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dd) Bekanntgabe an Personenmehrheiten
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Werden Verwaltungsakte durch förmliche Zustellung gem. § 41 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 2, § 3 VwZG bekannt gegeben, muss jeder einzelne Adressat auch dann eine für ihn bestimmte Ausfertigung erhalten, wenn die an verschiedene Personen gerichteten Verwaltungsakte in einem Bescheid zusammengefasst sind (sog. zusammengefasster Bescheid).[435]
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Ob dies für die einfache Bekanntgabe an eine Personenmehrheit ebenfalls gilt, ist umstritten. Wird ein Verwaltungsakt einer Personenmehrheit einfach bekannt gegeben, besteht kein Anlass, andere Anforderungen zu stellen als an die Individualbekanntgabe. Mithin muss die Behörde hinsichtlich jedes einzelnen Adressaten den erforderlichen Bekanntgabewillen haben und muss der Bescheid dergestalt in den Machtbereich jedes einzelnen Adressaten gelangt sein, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen vom Inhalt des Bescheids Kenntnis nehmen konnte.[436] Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn jedem Betroffenen eine für ihn bestimmte Ausfertigung des Bescheids zugeht.
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Der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auffassung, für eine wirksame Bekanntgabe komme es nicht darauf, dass jeder Adressat in den Besitz einer Bescheidausfertigung gelange,[437] ist insoweit zu folgen, als nicht jeder Adressat eine individuelle Ausfertigung erhalten muss. Es genügt die Übermittlung einer einzigen Ausfertigung unter der Voraussetzung, dass die Behörde den Bescheid erkennbar jedem einzelnen Betroffenen bekannt geben wollte und die Adressaten zweifelsfrei Mitbesitz (vgl. § 866 BGB) an dem Schriftstück erlangt haben, wodurch jeder die für die Kenntnisnahmemöglichkeit erforderliche Verfügungsgewalt erlangt hat.[438] Davon ist auszugehen, wenn die Betroffenen mit der Übersendung nur einer Bescheidausfertigung ausdrücklich einverstanden sind oder nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zweifelsfrei die Begründung von Mitbesitz erwartet werden darf; dies wird regelmäßig nur bei Familien mit gemeinsamer Wohnanschrift anzunehmen sein.[439]
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Soweit die Auffassung vertreten wird, die Übersendung nur einer Bescheidausfertigung bewirke bei Personenmehrheiten generell keine wirksame Bekanntgabe des Verwaltungsakts, wird zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Übermittlung eines zusammengefassten Bescheids in einer einzigen Ausfertigung im Streitfall die tatsächliche Gelegenheit zur Kenntnisnahme nur schwer nachzuweisen sein wird.[440] Dies ändert aber nichts daran, dass bei Vorliegen der o.g. Voraussetzungen die Behörde unter gewöhnlichen Umständen von einer Kenntnisnahmemöglichkeit aller Betroffenen ausgehen darf. Der Umstand, dass sie im Fall eines substantiierten Bestreitens des Zugangs gem. § 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 VwVfG die Last des Zugangsnachweises trägt, steht nicht der rechtlichen Zulässigkeit, sondern allenfalls der Praktikabilität entgegen.
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Von der wirksamen Bekanntgabe eines zusammengefassten Bescheids an eine Personenmehrheit gem. § 41 VwVfG ist die Bestimmtheit des Verwaltungsakts hinsichtlich seiner Adressaten (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG) zu unterscheiden. Lässt sich der Adressat oder der Adressatenkreis weder aus dem Adressfeld noch aus der Anrede, aus dem verfügenden Teil oder aus der Begründung des Bescheids – ggf. durch Auslegung – hinreichend verlässlich entnehmen, ist der Verwaltungsakt wegen inhaltlicher Unbestimmtheit rechtswidrig, unter Umständen sogar nichtig.[441]