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III. Beachtung der Planungsziele und Planungsleitlinien in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB
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Die planerische Willensbildung der Gemeinde soll nach § 1 Abs. 7 BauGB durch eine gerechte Abwägung der von der Planung betroffenen öffentlichen und privaten Belange erfolgen. Um dieses grundsätzlich freie planerische Ermessen der Gemeinde zu steuern und zu konkretisieren, sehen § 1 Abs. 5 und Abs. 6 BauGB wesentliche Planungsziele vor. So sollen nach § 1 Abs. 5 BauGB die Bauleitpläne u.a. eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende Bodennutzung gewährleisten, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen in Einklang bringt.
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Diesen konkretisierten Aufgabenbeschreibungen als grundsätzlichen Planungszielen in § 1 Abs. 5 BauGB folgt in § 1 Abs. 6 BauGB ein Katalog der bei der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belange. Ergänzt werden diese Bestimmungen durch die in § 1a BauGB aufgeführten ergänzenden Bestimmungen zum Umweltschutz.
Die in § 1 Abs. 5 BauGB festgelegten Planungsziele werden in § 1 Abs. 6 BauGB durch zahlreiche Planungsleitlinien näher ausgestaltet und konkretisiert.[13]
Hinweis
Achten Sie an dieser Stelle besonders auf die Terminologie: Bei § 1 Abs. 6 BauGB handelt es sich um durch eine Abwägungsentscheidung grundsätzlich überwindbare Planungsleitlinien. Es handelt sich nicht um einer Abwägungsentscheidung gar nicht zugängliche Planungsgrundsätze. Wäre letzteres der Fall, wäre die Bestimmung in § 1 Abs. 7 BauGB inhaltsleer.
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§ 1 Abs. 6 BauGB enthält dabei ohne eine Wertung durch die Reihenfolge und ohne einen Vorrang eines genannten Belanges gegenüber einem anderen in zwölf Nummern eine nicht abschließende („insbesondere“) Aufzählung gewichtiger Belange, die die Gemeinde bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen hat.[14] Aufgabe der planerischen Abwägung der Gemeinde ist es, das abstrakt gleiche Gewicht der in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange im konkreten Planungsfall zu erfassen und die betroffenen Belange untereinander gerecht abzuwägen im Sinne von § 1 Abs. 7 BauGB.
JURIQ-Klausurtipp
Prägen Sie sich ein, dass der nicht abschließende Katalog der Planungsleitlinien in § 1 Abs. 6 BauGB keine Wertung und keinen Vorrang einzelner dort genannter Belange enthält. Die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange stehen grundsätzlich gleichrangig nebeneinander, was es aber nicht ausschließt, dass die Gemeinde innerhalb der konkret zu treffenden Abwägungsentscheidung einzelnen in § 1 Abs. 6 BauGB angesprochenen Belangen den Vorrang vor anderen Belangen einräumt, so dass letztere zwangsläufig zurücktreten müssen. Gerade dies ist letztlich Wesen der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB. Merken Sie sich an dieser Stelle die gedankliche Verbindung von § 1 Abs. 6 und § 1 Abs. 7 BauGB. In der Klausur ist die Beachtung der planerischen Leitlinien deshalb auch sachgerecht unter dem Gesichtspunkt der Abwägungsentscheidung in § 1 Abs. 7 BauGB anzusprechen. Die Entscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB konkretisiert die abstrakten Vorgaben für die Planung aus § 1 Abs. 5 und 6 BauGB.
Die die Planungsziele und Planungsleitlinien bezeichnenden Begriffe sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die im Rahmen der Kontrolle des Abwägungsvorgangs der Gemeinde nach § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB in ihrer Auslegung und Anwendung uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegen.[15]
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Wesentliche Aspekte in § 1 Abs. 6 BauGB sind insbesondere die Wahrung der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (Nr. 1). Dies bedeutet, dass die Gemeinde bei Ausweisung von Wohngebieten (§§ 3, 4 BauNVO) darauf zu achten hat, dass diese künftigen Wohngebäude ausreichend belüftet und belichtet werden. Auch ist darauf zu achten, dass die beabsichtigte Wohnnutzung keinen schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG ausgesetzt wird.
Daneben bestimmen § 1 Abs. 6 Nr. 7 und § 1a BauGB, dass den Belangen des Umweltschutzes, des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der zu treffenden Abwägungsentscheidung ein erhebliches Gewicht zukommt. Allerdings führt die besonders hervorgehobene Stellung der Umweltschutzbelange in §§ 1a, 2 Abs. 4, 2a S. 2 Nr. 2, 4c BauGB nicht zwangsläufig dazu, dass Umweltschutzbelangen ein absoluter Vorrang vor anderen betroffenen Belangen geschuldet ist. Auch Umweltschutzbelange sind dem Grunde nach einer abwägenden Entscheidung zugänglich und sind damit auch dem Grunde nach überwindbar.[16]
Mit der Aufnahme der Belange des Hochwasserschutzes (§ 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB) hat der Gesetzgeber auf die Flutkatastrophen der letzten Jahre reagiert, um sicherzustellen, dass entsprechende Rückhalteflächen auch im Rahmen der Bauleitplanung zur Verfügung gestellt werden.
Hinweis
Ziehen Sie an dieser Stelle eine gedankliche Verbindung zu § 78 Abs. 1 Nr. 1 WHG und § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB, wonach grundsätzlich keine Baugebiete in festgesetzten Überschwemmungsgebieten ausgewiesen werden dürfen (unüberwindbares rechtliches Hindernis).
2. Teil Kommunale Bauleitplanung › F. Materiell-rechtliche Vorgaben an die Bauleitplanung › IV. Interkommunale Abstimmungspflicht, § 2 Abs. 2 BauGB