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Araber oder ʿarab?

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Es ist denkbar und wird von den frühesten arabischen Historikern stillschweigend angenommen, dass „Gesindel“ genau das ist, was ʿarab im ältesten etymologischen Sinne bedeutet. Auch arabische Lexikografen formulierten als eine der Definitionen von ʿarab: „zusammengefügtes oder gemischtes [heterogenes Volk]“.79 In dieser Definition ist beides enthalten: sowohl die innewohnende Zerrissenheit der Gemeinschaft als auch der Versuch, sie zu einen. In der Tat finden viele altbekannte Namen von arabischen Gruppierungen ihren Ursprung in Wörtern mit der Bedeutung „verbinden, vereinen, verbünden“.80 Unter diesen Gruppen finden sich die großen südlichen Bündnisse der Hāschid (von haschada, „Menschen versammeln“) und Bakīl (bakala, „vermischen“), der Stamm des Propheten Mohammed, Quraisch (taqarrascha, „zusammenkommen, sich versammeln“) und vielleicht sogar das bedeutsame südarabische Volk, Himyar (sabäisch hmr, eine Art „Pakt, Allianz zwischen Gemeinschaften“).81 Zugegebenermaßen ist semitische Etymologie ein gefährliches Terrain, eine Wildnis von Bedeutungen, die von faszinierenden Luftspiegelungen heimgesucht wird, und es ist leicht, die Bedeutungen zu erschaffen, die man erschaffen möchte. Doch eine solche Übereinstimmung im Sinngehalt dieser Namen ist mehr als Zufall oder Laune.

Eine andere landläufige Sichtweise meint, dass ʿarab ursprünglich „Wüstenvolk, Nomaden“ bedeutete.82 Mit anderen Worten, badw, Beduinen, und ʿarab seien das Gleiche. Dies war gewiss der Fall in den frühen Inschriften, sowohl in den assyrischen als in den südarabischen. Es war gewiss auch später und bis vor Kurzem die Bedeutung: Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein wären viele der Menschen, die sich heute stolz als „Araber“ bezeichnen, nicht erfreut darüber gewesen, ʿarab, Beduinentölpel, genannt zu werden. Ob dies die ursprüngliche Bedeutung des Wortes war, ist jedoch fraglich und wird in der Tat auch oft hinterfragt. Eine weitere Bedeutung von ʿarab, „Arabischsprechende“, ist zweifellos jüngeren Datums. Einige Forscher würden sie weit zurück in die islamische Zeit datieren.83 Wie sich jedoch noch zeigen wird, begann das arabische Identitätsgefühl als ethnische Gruppierung, deren Ethnizität zum Teil auf einer gemeinsamen Sprache beruhte, viel früher.

Es gibt noch viele andere Möglichkeiten. Wenn wir verwandte Wörter betrachten, könnte ʿarab eventuell „aus dem Westen“ bedeuten84 – vermutlich „von der Halbinsel“. Aber damit noch nicht genug: Der Arabist Jan Retsö hat sich die Mühe gemacht, ausführlich alles verfügbare frühe Material durchzuschauen und ist zum Ergebnis gekommen, dass ʿarab marginale Gemeinschaften waren, die von heldenhaften Anführern geleitet wurden, in Zelten wohnten, Kultzentren beschützten, als Wahrsager und Grenzwachen Berühmtheit erlangten, und vor allem diejenigen, „die in den Dienst einer Gottheit traten und deren Sklaven oder Eigentum blieben“.85 Das mag alles sein und ist ganz sicher so gewesen. Nur ist es für eine geeignete Definition gleichzeitig zu weit und zu eng: zu weit, weil es zu viele Prämissen gibt, die ein ʿarabī erfüllen müsste, um mit Fug und Recht dazugezählt zu werden; zu eng, weil viele der Menschen, die früher als ʿarab betrachtet wurden, ganz sicher nicht hinter jedem dieser Kriterien auch ein Kreuz hätten setzen können.

Ich tendiere – aus linguistischen Gründen, die in den folgenden Abschnitten ausgeführt werden – zur ersten möglichen Bedeutung von ʿarab: Mischung oder Vereinigung. Die Ehrlichkeit gebietet aber zu sagen, dass wir den ursprünglichen Sinn des Wortes nicht kennen und vielleicht nicht kennen können. Der ägyptische Intellektuelle Taha Hussein hat es deutlicher formuliert: Wir befinden uns ob der Bedeutung „in höchster Verwirrung“.86 Was man aus den Tiefen des semantischen Brunnens hochzieht, ist meist mit Schlamm bedeckt.

Dass wir nicht einmal mit Sicherheit sagen können, was der Name ʿarab bedeutet, scheint alles in allem nicht gerade ein verheißungsvoller Anfang für das Vorhaben zu sein, eine Geschichte von Arabern zu schreiben. Vielleicht empfiehlt es sich daher, nicht in semantische Brunnen hinabzuschauen und zu fragen, wer oder was genau Araber waren, sondern stattdessen den Horizont abzusuchen und zu klären, wem sie ähnlich sahen und wie sie in die menschliche Umgebung hineinpassten. Ein sinnvoller Hinweis kommt aus Asien: „Es ist fraglich, ob der Begriff arya jemals in ethnischem Sinne gebraucht wurde“, sagt die indische Historikerin Romila Thapar über die Arier87 – und sie hätte das Gleiche über „die Araber“ sagen können, oder besser über ʿarab, kursiv und klein geschrieben. Zwischen beiden Gruppen gibt es mehr als nur eine Übereinstimmung. Beide infiltrierten einen Subkontinent, beide sind bewegliche, wandernde, plündernde Hirten (die einen haben Kühe, die anderen Kamele); beide haben Seher und Experten für Übersinnliches (risis/kāhins). Wichtig ist auch, dass beide in Abgrenzung zu denen, die ihre Sprache nicht sprechen (mleccha/ʿadscham), ein starkes sprachliches Selbstverständnis und früh eine beeindruckende mündliche Literatur entwickelten, die viele Jahrhunderte später verschriftlicht wurde (die Veden beziehungsweise die vorislamische Dichtung), beide entwickelten eine prestigeträchtige und oft kryptische Sakralsprache, die sich als die Sprache der Schriftkultur weit verbreitet (Sanskrit und Hocharabisch), aber schließlich versteinert.88

Dies sind bloß grob skizzierte Parallelen zwischen ʿarab und arya. Vergleichbare Parallelen könnten wohl auch zwischen ʿarab und vielen anderen mobilen Gruppen – nordischen, mongolischen, keltischen usw. – gezogen werden. Solche Parallelen sagen dennoch etwas über die Position von Arabern in der Menschheitsgeschichte allgemein aus. Und wichtig ist auch, dass sie die zentrale Stellung von Sprache aufzeigen, indem sie das, was ursprünglich als Kollektivnomen erscheint (arya/ʿarab) in einen Eigennamen (Arier/Araber) verwandeln. Denn um zur Idee von ʿarab als „gemischtem“ Volk zurückzukehren: Wenn nicht durch ihr Erbgut, so schienen sie mit der Zeit immer mehr durch die Sprache verbunden.

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