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5.3Föderalismusreform I
Оглавление59Das 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 20067, das in seinen wesentlichen Teilen zum 1. September 2006 in Kraft trat, bildete den ersten Teil der Föderalismusreform. Die besonders schwierige Reform der Finanzverfassung wurde auf den zweiten Teil verschoben.
60Am 16. und 17. Oktober 2003 fassten Bundestag und Bundesrat den Beschluss, eine gemeinsame Kommission einzusetzen mit der Aufgabe, Vorschläge zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung zu erarbeiten.8 Die Vorschläge sollten darauf zielen, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen sowie die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung zu steigern. Diese Zielsetzungen verdeutlichen gleichzeitig die Gründe für die Reform. Außerdem sollte der weiteren Entwicklung der Europäischen Union sowie der Stellung der Kommunen Rechnung getragen werden.9 Auf dem Prüfstand standen die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten, die Mitwirkungsrechte der Länder an der Bundesgesetzgebung sowie in Bezug auf die Finanzbeziehungen insbesondere die Mischfinanzierungstatbestände gemäß Art. 91a und b sowie Art. 104a Abs. 4 GG aF.
Die Kommission war mit je 16 Mitgliedern aus den beiden Gründungsorganen besetzt. Ohne Stimmrecht beteiligten sich außerdem Vertreter der Bundesregierung, der Landtage und der kommunalen Verbände an der Arbeit der Kommission, die zudem durch zahlreiche Sachverständige unterstützt wurde.10 Die Kommission bildete sieben Projektgruppen, denen sich entnehmen lässt, wo der größte Reformbedarf gesehen wurde. Zu nennen sind:
– Art. 84 GG und die materiellen Zugriffsrechte der Länder (auf die Bundesgesetzgebung) sowie „Europa“,
– Gesetzgebungskompetenzen im öffentlichen Dienst, Besoldungs- und Versorgungsrecht, Innere Sicherheit, Versammlungsrecht,
– Bildung und Kultur,
– Gesetzgebungskompetenzen im Umwelt- und Verbraucherschutzrecht,
– mögliche Gesetzgebungskompetenzen mit regionaler Bedeutung,
– Finanzthemen (zB. Mischfinanzierungen), einschließlich Fragen der Zustimmungsbedürftigkeit wegen Kostenfolgen von Bundesgesetzen,
– Hauptstadt.
61Am 17.12.2004 beendete die Kommission ihre Arbeit.11 Angesichts unüberbrückbarer Differenzen hinsichtlich der Kompetenzverteilung im Bereich von Bildung und Forschung schien das Vorhaben vorerst gescheitert. Erst nach der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag im September 2005, die zur Bildung einer großen Koalition von CDU und SPD führte, wurde eine Einigung möglich. Nach einigen Verhandlungen und Modifikationen des Gesetzentwurfs beschloss der Bundestag den ersten Teil der Föderalismusreform als 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes sowie kurze Zeit später das Föderalismusreform-Begleitgesetz.12
Gemäß Art. 22 Abs. 1 GG ist nunmehr Berlin verfassungsrechtlich zur Hauptstadt bestimmt. Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes wurden in erheblichem Umfang geändert. Die Rahmengesetzgebungskompetenz gemäß Art. 75 GG aF. wurde gänzlich abgeschafft. Ein Teil der Materien, die der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zugehören, kann nunmehr vom Bund ohne zusätzliche Erforderlichkeitsprüfung geregelt werden (Art. 72 Abs. 1 GG); andere unterliegen einer Erforderlichkeitsklausel (Art. 72 Abs. 2 GG); in Bezug auf einen dritten Teil, bei dem es sich in erster Linie um die Materien der bisherigen Rahmengesetzgebungskompetenz handelt, sind die Länder zu Abweichungen (Abweichungsgsetzgebung) befugt (Art. 72 Abs. 3 GG).
Die bisherige Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen wegen bundesrechtlicher Verfahrensregelungen gemäß Art. 84 Abs. 1 GG aF. wurde aufgehoben, um auf diese Weise die Zahl der zustimmungsbedürftigen Gesetze zu reduzieren. Auch insoweit sind die Länder nunmehr aber befugt, abweichende Regelungen zu treffen (Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG).
Die Mischfinanzierungstatbestände der Gemeinschaftsaufgaben gemäß Art. 91a und b GG sowie die Finanzhilfen auf der Grundlage von Art. 104a Abs. 4 GG aF. wurden im Sinne einer Entflechtung modifiziert.
Erstmals hat die Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern für den Fall von Haftungsansprüchen wegen Verstößen gegen Unionsrecht oder Völkerrecht (Art. 104 Abs. 6 nF.) sowie im Falle von Sanktionen wegen Verstößen gegen die gemeinschaftsrechtlich geforderte Haushaltsdisziplin13 (Art. 109 Abs. 5 nF. GG) eine Regelung gefunden.
Die Verfassungsänderungen werden flankiert durch Übergangsregelungen in den Art. 125a bis 125c GG.