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Kapitel 7
ОглавлениеVor mir, an meinem großen Schreibtisch, sitzt ein junges Ehepaar aus Amerika. Warum ich einen so großen Schreibtisch habe, frage ich mich schon öfter. Ich wollte bestimmt mit dem großen Möbelstück Eindruck hinterlassen. Wenn ich aber meine Erfolge betrachte, ist das nicht nötig. Aber nun ja, ersteht nun einmal da. Der junge Mann stellt sich als Felix Blumenauer vor. Mein Freund Ajax liegt zufrieden in seinem Korb. Er hebt nur kurz seinen Kopf und zeigt uns, ich bin auch noch da. Der junge Mann fängt an, mir seine Geschichte zu erzählen. „Das Bankhaus Blumenauer wurde in Köln 1642 gegründet. Mein Vater war 1942 die fünfte Generation. Wir hatten Filialen in Hamburg, Frankfurt und München. Wir Juden waren ja seit ewigen Zeiten das ge- und vertriebene Volk. Das geht los in Judäa 538 vor der neuen Zeitrechnung. Also in Deutschland schon zur Römerzeit 381 in Köln. Aber ich will langsam zum Kern meiner, nein ich muss sagen, unserer Geschichte kommen.“
„Als Hitler und seine Schergen 1933 in Deutschland die Macht übernehmen, bricht über uns Juden ein Orkan aus. Das Licht für uns Juden wird abgeschaltet. Die Deutschen, abgesehen von ein paar Wenigen, sehen weg. Sie wollen damit nichts zu tun haben. Freunde werden verleugnet. Wir Juden werden rassistisch als minderwertig eingestuft und als Staatsfeinde betrachtet.“
Zwei Ereignisse: Am 9. und 10. November 1938 die „Kristallnacht“ und am 31. Juli 1941 der Befehl von Hitler an alle Einsatztruppen der SS und SA. In einer Kommandosache unter dem Schlächter Eichmann werden alle Juden, die noch in Europa sind, in Konzentrationslager verbracht und wie in einer Villa in Berlin ausgedacht, ist die Endlösung der Juden herbei zu führen. Wie die Endlösung für sechs Millionen Männer, Frauen und Kinder abgelaufen ist, wissen wir ja zur Genüge.
„Mein Großvater seine Familie, mein Vater seine Familie, ein Onkel mit seiner Familie und eine Tante mit ihrer Familie, alle sind in der Bank beschäftigt als Teilhaber. Der Deutsche Fritz Heinrich mit seiner Frau, die Heinrichs hatten in unserer Bank schon in der zweiten Generation Prokura, also auch Fritz Heinrich. Die Familien sitzen am großen Esstisch und bereiten unter Beisein eines Notars, der auch Jude ist aber ohne Familie, zwei Verträge aus. In dem ersten Vertrag verkauft die Familie Blumenauer die Bank für eine Reichsmark an Fritz Heinrich. Der zweite Vertrag aber sagt: Wenn der Spuk, also der Krieg, zu Ende ist, verkauft Fritz Heinrich die Bank für eine Reichsmark an die Familie Blumenauer zurück. Der junge Herr Blumenauer, der nun nach Gesetz und Ordnung der rechtmäßige Eigentümer der Bank wieder ist, legt mir beide Verträge auf den Schreibtisch. Ich muss aber“, so der junge Mann, „die Geschichte, wie sie damals gelaufen ist, erst noch zu Ende berichten.“
„Der Sonntag im Juli 1942. Achtzehn Menschen sitzen im großen Speisezimmer und handeln diesen Deal aus. Kein Zeuge oder eine andere Person waren noch im Raum. Im Hof stehen drei Mercedes zur Abfahrt bereit. Fünfzehn Personen sprechen und notieren ihr Reiseziel. Mein Vater macht noch einen Abstecher nach Holland zu einem Freund, hält es aber geheim. Heinrich und Frau bekommen den Abstecher meines Vaters nicht mit. Die Absprache der Familie war: Wir fahren auf Schleichwegen in die Schweiz und dann weiter nach Amerika, wo wir genug Freunde haben. Nur“, Herr Franz, „in Amerika kam 1942 nur mein Vater an, sonst keiner. Die Notiz ihrer Reise in die Schweiz lag bei den Verträgen.“ „So“, Herr Franz, „ich habe zwar Vermutungen aber keine Beweise. Die Tatsachen und Beweise müssen sie nun herausfinden.“ Der junge Mann gab mir noch seine Hotelanschrift. „Wir wollen bis zur Aufklärung dieser Angelegenheit in Deutschland bleiben.“ „Eins für sie, Herr Franz, mein Vater und auch ich wollen die Bank nicht zurück. Aber aus der Villa private Sachen, wenn sie noch da sind. Bilder, Schmuck, Briefmarken und Münzen. Und wenn sie herausfinden, was mein Vater und ich vermuten, die Härte der Gesetze für alle, die noch leben!“
Die Reise der drei PKW war genau aufgezeichnet, jeder im Auto hatte also eine Reiseroute. Köln, Euskirchen, bad Münstereifel, Brün, wenn möglich die Bundesstraße 51, Reuland, Esslingen-Sülm, Baden-Baden, Schauinsland, Breisgau. Als Treffpunkt war Lörrach vorgesehen. So und ab Lörrach beginnt unsere Arbeit. Die kleinen Orte um Lörrach sind unsere erste Heimsuchung: Brombach, Stetten, Inzingen, Höllstein, Maulburg, Haage und Binzen. Auf Befragen der älteren Einwohner, Bürgermeister, Kirchenleute, na wir kennen das ja schon: „Mein Name ist Hase, usw.“ Hier vor Ort bekomme ich noch keine Antwort. Also in die Höhle des Löwen.
Die alte Villa der Blumenauer, die jetzt die Familie Heinrich bewohnt. Fritz Heinrich lebt noch, seine Frau nicht mehr. Sein Sohn Rolf Heinrich, verheiratet und vier Kinder, leitet die Bank. Sonntagnachmittag, auch im Juli wie schon 1942, die Familie Heinrich ist gerade beim Kaffee trinken und Kuchen essen. Dunkle Wolken in Form eines Hundes und eines Mannes stören diesen schönen Sonnentag. Fritz Heinrich sitzt im Rollstuhl, Schlaganfall. Das Wort Blumenauer und das Jahr 1942 öffnen mir sofort alle Türen. Ich lege die Verträge auf den Tisch und sage mit aller Ruhe, aber mit ernsten Worten: „Ich will die Wahrheit hören und was 1942 mit den Personen geschehen ist. Ich lass euch eine Woche Zeit, dann treffen wir uns hier wieder.“ Ich wusste genau, was mich in der kommenden Woche erwartet. Fritz Heinrich hat sich erschossen. Rolf Heinrich übergibt mir ein Schreiben seines Vaters und einen gefälschten Vertrag, in dem die Blumenauer auf alles verzichten. Das Schreiben aber, man mag es nicht glauben, so aber und das ist kein Einzelfall, hat man in den Kriegswirren die Juden um ihr Hab du Gut gebracht. Und am Ende haben die Gier nach Geld und Gold, auch das Ermorden der armen Menschen, keine Hemmungen bei den Deutschen hervorgerufen. Fritz Heinrich hat die Juden an die SS und SA verraten. In der Ortschaft Haagen haben die Schergen schon gewartet. Das Grab für die 16 Personen war schon ausgehoben. Die Gebeine konnten wir sofort orten. Im Schreiben von Fritz Heinrich waren keine weiteren Namen erwähnt. Die Gebeine wurden sofort auf dem Jüdischen Friedhof in Köln beigesetzt.
Rolf Heinrich hat an all den Schweinereien, die sein Vater getan hat, keinerlei Schuld. Er ist sofort bereit, die Bank, die Villa und alles Private zu überschreiben. Der junge Blumenauer bleibt aber bei dem Verzicht. „Wir kommen nie wieder nach Deutschland zurück. Wenn sie eine kleine Schuld an uns Juden gut machen wollen, dann möchte ich sie bitten, überweisen sie jedes Jahr so lange sie leben 100.000 Dollar für arme Juden in die USA.