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1. Planungsbefugnis
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Da Bauleitplanung ureigenster Ausdruck der gemeindlichen Selbstverwaltung (Planungshoheit) ist, bestimmt die Gemeinde ihr städtebauliches Konzept inhaltlich in eigener Verantwortung. Der Gemeinde kommt daher ein weites städtebauliches Ermessen zu. Weder die Rechtsaufsichtsbehörden noch die Verwaltungsgerichte können daher prüfen, ob das von der Gemeinde gewählte planerische Konzept die bestmögliche Lösung für die betreffende Gemeinde darstellt. Dies würde einen unzulässigen Eingriff in die gemeindliche Selbstverwaltung darstellen.[2]
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Von diesem Ansatz – weites städtebauliches Planungsermessen der Gemeinde – ausgehend, ist eine Planung nur dann nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB, wenn die Gemeinde mit ihrer Planung keine städtebauliche Konzeption verfolgt, sondern lediglich andere Ziele nicht städtebaulicher Art für den Planbeschluss maßgeblich sind.[3] Unschädlich ist es hingegen, wenn die Gemeinde neben einer städtebaulich motivierten Zielsetzung auch andere Ziele verfolgt.
Beispiel
Gegen § 1 Abs. 3 BauGB würde eine Planung eines weiteren Verkehrsweges für einen bereits wegemäßig erschlossenen Weiler verstoßen, wenn die Gemeinde mit der Planung das ausschließliche Ziel verfolgt, für die neu herzustellende Straße Erschließungsbeiträge nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, Art. 5a KAG zu verlangen, um so der finanziell klammen Lage der Gemeinde zu begegnen. Hier ist die Planung nicht städtebaulich motiviert, sondern dient ausschließlich finanziellen Interessen der Gemeinde. Anders wäre es zu beurteilen, wenn der Weiler bislang keine ausreichende wegemäßige Erschließung vorweisen kann und es Planungsziel der Gemeinde neben dem finanziellen Aspekt wäre, den Weiler mit einer ausreichend dimensionierten Straße an den Hauptort anzubinden (Erschließung im Sinne des BauGB).
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Weiter schließt § 1 Abs. 3 BauGB mit der gewählten Formulierung „sobald“ Planungen aus, deren Realisierung ohne aktuellen Anlass, noch völlig ungewiss ist (reine Zukunftsplanung).[4]
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Die Erforderlichkeit fehlt auch, wenn eine Regelung in einem Bebauungsplan nur wegen der negativen (ausschließenden) Wirkung getroffen wird (reine Negativplanung).[5] Zu beachten gilt es aber, dass es kein generelles Verbot negativer Festsetzungen gibt. Auch die Festsetzung einer freizuhaltenden Fläche ist, wie § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB belegt, nicht gleichbedeutend mit einer reinen Negativplanung. Dass der Hauptzweck einer Festsetzung die Verhinderung und der Ausschluss einzelner Nutzungen ist, macht diese Festsetzung noch nicht per se zum Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB. Entscheidend ist, dass der Festsetzung ein positiver planerischer Wille und ein planerisches Konzept zugrunde liegt. Gegen § 1 Abs. 3 BauGB verstößt die Planung nur dann, wenn die positive Festsetzung nur vorgeschoben ist, um eine andere Nutzung zu verhindern, und damit die positiv festgesetzte Nutzung nicht gewollt ist.
Beispiel
Um die Ansiedlung von Mobilfunkmasten im Gemeindegebiet auszuschließen, wird in einem Bebauungsplan eine großräumige Parkanlage (Grünfläche) ausgewiesen (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB). Die Gemeinde beabsichtigt jedoch zu keinem Zeitpunkt, diese Grünanlage herzustellen. Das Planungsziel „Schaffung einer Grünfläche“ ist hier nur vorgeschoben, um Mobilfunkeinrichtungen zu verhindern. Es liegt eine reine Negativplanung vor, da das positiv ausgewiesene Planungsziel gar nicht dem gemeindlichen Willen entspricht.
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Die Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB ist ferner nicht gegeben, wenn die Gemeinde sich nicht von städtebaulichen Motiven im Sinne von § 1 Abs. 5 und 6 BauGB leiten lässt, sondern die Planung ausschließlich im privaten Interesse einzelner Personen erfolgt (reine Gefälligkeitsplanung).[6]
Beispiel
Um seinem Freund, dem Bauunternehmer B, in Zeiten der Wirtschaftskrise zu helfen, lässt sich der erste Bürgermeister A der Gemeinde X breitschlagen, auf von B im Außenbereich erworbenen Wiesengrundstücken ein Baugebiet (Wohngebiet) auszuweisen, obwohl innerorts der Gemeinde noch ausreichend Baugrundstücke vorhanden sind, die nach Prognosen noch für den Bedarf von mindestens fünf Jahren genügen.
Schließlich ist eine Planung nicht erforderlich, wenn abzusehen ist, dass ihrer Verwirklichung unüberwindbare rechtliche Hindernisse entgegenstehen.[7] Hierbei ist beispielsweise an die Ausweisung von Grundstücken in einem Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet (§ 23 BNatSchG bzw. § 26 BNatSchG) zu denken. Praxisrelevant ist darüber hinaus die Ausweisung von Baugebieten in Überschwemmungsgebieten (Verbot in § 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG). Insoweit gilt es aber zu beachten, dass, soweit sich der Widerspruch der Bauleitplanung zu derartigen Planungen durch Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bzw. Befreiung im Einzelfall (voraussichtlich) ausräumen lässt (vgl. hierzu die Vorschriften in § 67 BNatSchG, Art. 56 BayNatSchG bzw. § 78 Abs. 2 WHG), die Vorschrift des § 1 Abs. 3 BauGB der Planung nicht entgegensteht. In derartigen Fällen ist daher zu prüfen, ob Bauleitplan und kollidierende Festsetzung fachlich in Einklang gebracht werden können. Besteht eine solche objektive Befreiungslage für den Bebauungsplan bzw. die Einzelbauvorhaben, die der Bauleitplan vorsieht, so kann dem Bauleitplan nicht die fehlende Erforderlichkeit entgegengehalten werden.
JURIQ-Klausurtipp
Gehen Sie in Gedanken in Klausuren die soeben dargestellten Fälle fehlender Erforderlichkeit nacheinander durch. Ist keine der dargestellten Fallgruppen, in denen die Rechtsprechung einen Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB annimmt, einschlägig, ist zum Grundsatz zurückzukehren, dass der Gemeinde bei der Bauleitplanung ein weites städtebauliches Ermessen zukommt, und die Beachtung von § 1 Abs. 3 BauGB festzustellen.