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2.1Republik und Demokratie
Оглавление69Mit der Bestimmung der Staatsform als Republik ist die Absage an Monarchie und Diktatur verbunden. Die Verfassung schließt damit aus, dass die Funktion des Staatsoberhaupts auf Lebenszeit ausgeübt und im Wege der Erbfolge weitergegeben wird; weitergehend enthält sie die Absage an den Erwerb von staatlichen Funktionen durch Erbfolge überhaupt. Darüber hinaus lässt sich der Staatsform der Republik das Postulat entnehmen, dass die Ausübung von Staatsämtern dem Gemeinwohl zu dienen hat.5 Das Staatsstrukturprinzip findet seine Ausprägung insbesondere im V. Abschnitt des GG (Art. 54–61 GG), der vom Bundespräsidenten handelt.
70Die Demokratie ist nicht notwendig mit der Republik verbunden. Der Begriff bezeichnet eine Volksherrschaft, ist im Übrigen aber denkbar weit und umfasst die verschiedensten Typen: die plebiszitäre (unmittelbare) Demokratie, die repräsentative (mittelbare) Demokratie, die Rätedemokratie und viele mehr.6 Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG benennt als demokratische Verfahren Wahlen und Abstimmungen – erstere sind Entscheidungen über Personen, letztere Entscheidungen über Sachfragen. Die Ausprägung des Demokratieprinzips als repräsentative, parlamentarische Kanzlerdemokratie ergibt sich erst und insbesondere aus Art. 38 GG, der den Abgeordnetenstatus und die Wahlrechtsgrundsätze regelt, aus Art. 63 GG (Kanzlerwahl), 67 GG (Misstrauensvotum) und 68 GG (Vertrauensfrage), die das Verhältnis zwischen Bundestag und Bundeskanzler prägen, sowie aus dem weitgehenden Fehlen von Regelungen über Abstimmungen. Solche finden sich nur in Bezug auf die Neugliederung der Bundesländer in Art. 29 GG und speziell für den süddeutschen Raum und Berlin/Brandenburg in Art. 118 und 118a GG.7 Die Ermöglichung unmittelbarer Demokratie auf Gemeindeebene in Art. 28 Abs. 1 Satz 4 GG und die Schaffung einer neuen Verfassung gemäß Art. 146 GG betreffen jeweils Sonderfälle.
71Der Sinn und Nutzen von Plebisziten auf Bundesebene ist eine politikwissenschaftliche Frage.8 Verfassungsrechtlich ist streitig, ob plebiszitäre Elemente zusätzlich zu den wenigen im Grundgesetz genannten Fällen durch schlichtes Bundesgesetz eingeführt werden können. Systematisch spricht dagegen, dass die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes abschließend geregelt sind und für deren Inanspruchnahme allein das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren zur Verfügung steht.9 Eine Delegationsermächtigung an das Volk besteht nicht, anders etwa als zugunsten der Exekutive in Art. 80 GG. Das Argument, eine „Rück“-Delegation an den Souverän sei stets und voraussetzungslos möglich, überzeugt nicht, weil damit die abschließende Verbindlichkeit des Verfassungstextes und infolgedessen die Rechtsstaatlichkeit im Kern getroffen würde.10 Die systematische Interpretation bestätigt also, was auch der Entstehungsgeschichte zu entnehmen ist, nämlich, dass die Verfassungseltern auf Bundesebene keine Elemente plebiszitärer Demokratie aufnehmen wollten.11 Auch wenn die Plebiszite während der Weimarer Republik weder ihrer Art noch ihrer Zahl nach12 als Grundlage für „schlechte Erfahrungen“ ausreichen, mag doch die in anderer Weise vielfach erlebte Manipulierbarkeit der Massen während des Nationalsozialismus die Ablehnung motiviert haben. Der Begriff der Abstimmung in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ist dennoch von Bedeutung, nicht nur für die wenigen Spezialregelungen im Grundgesetz, sondern vielmehr als Grundlage für die zahlreichen plebiszitären Bestimmungen in den Landesverfassungen13, die demgemäß nicht außerhalb der von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG geforderten strukturellen Homogenität zwischen Bundes- und Landesverfassungen liegen.14