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Kapitel 10
ОглавлениеEs gibt Typen in unserer Welt, die auch 30 Jahre Knast nicht auf den geraden Weg bringen können. So ein Mensch ist Franz Graumann. 1980 bekam der damals junge Franz Graumann 30 Jahre Zuchthaus aufgebrummt. Heute, mit 48 Jahre, steht er nun vollkommen mittellos vor der Zuchthaustür in Hamburg. Der Staatsanwalt Manfred Bruns aus Hamburg hat mich, auf Empfehlung von Staatsanwalt Köhler aus Lübeck, angerufen, mit der Bitte, mich um den Mann Franz Graumann zu kümmern. Der Staatsanwalt hat die Vermutung, dass Graumann, kaum draußen, wieder eine Straftat vorhat. Bevor ich solch einen Fall annehme, müssen Fakten auf den Tisch. Ich muss den Menschen, den ich beschatten soll, kennen wie mich selbst. Also: Akteneinsicht. Vollkommene Freiheit im Zuchthaus. Lebenslauf von Graumann. Termin seiner Freilassung. Ich muss denken wie er, ich muss handeln wie er. Ich muss fast sagen, ich muss leben wie er.
Franz Graumann wird 1962 in Stellingen (Hamburg) in der Kellerstraße geboren. Sein Elternhaus kann besser nicht sein. Sein Vater, Anton Graumann, ein Banker wie ein Preuße. Seine Mutter Elfriede ist Lehrerin an der Mittelschule. Was aber ihr Spross für Kummer und Sorgen macht, durchläuft sein Leben bis heute. Seinen Spitznamen, der Boxer, hat er schon als kleiner Schüler erhalten. Er war immer ein Raufbold und ein Einzelgänger. Na klar, wie kann so ein Junge Freunde haben. Freund wollte Franz Graumann auch nicht haben. Aber, Franz ist ein guter Schüler. Nach seinem Abitur ist für Vater Anton eine Lehre in der Bank, wo auch er sein Brot verdient, logisch. Seine Figur sportlich, elegant sein Aussehen. Die Frauen, ob in der Bank oder auf der Straße, sie kennen alle seine Vorzüge. Eben dieses Leben möchte Franz noch auf einer anderen Ebene leben. Sein Gedankengang geht schon im ersten Jahr seiner Lehre dahin: Ich sitz doch an der Quelle, warum soll ich die Bank nicht um Millionen erleichtern?
Die Banker „heute“ machen das natürlich auch. Aber so geschickt, dass sie noch mit „Boni“ belohnt werden. Was für eine verrückte Welt. Als Franz Graumann aber seine Aktion in die Tat umsetzen will, wird er von einem Kollegen gestört. Ein Faustschlag von Franz reicht und der Mann liegt im Sterben. Er kann aber der Polizei noch den Namen Franz Graumann nennen. Also ist das Zuchthaus für die nächsten 30 Jahre sein zu Hause. Sein Spitzname „Der Boxer“ ist im Knast sehr schnell in aller Munde. Knast-Insassen, die nun versuche diesen Schönling ins Bett zu bekommen, machen sehr schnell mit seinen Fäusten Bekanntschaft. Im Knast versteht er es sehr gut, nur leichte Arbeiten zu verrichten. Sport, an erster Stelle das Boxen, erfüllt seine Tage.
Sein Benehmen ist vorbildlich. Er hatte immer gehofft, die 30 Jahre nicht absitzen zu müssen. Den Plan, ein schönes Leben zu führen, hat Franz Graumann nicht aufgegeben. „Wenn ich frei bin, werde ich da anfangen, wo ich aufgehört habe. Aber diesmal mache ich es besser.“ Für Franz kommen nur zwei Dinge in Frage: Bankraub oder Entführung mit Lösegeld. Aber nur „Solo“. Nur der Mann hat einen übersehen, „mich“. Nun ja, Franz Graumann kann ja auch nicht wissen, dass der Staatsanwalt einen Mann auf seine Fersen setzt, den er nicht loswerden kann. Meine Masche: „Der Blinde mit dem Blindenhund“, wie in Lübeck, hat mir sehr gefallen und sie war sehr erfolgreich. Warum sollen wir die Rolle nicht auch hier spielen.
Es ist ein Montagmorgen im August, der Tag kann schön werden. Franz Graumann steht vor dem großen Tor in Freiheit. Seinen kleinen Koffer an der Seite, schaut er zur anderen Straßenseite. Ei, Taxi, ein Blinder mit seinem Hund, aber sonst niemand. Wer soll diesen Mann schon abholen? Freunde? Seine Eltern? Nein. Freunde hat Franz Graumann nie gehabt. Seine Eltern, Franz hat am Anfang zwar einige Briefe nach Hause geschrieben, aber der Preuße Anton Graumann hat seiner Frau verboten, die Briefe anzunehmen. „Wir haben keinen Sohn mehr.“ Also hat Franz auch kein zu Hause mehr.
Wie der Typ da über die Straße zum Taxi kommt, eine tolle Erscheinung. Dieser Mann wird so mancher Witwe das Konto erleichtern. „Ist das Taxi frei?“ „Nein“, antwortet der Fahrer. „Doch“, antworte ich. „Bringen sie den Mann wohin er will und kommen dann zurück. Ich warte noch auf einen Freund, der als Besucher dort ist.“ Ich vermeide das Wort „Zuchthaus“. “Danke“, sehr höflich und mit sehr guten Manieren fährt Franz in die Freiheit. Der Wagen kommt zurück. „Fahren sie mich bitte in die gleiche Straße wie den Gast vorher.“ Die Rolle des Blinden spiele ich weiter. Die Fahrt geht nach Wandsbeck in die Ahrensburger Straße. „Wo haben sie den Fahrgast abgesetzt?“ „In der Nummer zwei.“ „Gut, bleiben sie hier stehen.“ Gegenüber im Haus Nummer eins habe ich Glück, eine Zweizimmer Wohnung ist frei. Die Arbeit eines Kripobeamten oder eines Privat-Detektivs heißt beobachten, warten und dann zuschlagen. Das ist jetzt auch unser Los.
Eines ist schon mal klar, der Mann da drüben braucht erst einmal Geld. Franz Graumann liegt angezogen auf seinem Bett. Im Halbschlaf holt ihn der Boxhieb an seinen Kollegen wieder ein. Wie von einer Schlange gebissen springt er schweißnass aus dem Bett. Dieser Traum verfolgt den Mann nun schon 30 Jahre. So schlecht und abgebrüht, wie er immer tut, kann er also nicht sein. Es ist um die Mittagszeit an diesem Augusttag. Franz Graumann eilt zum Fenster, um es zu öffnen. Nanu, da ist doch wieder dieser Blind mit seinem Hund. Ist das Zufall? Ach was, es gibt ja nicht nur einen Blinden. Franz geht zum nächsten Laden, kauft sich eine Flasche Korn, zwei belegte Brötchen und ist wieder in seiner Wohnung verschwunden. Die halbe Flasche Korn und die zwei belegten Brötchen in sich, schläft der Mann ein. Erst am Abend können wir den Mann wiedersehen.
Er lässt sich zur Reeperbahn fahren. Nun könnte man vermuten, er sucht nach alten Knastbrüdern. Nein, Franz Graumann nicht. Er war immer ein Einzelgänger und wird es auch bleiben. Wenn der Mann etwas vorhat, dann macht er das allein. Er sucht sich ein junges schönes Mädchen, das er bezahlen muss und fährt mit ihr zurück in die Wohnung. Das junge schöne Mädchen ist aber nicht nur ein Mädchen von der Straße. Der sportliche Typ Franz Graumann ist genau der Mann, den sie schon lange sucht. Wie der Mann mit seinen 48 Jahren im Bett nach Gold sucht, das hat das Mädchen mit ihren 19 Jahren sofort erkannt. Der Mann kommt aus dem Zuchthaus.
Elke Bruns ist die Tochter von der großen Reederei Bruns in Hamburg. Nach zwei Stunden Sex nach allen Regeln, die der Sex zu bieten hat, will Franz das schöne Mädchen bezahlen und ein Taxi für sie rufen. „Nein mein Freund, kein Geld und auch kein Taxi, ich möchte bei dir bleiben.“ „Soll ich etwa dein Zuhälter werden?“ „Nein mein Lieber. Jetzt werden wir erst einmal schlafen. Morgen früh beim Frühstück wirst du meine Pläne hören.“ Die Nacht mit einem so schönen Mädchen im Arm zu schlafen, damit hätte Franz Graumann nie gerechnet. Am Morgen, das schöne Mädchen hat sich schon um das Frühstück gekümmert. Sie springt fast nackt in der Wohnung herum. 30 Jahre nur mit Knastbrüdern seine vielen Tage und Nächte verbringen und nun das! Soviel Glück kann er kaum fassen. Es kommt für ihn noch besser. Das schöne Kind setzt sich ohne Höschen auf seinen Schoß. Sein Liebesspender, natürlich auf 100%, verschwindet wieder in seine Garage. Zum Frühstück kommen sie nicht, sie machen im Bett weiter. Ihre Liebesspiele hören erst am Mittag auf. „Mein lieber Franz, du machst ja aus mir zwei Frauen. Zum ersten Mal weiß ich, was Orgasmen sind. Aber meine Garage braucht eine Pause.“ Drei Tage und drei Nächte haben die Beiden das Bett nicht verlassen. Nun ja, 30 Jahre auf eine Frau zu verzichten ist ja auch nicht einfach. Es sei denn, der Mann ist auf einem anderen „Ufer“ zu Hause.
Na endlich, ich kann die beiden auf der Straße wiedersehen. Ihr Weg führt zum Supermarkt und zur Post. Zwischen durch ruft mich Staatsanwalt Bruns an. „Na lieber Freund, was macht unser gemeinsamer Kunde?“ „Ich kann nur Gutes berichten. Zurzeit holt der Mann das nach, worauf er 30 Jahre verzichten musste.“ Dass die schöne junge Frau die Schwester vom Staatsanwalt ist, kann ja noch keiner wissen. Elke Bruns und Franz Graumann sitzen beim Frühstück. Die junge Frau fängt als Erste die Unterhaltung an. Auf so einen wie Franz hat sie schon lange gewartet. „Hör zu, mein Lieber, wir müssen uns Gedanken machen, wie wir zu Geld kommen. Punkt eins, ich habe mich in dich verliebt. Punkt zwei, ich möchte nicht wieder auf die Straße gehen.“ „Kann ich verstehen“, murmelt Franz. „Aber wer gibt mir schon Arbeit, einem Zuchthäusler.“ „Brauchen wir auch nicht“, sagt Elke. „Ich bin Elke Bruns, die Tochter vom reichen Reeder Bruns.“ „Und dann gehst du auf die Straße? Verstehe ich nicht!“
„Ach, das ist eine lange Geschichte. Wenn wir am Meer in der Sonne sitzen werde ich dir mein Leben erzählen. Jetzt aber werden wir Beide meinem Vater, den reichen Reeder erst einmal auf die Pelle rücken.“ „Und wie soll das geschehen, meine Liebe?“ „Ganz einfach. Wir täuschen eine Entführung seiner Tochter vor und verlangen 10 Millionen Euro Lösegeld.“ „Und du glaubst, dein Vater zahlt?“ „Ja, mein lieber Franz, mein Vater wird zahlen“. „Bist du dir da so sicher?“ „Ja, wie das Amen in der Kirche.“
Die Rechnung ist aber nicht aufgegangen. Als der Erpresserbrief bei Bruns Senior einging, hat er sofort Bruns Junior angerufen. Der alte Mann hat sofort zum Staatsanwalt gesagt: „Da steckt deine Schwester mit drin. Bitte kümmre dich um die Sache.“ Bruder Manfred Bruns, der natürlich weiß was seine Schwester macht, versucht im „Viertel“ seine Schwester zu finden. Andere Schwalben berichten dem Staatsanwalt, dass seine Schwester schon gut acht Tage nicht mehr gesehen wurde. Die Beschreibung des letzten Freiers trifft auf Franz Graumann zu. Die Falle hat das Opfer gefangen, in diesem Fall Beide.
Elke steht am Fenster und schaut auf die Straße. „Nanu, da drüben geht mein Bruder in das Haus.“ Franz Graumann eilt zum Fenster. „Du siehst schon Gespenster, wo keine sind.“ „Wird wohl so sein.“ Staatsanwalt Manfred Bruns kommt in meine Wohnung. „Nach ihrem Gesicht zu urteilen, kommt gleich ein Unwetter.“ „Sie haben Recht, Thomas Franz.“ Manfred legt den Erpresserbrief und ein Bild seiner Schwester mit auf den Tisch. „Denke ich richtig, da drüben finden wir meine Schwester und Franz Graumann.“ „Ja, sie haben Recht. Sie sind Beide in der Wohnung.“ „Der Plan zur Erpressung kommt mit Sicherheit von meiner Schwester.“ Wir sitzen uns gegenüber am Tisch. „Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: Die Polizei rufen, Beide verhaften und zwei Leben zerstören. Noch dazu einen guten Staatsanwalt ins schlechte Licht rücken. Was die Medien mit ihnen machen, kann ich mir so richtig vorstellen. Die andere Möglichkeit: Sie fahren jetzt ins Büro und wissen von Nichts. Ich gehe da rüber und werde die Schieflage nach meinen Regeln lösen. Haben sie vertrauen zu mir, ich weiß was ich mache.“
Vor der Haustür trennen sich unsere Wege. Der Staatsanwalt fährt ins Büro und ich betrete mit meinem Freund Ajax das gegenüber liegende Haus. Die Beiden haben uns vom Fenster aus beobachtet. „Das war also doch mein Bruder. Du musst wissen, mein Bruder ist Staatsanwalt hier in Hamburg.“ Weiter kommen die Beiden mit ihrem Gespräch nicht. Mein Hund und ich stehen schon in der Wohnung, warum erst anklopfen. Franz Graumann fängt als Erster an zu reden. „Sie sind doch als Blinder aufgetreten.“ „Genau, Herr Graumann. Ihr Bruder hat mich beauftragt, sie zu beschatten. Na, Frau Bruns, hat ihr Bruder nicht recht gehabt.“ Der Erpresserbrief und das Bild von ihr liegen nun auf dem Tisch. „Wer sind sie eigentlich?“, fragt die schöne junge Frau.
„Ich bin Privat-Detektiv Thomas Franz aus Hannover. Um es kurz zu machen. Ihr Bruder, ihr Vater und auch ich wollen diese Sache nicht an die große Glocke hängen. Der Schaden wird für euch zu groß sein“. „Sie vergessen den Schaden, den mein Bruder hätte.“ „Halt“, sagt nun Franz Graumann. „Elke halt mal die Luft an. Dein Bruder, Herr Franz und dein Vater werfen uns hier den Rettungsring entgegen. Wenn wir den nicht auffangen, gehen wir für Jahre in den Knast.“ Ich gehe noch weiter, ich eröffne eine Pokerrunde mit sehr gewagtem Einsatz. Meine Fragen an die Beiden: „Wollt ihr in eure Familien zurück? Wollt ihr ein Ehepaar in der Gesellschaft werden?“ Elke nimmt beide Hände von Franz: „Ich will.“ „Ich auch.“ Gut, ihr Beiden, dann werde ich die Runde weiterspielen und zum guten Ende bringen. Bleibt noch in dieser Wohnung, bis ich wiederkomme. “Mein erster Weg mit Ajax führt zum Staatsanwalt. Wir Drei dann zum Reeder Bruns. Dann drei Männer und ein Hund machen einen Besuch bei den alten Eltern von Franz Graumann. Die Beiden haben die 90 schon überschritten, stehen aber noch gut im Leben. Die Pokerrunde läuft gut. Die Villa von Reeder Bruns hat ein großes Fest zu verkraften. Die gewagte Pokerrunde hat ein gutes Ende gefunden. Die Detektei Franz hat wieder neue Freunde gewonnen. Es ist immer ein gutes Gefühl, wenn man mit der Gewissheit nach Hause fährt, eine Aufgabe gut gelöst zu haben. Auf meine beiden Freunde im Büro ist natürlich auch Verlass. Aber eines Tages muss ich für das Büro eine Kraft einstellen.