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ee) Öffentliche Bekanntgabe
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Unterschied zur öffentlichen Zustellung. Die öffentliche Bekanntgabe gem. § 41 Abs. 3 und 4 VwVfG ist von der öffentlichen Zustellung gem. § 41 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 2, § 10 VwZG zu unterscheiden. Die öffentliche Bekanntgabe hat die Wirksamkeit gegenüber jedermann zur Folge, die öffentliche Zustellung dagegen wirkt nur gegenüber dem individuellen Zustelladressaten.[487]
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Ein in der Straßenverkehrs-Ordnung spezialgesetzlich geregelter Fall der öffentlichen Bekanntgabe ist der der Bekanntgabe von Verkehrsverboten oder -geboten durch das Aufstellen von Verkehrszeichen. Sind diese „so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon ‚mit einem raschen und beiläufigen Blick‚ erfassen kann […], äußern sie nach dem so genannten Sichtbarkeitsgrundsatz ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht“.[488]
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Anordnung durch Rechtsvorschrift. Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift (wie z.B. § 74 Abs. 5 Satz 1 VwVfG, § 10 Abs. 8 Satz 1 BImSchG) zugelassen ist (§ 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG).
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Allgemeinverfügungen. Des Weiteren darf die Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG) gem. § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Bei der Auslegung des Kriteriums der „Untunlichkeit“ ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die öffentliche Bekanntgabe nur restriktiv zugelassen hat, weil der Verwaltungsakt dem Betroffenen bei dieser Art der Bekanntgabe entgegen dem Grundgedanken des § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG häufig nicht tatsächlich bekannt wird.[489] Deshalb darf die Behörde nur aus Sachgründen und nur im Ausnahmefall auf eine öffentliche Bekanntgabe zurückgreifen und die Gefahr der tatsächlichen Unkenntnis des Betroffenen in Kauf nehmen. Voraussetzung für eine rechtmäßige öffentliche Bekanntgabe ist deshalb, dass im Einzelfall „die individuelle Bekanntgabe wegen der Natur des infrage stehenden Verwaltungsakts nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, etwa weil nicht mit Sicherheit feststellbar ist, wer betroffen ist. Der Umstand allein, dass die Bekanntgabe an eine große Zahl Betroffener einen erheblichen Aufwand verursachen würde, reicht nicht aus.“[490] Sachwidrig und damit nicht durch § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG legitimiert ist z.B. auch eine erkennbar zu dem Zweck vorgenommene öffentliche Bekanntgabe, die tatsächliche Kenntnisnahme durch die Betroffenen derart zu verzögern, dass der Bescheid infolge Ablaufs von Rechtsbehelfsfristen in Bestandskraft erwächst.
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Sonderregelungen. Soweit Sonderregelungen für die Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen bestehen, wie dies etwa bei § 45 Abs. 4 StVO als bundesrechtliche Spezialvorschrift für Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen der Fall ist,[491] verdrängen diese die Bestimmungen des § 41 Abs. 3 und 4 VwVfG.[492]
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Art und Weise der öffentlichen Bekanntgabe. Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts erfolgt durch Bekanntmachung seines verfügenden Teils (§ 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG), also seines die Regelung einschließlich etwaiger Nebenbestimmungen enthaltenden Tenors; die Begründung kann, muss aber nicht bekanntgemacht werden.[493] Es ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können (§ 41 Abs. 4 Satz 2 VwVfG). Anders als bei der öffentlichen Bekanntmachung im förmlichen Verwaltungsverfahren (§ 69 Abs. 2 Satz 4 VwVfG) oder der öffentlichen Bekanntmachung eines Planfeststellungsbeschlusses (§ 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG) muss im Rahmen des § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht auch die Rechtsbehelfsbelehrung bekanntgemacht werden.[494]
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Anders als § 69 Abs. 2 Satz 4 VwVfG und § 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG konkretisiert § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG die Anforderungen an die öffentliche Bekanntgabe nicht dahingehend, dass diese durch Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt der Behörde und in örtlichen Tageszeitungen, die in dem Bereich verbreitet sind, bewirkt wird.[495] Stattdessen muss eine ortsübliche Bekanntmachung erfolgen. Was „ortsüblich“ ist, richtet sich grundsätzlich nach dem für die Behörde geltenden Landes- oder Ortsrecht oder, beim Fehlen einschlägiger Vorschriften, nach der üblichen Verwaltungspraxis.[496]
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Fraglich ist jedoch der Maßstab der Ortsüblichkeit, wenn die Behörde überregional zuständig ist und tätig wird.[497] Das Gesetz trifft keine Aussage darüber, ob es insoweit auf die Ortsüblichkeit am Behördensitz oder auf die jeweiligen, z.B. gemeinde- oder bezirksspezifischen Vorgaben innerhalb ihres überregionalen Zuständigkeitsbereichs ankommt oder ob sogar auf den vermuteten Aufenthaltsort der Adressaten abzustellen ist. Auf die verschiedenen lokalen Vorgaben innerhalb ihres überregionalen Zuständigkeitsbereichs oder des vermuteten Aufenthaltsortes des Adressaten abzustellen, wird für die Erlassbehörde regelmäßig kaum leistbar sein. Aus Gründen der Verwaltungseffizienz (vgl. § 10 Satz 2 VwVfG) spricht Überwiegendes dafür, für die Ortsüblichkeit i.S.d. § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG auch hier allein auf das Ortsrecht, das für die den Verwaltungsakt erlassende Behörde gilt, bzw. auf die jeweils übliche Verwaltungspraxis dieser Behörde abzustellen.[498] Die – bei Allgemeinverfügungen wegen der Befugnis der Behörde zum Absehen von einer vorherigen Anhörung (§ 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) gesteigerte – Gefahr, dass der Verwaltungsakt dem Betroffenen nicht tatsächlich bekannt wird und er dadurch einen Rechtsverlust erleidet, kann und sollte die Behörde dadurch verringern, dass sie den Verwaltungsakt unabhängig von einer möglicherweise aus § 27a Abs. 1 Satz 1 VwVfG fließenden Rechtspflicht[499] zusätzlich zur ortsüblichen Bekanntmachung im Internet veröffentlicht.
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Bekanntgabefiktion. Vorbehaltlich des § 41 Abs. 4 Satz 4 VwVfG gilt der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben (§ 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG).[500] Die Fristberechnung richtet sich, weil es sich bei der ortsüblichen Bekanntmachung um ein Ereignis handelt, nach § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB.