Читать книгу Stille Nacht, höllische Nacht - Thomas R. Behrendt - Страница 22
Оглавление00:14 h
„So, mein Schatz, gleich sind wir daheim. Dann kannst du dich endlich in dein warmes Bettchen legen.“ Renan Karabük fühlte sich mit jedem Schritt besser, der sie ihrer Wohnung näher brachte. Auch Bülent hielt sich tapfer.
„Schau' mal, da ist schon unser Haus“, sagte seine Mutter. „Da vorne, wo gerade die beiden Männer herauskommen.“
Ein junger schlanker und ein etwas älterer breitschultriger Mann stiegen in das Auto, das gegenüber vom Hauseingang geparkt war. Wahrscheinlich hatten die Nachbarn Besuch, dachte Renan und schenkte den beiden keine weitere Beachtung. Sie schloss die Haustür auf und scheuchte Bülent die Treppe hinauf.
Erst als sie ihre Wohnung betrat, wurde sie stutzig. Der Telefonhörer. Er war nicht aufgelegt. Renan erschrak. Ahmed ist zu Hause, schoss es ihr durch den Kopf.
Sie drückte Bülents Hand fester und wäre fast wieder umgekehrt. Aber dann besann sie sich rasch. Nein, nicht wieder hinaus in die Kälte, dachte sie. Ich muss mich dem Problem stellen. Ich muss mich Ahmed stellen.
Renan rief laut den Namen ihres Mannes. Keine Antwort. Vielleicht ist er eingeschlafen, dachte sie und machte vorsichtig die Schlafzimmertür auf. Doch im schwachen Schein des hereinfallenden Lichts konnte sie bereits erkennen, dass sein Bett leer war. Deshalb schloss sie die Tür wieder und warf einen Blick in die Wohnküche. Auch da kein Ahmed. Zuletzt schaute sie ins Bad. Beim Öffnen der Tür hielt sie die Luft an. Die grauenhafte Szene nach Ahmeds Selbstmordversuch kam ihr wieder in den Sinn. Aber diesmal blieb ihr ein solcher Anblick erspart. Auch das Badezimmer war leer.
„Allah ist groß“, sagte Renan laut und ließ sich erst mal erleichtert auf einen Stuhl sinken.
„Mama, was hast du?“ wunderte sich ihr Sohn.
„Alles in Ordnung, mein Schatz. Wir zwei gehen jetzt schlafen. Und morgen früh bist du wieder gesund.“
Bülent protestierte nicht. Dazu war er viel zu erschöpft. Willig ließ er sich von seiner Mutter ins Bett bringen und zudecken. Er duldete sogar widerspruchslos, dass sie ihm eine übelriechende Arznei gegen sein Fieber einflößte. Noch bevor Renan das Licht im Kinderzimmer löschen konnte, war der Kleine bereits eingenickt.
Seine Mutter wollte sich vor dem Schlafengehen noch einen Tee machen. Auf dem Weg in die Küche fiel ihr wieder der Telefonhörer auf. Er baumelte immer noch herum. Sie hatte ihn ganz vergessen. Ahmed muss hier gewesen sein, dachte sie.
In der Küche entdeckte sie ein weiteres Indiz: Die Tischschublade war herausgezogen, der Inhalt zerwühlt. Ahmed musste etwas gesucht haben. Wie schon so oft in den letzten Monaten. Aber was? Und vor allem: Wo war er jetzt?
Während sie das Teewasser aufsetzte, kam ihr eine weitere Frage in den Sinn: Wie ist Ahmed eigentlich in die Wohnung gekommen? Er hat doch gar keinen Schlüssel bei sich...
Da entdeckte sie auch noch ein Paar schwarze Lederhandschuhe auf dem Küchenschrank. Zwei große Exemplare, wie nur Männer sie tragen. Aber Ahmed besitzt keine schwarzen Lederhandschuhe. Und wenn nicht ihm, wem gehören sie dann?
Einbrecher! Es müssen Einbrecher in der Wohnung gewesen sein! Renan fielen wieder die beiden Männer vor dem Haus ein, die in das Auto eingestiegen waren. Erst jetzt erinnerte sie sich, dass einer von ihnen eine Taschenlampe in der Hand gehabt hatte. Ja, das mussten sie gewesen sein, die Einbrecher!
Was wollten sie hier? Dem ersten Anschein nach hatten sie nichts mitgehen lassen. Aber Renan wollte sich jetzt Gewissheit verschaffen. Sie rannte ins Schlafzimmer und riss den Wäscheschrank auf. Er war ebenfalls durchwühlt worden. Behutsam zwar, aber als erfahrene Hausfrau erkannte sie es trotzdem auf Anhieb. Zuoberst lag das Kuvert mit dem Bargeld, das sie im Schrank versteckt hatte. Die Einbrecher hatten es aufgerissen, doch die Scheine waren noch vollzählig. Tausend Mark. Ihr Notgroschen, von dem nicht einmal Ahmed etwas ahnte.
An Geld waren die Männer offenbar nicht interessiert gewesen, überlegte Renan. Was könnte es sonst gewesen sein? Irgendwas müssen sie doch gesucht haben...
Vielleicht hat Ahmed tatsächlich Feinde, die ihn verfolgen, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Vielleicht haben seine vermeintlichen Wahnvorstellungen doch einen realen Hintergrund. Vielleicht ist er gar nicht krank...
Renan Karabük war verwirrt. Sie wusste nur eines: Es hatte keinen Sinn, länger zu grübeln. Sie musste endlich etwas unternehmen. Am besten gleich. Sie würde die Polizei rufen!