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5.2Europäische Integration
Оглавление56Die Integration in die Gemeinschaft der Europäischen Staaten ist für die gesamte politische Entwicklung Deutschlands seit der Nachkriegszeit von größter Bedeutung. Insofern erwies es sich als vollkommen stimmig, dass die Wiedervereinigung zeitlich aufs Engste mit der qualitativ neuen Stufe der europäischen Integration zusammenfiel, die der Vertrag von Maastricht2 markiert. Er intensivierte die Europäischen Gemeinschaften zu einer Wirtschafts- und Währungsunion und ergänzte diese um weitere Felder der Zusammenarbeit, namentlich die Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Bereiche Justiz und Inneres, die allerdings auf intergouvernementaler3 Basis verblieben.
Mit dem Vertrag von Maastricht hatte die europäische Integration eine Intensität erreicht, die es geraten erscheinen ließ, die Ratifikation des Vertrages nicht mehr wie bisher auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 1 GG vorzunehmen, wonach der Bund durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen kann, sondern Grundlagen und Grenzen der Integration speziell in der Verfassung auszuweisen. Dies war umso mehr geboten, als die Verfassungsmäßigkeit der Gründung einer Wirtschafts- und Währungsunion angezweifelt und gerügt wurde, dass die europäische Integration nunmehr ein Ausmaß erreicht habe, welches die staatlichen Entscheidungsbefugnisse substanziell aushöhle. Das Bundesverfassungsgericht stellte in seiner bedeutenden Maastricht-Entscheidung fest, dass das Demokratieprinzip die Bundesrepublik Deutschland nicht an einer Mitgliedschaft in einer supranational organisierten zwischenstaatlichen Gemeinschaft hindere. Voraussetzung sei aber, dass eine vom Volk ausgehende Legitimation und Einflussnahme auch innerhalb des Staatenverbundes gesichert sei.4
57Als Grundlage für den Vertrag von Maastricht und alle zukünftigen Integrationsschritte wurde Art. 23 GG neu eingefügt. Der Artikel enthielt zuvor die Grundlage der Wiedervereinigung und war mit deren Vollendung (passenderweise) frei geworden. Art. 23 Abs. 1 GG nF. bestimmt, dass die Bundesrepublik zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union mitwirkt, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Artikel enthält weitere Regelungen über die Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union, für die entsprechende Ausschüsse eingerichtet wurden (Art. 45 und 52 Abs. 3a GG). In Umsetzung des Vertrags von Maastricht fand außerdem das kommunale Wahlrecht für nichtdeutsche Unionsbürger Eingang in die Verfassung, und es wurde die notwendige Ermächtigung zur Übertragung von Aufgaben und Befugnissen der Deutschen Bundesbank auf die Europäische Zentralbank geschaffen (Art. 88 Satz 2 GG).
58Bis zur Föderalismusreform im Jahre 2006 erfuhr das Grundgesetz vor allem im Grundrechtsteil weitere Änderungen, von denen die Zulassung von Frauen zum Militärdienst (Art. 12a Abs. 4 Satz 2 GG) auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum gemeinschaftsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Arbeitsleben5 zurückgeht. In europäischem Zusammenhang steht auch die Einschränkung des Asylrechts durch das 47. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 29. November 2000.6