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Karawanenstädte
ОглавлениеWie die Sabäer und Nabatäer profitierten auch arabische Kamelnomaden von den Kontakten zur Weltwirtschaft. Während die Bewohner der Arabischen Halbinsel insgesamt durch Handel die Wirtschaftsräume des Indischen Ozeans und des Mittelmeers miteinander verbanden, wurden Araber zu den mobilen Mittelsmännern zwischen den beiden Polen des sesshaften Lebens in Arabien, den Fruchtbaren Halbmonden im Süden und Norden. Weit davon entfernt, ein Eremitenleben in der Wüste zu führen, waren auch sie mit der Außenwelt verbunden. Nicht nur werden nun die rm, Rum oder Römer, in ihren Graffiti erwähnt; auch Konflikte zwischen rm und frs, den Persern, zeichnet der safaitische Samisdat auf, außerdem Namen internationaler Persönlichkeiten – grmnqs (Germanicus), qsr (Caesar), flfs (Philippus).49
Das Interesse beruhte auf Gegenseitigkeit. Während der arabische Blick über die Halbinsel hinauswanderte, lugte man von außen begierig hinein. Die Römer sandten im Jahr 26 v. Chr. eine Expedition unter dem Präfekten Ägyptens, Aelius Gallus, bis nach Maʾrib, die dann aber scheiterte: Berichte, Arabia Felix sei ein wahres Eldorado, zerfielen buchstäblich zu Staub, als die Truppen sich tiefer in die ausgedörrte Steppe nahe der sabäischen Hauptstadt schleppten. An der Expedition nahmen auch Nabatäer teil, die schon in Eigenregie die Halbinsel überfallen und in Hegra (nun Madāʾin Sālih in Saudi-Arabien), das zu einer Art Klein-Petra wurde, Fuß gefasst hatten. Auch schon davor hatten Südaraber viel weiter nördlich ihres Lebensraums Handelskolonien betrieben, wie die Minäer in Dadan, etwas südlich von Hegra. Solche Karawanenstädte bildeten die Kulisse für den wachsenden Dialog zwischen hadar und badw, zwischen sesshaften und nomadischen Völkern.
Vielleicht am Bedeutendsten für die sich entwickelnde arabische Identität waren die Kontakte, die sich ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. zwischen den Kinda, einem Stamm von Kamelnomaden, und den südarabischen Staaten entwickelten. Anders als das rosarote Petra wurde die Karawanenstadt der Kinda, Qaryat Dhāt Kahl (das heutige Qaryat al-Fau in Saudi-Arabien), nicht von viktorianischen Dichtern besungen, und zwar nicht weil der Name nicht ins Metrum passte, sondern weil ihre Bedeutung erst viel später, in den 1970er-Jahren, deutlich wurde.50 Die Belege, wenn auch weniger augenfällig als die Monumente von Petra und Palmyra, zeigen, dass genau zu dem Zeitpunkt, da Letztere hellenisiert und romanisiert wurden, Araber in Qaryat Dhāt Kahl südarabisiert wurden. Beispielsweise wurde dort eines Mannes mit unverwechselbar arabischem Namen, Idschl ibn Saʿd al-Lāt („Kalb Sohn des Glückes von al-Lāt“), dessen Patronym sich auf die höchste weibliche Gottheit des nomadischen Nordens beruft, mit einer Grabsäule gedacht, auf der eine sabäische Inschrift sich auf eine südliche Gottheit, Athtar Scharīqān, beruft.51 Die beiden in die Säule gravierten Szenen bringen auch die Begegnung von Arabisch und Südarabisch zum Ausdruck: Unten sieht man zwei Kamele, von denen eines den Verstorbenen trägt, der einen Stab und einen Speer in der Hand hält, Werkzeuge des Viehtriebs und des Überfalls. Oben sieht man den verstorbenen Idschl auf einem Stuhl an einem Tisch schmausen – Requisiten des sesshaften Lebens. Die ʿarab-Pfadfinder und Spediteure der Wüste gaben in geselliger Runde ihr gesellschaftliches Debüt. Bald sollten sie von Randfiguren zu bedeutenden Akteuren avancieren.