroffenen, ohne dass damit ein gesteigerter Erkenntnisgewinn einherginge („Placebo-Substantiierung“). Ausnahmsweise ist ein substantiiertes Bestreiten des Zugangs aber dann erforderlich, wenn über die korrekte Adressierung des Bescheids und dessen behördenintern dokumentierte Absendung hinaus weitere Tatsachen, wie z.B. die durch entsprechende Einlassung offenbar werdende Kenntnis des Betroffenen vom Inhalt des Bescheids, dafür sprechen, dass er ihn entgegen seinem Vorbringen tatsächlich erhalten haben könnte.[471]

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Berechtigte Zweifel am Zugang eines durch einfachen Brief übersandten Verwaltungsakts werden demgegenüber nicht schon dadurch geweckt, dass ein Dritter den Zugang beim Adressaten mit Nichtwissen bestreitet. Die Vorschrift des § 138 Abs. 4 ZPO über das Bestreiten mit Nichtwissen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Verwaltungsverfahren (§ 24 VwVfG) und verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht anwendbar. Deshalb und weil ein Dritter mangels eigener Erkenntnisse lediglich vortragen kann, dass ihm der Zugang des Bescheids unbekannt sei, bedarf es des Vorliegens „weiterer tatsächlicher Umstände, um die gesetzliche Zugangsvermutung zu erschüttern und Zweifel am Zugang zu wecken […]. Zu derartigen Umständen, die unter Berücksichtigung der Mitwirkungslasten der Beteiligten von Amts wegen zu ermitteln sind, kann neben etwaigen Anhaltspunkten aus den Akten vor allem ein Bestreiten des Zugangs durch den Adressaten selbst gehören“.[472]

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Behauptet der Empfänger, den Bescheid erst nach dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post erhalten zu haben, kann und muss er den späteren Zugang substantiiert darlegen.[473] Hierzu muss er das angebliche Zugangsdatum genau benennen und den tatsächlichen Geschehensablauf z.B. durch Vorlage des Briefumschlags mit dem Poststempel oder die glaubhafte Schilderung, wie häufig er im fraglichen Zeitraum seinen Postkasten überprüft und den Bescheid nicht vorgefunden habe, plausibilisieren.[474] Deshalb werden noch keine berechtigten Zweifel i.S.d. § 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 VwVfG geweckt, wenn sich der Empfänger lediglich nicht konkret an das angebliche Datum des Zugangs erinnern kann.[475]

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Muss die Behörde gem. § 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 VwVfG den Zugang des Verwaltungsakts oder den Zeitpunkt des Zugangs nachweisen, kann sie sich dafür aller Beweismittel nach § 26 VwVfG bedienen.[476] Allerdings dürfte der Nachweis regelmäßig schwer zu führen und daher gerade mit Blick auf das Gebot der einfachen, zweckmäßigen und zügigen Durchführung des Verwaltungsverfahrens (§ 10 Satz 2 VwVfG) eine erneute Bekanntgabe zweckmäßig sein.[477] Wird der Bescheid erneut bekannt gegeben, sollte ihn die Behörde mit Zustellurkunde zustellen (vgl. § 41 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 2 Alt. 2, § 3 VwZG). Obwohl damit höhere Kosten als bei der einfachen Bekanntgabe einhergehen, steht dem der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 6 Abs. 1 HGrG) nicht entgegen.[478] Vielmehr vermeidet der sichere Nachweis der Bekanntgabe Rechtsunsicherheiten und beugt dem zeit- und kostenaufwändigen Erfordernis weiterer Bekanntgabeversuche vor. Ebenso ist es zweckmäßig, Rechtsanwälten, die wiederholt pflichtwidrig Empfangsbekenntnisse nicht oder offensichtlich nicht unverzüglich erteilt haben (vgl. § 14 Satz 1 BORA), Bescheide nicht mehr gegen Empfangsbekenntnis (vgl. § 41 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 2, § 5 VwZG), sondern nur noch mit Zustellurkunde zuzustellen.

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