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Köln Porz

Die Damenstimme führte ihn in ein Gewerbegebiet, das südlich von Porz lag. Während sich im Kopfe des Amerikaners Gedanken breit machten, doch einen Denkfehler gemacht zu haben, sah er, dass neben den Hallen der unterschiedlichen Gewerbe das ein oder andere Wohnhaus stand. Sein Zielhaus war ein anderthalbgeschossiges Fertighaus. Auch hier blieb sein Anklingeln ohne Resonanz. Er wollte sich gerade enttäuscht abwenden, als sein Blick auf die danebenstehende Autohandlung fiel. Der Name Burger war nicht zu übersehen. Er hatte einen Privathaushalt vermutet und deshalb das riesige Plakat der Autohandlung nicht wahrgenommen. Burger wollte privat wohl nicht in geschäftlichen Dingen gestört werden. So erklärte sich die fehlende Rufumleitung seines privaten Telefonanschlusses zu seiner Firma. Das Autohaus Norbert Burger GmbH vertrieb Autos der Marke Ford. Gallowayy überquerte eine riesige gepflasterte Fläche, kurvte um die vielen ausgestellten Wagen herum und betrat das glasbestückte Eingangsportal.

Burger beschäftigte jede Menge Leute. Die Präsentationshalle für Neuwagen war gleichzeitig Büroraum und Verkaufsraum in Einem. Die Schreibtische waren wie Inseln inmitten eines Arrangement von unterschiedlichen Wagentypen angeordnet. Künstliche Palmen versetzten den Besucher in eine Urlaubsatmosphäre, in dem es ihm leichter fallen sollte, Geld auszugeben. Das Unternehmen musste ziemlich groß sein, denn weiter als bis zum Informationsschalter kam er nicht. Er hatte die Dame hinter dem Raumteiler übersehen. Aber ihre Stimme, welche seine Aufmerksamkeit auf sie lenkte, war höflich aber bestimmt. Ein Schild mit dem Namen Seyyit Murrat verriet, dass er es mit einer Türkin zu tun hatte. Aussehen und Gesichtszüge bestätigten diese Annahme. Ihr langes, schwarzes Haar war zu einem Knoten gebunden. Oberhalb der Theke sah man nur die dunkelblaue Jacke, die ein weißes Hemd bedeckte, dessen Kragen aber wiederum auf den Jackenkragen geklappt war. Ein blauweißer Schal war krawattenartig gebunden und verschloss die offene Brustfläche. Die Schwarzhaarige ließ trotz ihres freundlichen Verhaltens keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie hier die Kommunikationswege bestimmte. Denn als der Detektiv seinen Wunsch äußerte, den Chef persönlich sprechen zu müssen, ließ sie keinen Versuch ungenutzt, ihm einen anderen Gesprächspartner zu vermitteln. Die letzte „Drohung“, dann eben warten zu müssen, beeindruckte Gallowayy nicht. Sie führte ihn zu einer Wartelounge und bot ihm Kaffee an.

Nach der Dauer von zwei gerauchten Zigaretten kam ein Mann auf ihn zugeeilt. Anzug, Krawatte und Hemd waren geschmacklich auf einander abgestimmt. Die Farben lagen in unterschiedlichen Brauntönen. Die Aufnäher aus braunem Leder an den Ellebogen vermittelten ein sportliches Outfit. Der Vier-Tage-Bart sollte diesen Eindruck verstärken. Das, was er unter seinem Kinn an Haaren zu viel hatte, fehlte oben auf dem Kopf. Obwohl er Anfang Vierzig war, lichtete sich sein Haupthaar beträchtlich.

„So, Sie wollen sich motormäßig verbessern?“

Die braunen Augen bewegten sich lebhaft. Gallowayy fühlte sich taxiert: Männlich, PS-Gläubigkeit, Wagentyp, Finanzkraft, aber wohl auch, wie viel Provision man ihm einräumen müsste.

So als habe er keine Frage gestellt, beziehungsweise keine Antwort erwartet, fuhr er fort: „Entschuldigung, dass ich mich erst jetzt um Sie kümmern kann. Ich habe mich gerade für Sie freimachen können. Das Ehepaar, dem ich den Fokus verkauft habe, muss nun nur noch die Farbe und die Ausstattung miteinander absprechen. Sie wissen, die Domäne der Frau. Sie bestimmt, wie der Wagen aussieht, er, was unter der Motorhaube ist.“

Das Lächeln war gekünzelt, der Spruch sicher schon mehrmals abgespult. Er vermittelte dem Amerikaner den Eindruck als verkaufe er alles. Hauptsache der Kunde war zufrieden. Deshalb brauchte er auch kaum Luft zu holen, als er fortfuhr:

„An welchen Wagentyp haben Sie denn gedacht?“

Gallowayy war sofort klar, bei dem Typen würde er mit der Aussicht auf Erbschaft gar nicht weiter kommen. Hier waren andere Geschütze gefragt.

„Gallowayy ist mein Name, Gordon Gallowayy. Ich bin Privatdetektiv.”

Das Gesicht des Autoverkäufers verlor seine Fröhlichkeit. Ein Geschäft war mit seinem Besucher nicht zu machen. Die Stimme passte sich der Gemütslage an. Geschäftsmäßig kam es über seine Lippen:

„Was kann ich für Sie tun?“

Der Amerikaner wusste, dass er nun diesen Fisch nicht mehr von der Angel lassen durfte.

„Ich ermittle im Auftrage Ihrer Innung.“

„Innung?“, Die Stimme Burgers begann, seine Sicherheit zu verlieren.

„Ja, Innung“, bekräftigte Gallowayy mit deutlicher Stimme und begann seine Papiere aus der Jacke hervorzukramen.

„Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?“

Burger schluckte und nickte nach einigen Momenten des Nachdenkens. Dabei drehte er sich um. Er führte Gordon durch einen Teil des Autoparks, der wegen der vielen Pflanzen und Bäume den Eindruck vermittelte als verkaufe man hier Umweltschutz. Die Werbeplakate sprachen ein eindeutiges Wort. Er bat den Detektiv zu warten, steuerte auf einen großgewachsenen jungen Kerl zu, dem der Anzug sichtlich nicht stand, wohl weil er zu klein ausgefallen war. Man hätte ihn sich als Gewichtheber oder Ringer eher vorstellen können. An seinem Verhalten war zu erkennen, dass er zu den Erfolgleuten des Betriebs gehörte. Während Burger auf ihn einredete, nickte er nur. Als sie sich trennten, kam Burger wieder auf den Amerikaner zu.

„Ich musste mich nur noch um den Verkauf des Fokus kümmern“, nuschelte er entschuldigend.

Er meinte dabei wohl das Ehepaar, welches nur noch die Farbe ihrer Neuerwerbung festlegen wollte.

Das Besprechungszimmer, das beide betraten, war offensichtlich nicht für Kundengespräche eingerichtet, ehr für innerbetriebliche Konferenzen und Zusammenkünfte. Nüchternheit, nicht Urlaubsstimmung vermittelte der Raum. Die Wände waren in einem hellen Gelb gestrichen und einige sichtlich wertlose Bilder gaben dem nüchternen Raum etwas Leben. In einer Ecke stand ein Kaffeeautomat, die Tassen waren auf dem Kopf gedreht und lagen auf der Untertasse. Mit einer Unterbrechung durch Verkaufsverhandlungen war hier nicht zu rechnen. Burger setzte sich an die Längsseite des großräumigen Tisches, der die Mitte des Raumes einnahm, und wies Gallowayy einen Platz ihm gegenüber zu. Er stemmte seine Unterarme auf die Tischplatte aus hellem Resopal. Burger wollte sichtbar die Distanz zwischen ihnen beiden wahren.

„Sie sind also ein privater Ermittler?“

Während Burger das sagte streckte er seine rechte Hand aus. Burger musste verheiratet sein, denn ein breiter Goldring zierte seinen Ringfinger. Gallowayy hielt ihm eine Lizenz hin, die er vorher aus dem Handschuhfach genommen hatte.

„So! Gallowayy heißen Sie, Gordon Gallowayy. Aus New York sind Sie? Ich verstehe nichts.“

Burger war sichtlich verblüfft. Gallowayy fand es treffend, Burger in der Unsicherheit zu belassen, in der er sich befand. Deshalb beantwortete er die Frage nicht.

„Ich gehe Vorkommnissen nach, die illegale Machenschaften bei dem Import amerikanischer Modelle nahe legen. Wissen Sie, Verstöße gegen die Amerikanischen und Europäischen-Außenwirtschaftsgesetze.“

„Nahe legen“, konnte der Autohändler nur stottern.

„Sie haben doch verwandtschaftliche Beziehungen in die Vereinigten Staaten von Amerika?“, unterstellte der Detektiv frech.

Das Gesicht des Automannes wurde bleich. Er war nun noch nicht einmal in der Lage, eine Antwort zu geben, geschweige denn, einen Teil der Aussage zu wiederholen. Die Pause dehnte sich so, dass Gordon dachte, er hätte überzogen. Er beschloss, Signale des Entgegenkommens zu senden, um an weitere Informationen zu gelangen.

„Es gibt da einige Erkenntnis des FBI. Weil Ihre Innung davon auch betroffen ist, will sie eine verdeckte Untersuchung bei ihren Mitgliedern durchführen. Die Öffentlichkeit soll raus gehalten werden. Sie verstehen? Es sind amerikanische Pkws importiert worden, und ohne Anpassung an die EU-Gesetze hier weiter verkauft worden. Sie importieren doch Autos aus den Staaten?“

„Ja“, kam es zögerlich über seine Lippen, „aber über Geschäftliches muss ich nicht reden. Selbstgefällig verzogen sich seine Lippen nach hinten.

„Ganz wie Sie wollen!“ Die Stimme des Privatdetektivs klang wieder herablassend. „Ich rufe gleich den Wirtschaftsattache in Berlin an. Hier in Porz gibt es einen Verdachtsfall. Der Herr Burger will mit mir nicht sprechen. Dann kommt das ganze Programm. Steuerfahndung, Polizeiwagen mit Blaulicht tagelange Untersuchung Ihrer Geschäftsunterlagen, Beschlagnahme ihres Computernetzwerkes. Muss ich noch mehr nennen? Was werden Ihre Kunden wohl denken oder Ihre Geschäftspartner, wenn es hier auf dem Hof nur von Einsatzfahrzeugen wimmelt? Vielleicht ist auch Ihre Bank interessiert? Bei dem Verdacht von Unregelmäßigkeiten sperren die Ihnen möglicherweise die Kredite.“

Burger lockerte den Knoten seiner Krawatte, doch auch dadurch kehrte die Farbe nicht in sein Gesicht zurück. Burger war mit Fragen bombardiert worden und war jedes Mal eine Antwort schuldig geblieben. Er sah für sich zwei Möglichkeiten. Entweder er blockte ab, verwies gegebenenfalls auf seinen Rechtsanwalt. Aber dies konnte auch den Eindruck erwecken, er habe Dreck am Stecken. Oder er versuchte zu erfahren, was der Detektiv überhaupt so wusste. Mit dem Rechtsanwalt konnte er immer noch kommen. Burger beschloss, erst einmal in Erfahrung zu bringen, was man ihm vorwarf, was sein Gegenüber wusste. Diese Entscheidung wirkte beruhigend und der Pulsschlag normalisierte sich zusehends. Die Luft strömte langsam in die Lungen des Automannes. Seine Anspannung legte sich etwas, aber Burgers Körper zeigte nach wie vor die Spannung, die in ihm herrschte.

Gallowayy merkte sofort, dass sein Gegenüber etwas zu verschweigen hatte. Saß die Ratte im Netz? Aber da Gallowayy an Unregelmäßigkeiten in den Handelsbeziehungen überhaupt nicht interessiert war, überspielte er merklich diese Angelegenheit. Ihn interessierten ja nur der Kontakt in die Staaten.

„Und was ist mit den Beziehungen nach drüben?“

Burger entspannte sich sichtbar. Er lehnte sich befreit zurück. Sein jovialer Charakter gewann wieder die Überhand. Er fragte nach, ob er einen Kaffee reichen dürfte. Nachdem der Detektiv dies abgelehnt hatte kreuzte er seine Beine. Er hüstelte leise.

„Es gibt da einen Bekannten, ich glaube in New York, aber Jake habe ich schon lange nicht mehr gesehen.“ Burger hatte blitzschnell für sich die Strategie entwickelt, einen fiktiven Kontakt einzuräumen, den man ja immer wieder korrigieren konnte. Er wähnte sich schon aus dem Schneider, als der Amerikaner den Namen nannte.

„Dieter Waldfels, alias Dave Burroughs?“, hakte Gordon nach. Bluff gehörte nicht nur zu einem Pokerspiel sondern auch zum Handwerkszeug eines Privatermittlers.

„Woher wissen Sie?“

Das Wort >Bingo< wirbelte durch den Kopf des Amerikaners. Ein vielfältiges Echo spielte in seinen Schädel Pingpong und kam erst langsam zur Ruhe, als er das Erstaunen im Gesicht des Autohändlers sah. Das Schmunzeln, welches sich in seinen Gesichtszügen breit machte, konnte er sich nicht verkneifen. Der Automann verstand diesen Stimmungswechsel nicht als Schwäche des Fragers, sondern als absolute Beherrschung der Situation. Er erbleichte soweit, dass seine Gesichtsfarbe eine leicht bläuliche Färbung annahm. Gleichzeitig versteiften sich seine Muskeln.

„Woher kennen Sie den Namen meines Vetters?“, brachte er in Wortfetzen schließlich hervor.

Der Detektiv machte eine lässige, abwertende Bewegung mit der rechten Hand, so als gehörte dies zu seinem Tagessgeschäft, dass keiner weiteren Erläuterung bedurfte. Eilfertig fügte der Geschäftsmann dann hinzu: “Aber ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm. Schon seit 1995 nicht mehr. Ehrlich!“

„Wenn dies stimmt, dann könnte alles nach amerikanischem Recht verjährt sein.“ Gallowayy wusste nicht, ob das juristisch stimmte, aber er wollte an Informationen kommen, keinen Prozess führen. Er war sich bewusst, dass er nun den Wind etwas aus den Segeln nehmen musste. Er wollte Burger bewusst eine Brücke bauen. Deshalb stellte er die Situation so da, als gebe es lediglich Verfehlungen gegen seinen Vetter und nicht mehr gegen ihn. Die Autoimporte, die er zusammen mit Waldfels organisiert hatte, interessierten die amerikanische Justiz – so log er dreist nur in sofern, als sie Waldfels betrafen. Er hatte somit erstmals nichts zu befürchten, denn der Importbetrug lag lange Jahre zurück und war wohl verjährt.

Burger lebte bei dieser Schilderung sichtlich auf. Sollten die Amerikaner doch Waldfels in die Mangel nehmen. Diese Erleichterung machte ihn mitteilungsfreudig. Er berichtete dem Fahnder von seinen letzten Kontakten mit seinem Vetter. Burger war ein misstrauischer Mensch, auch was die eigene Verwandtschaft betraf. Bei solchen Geschäften konnte man nie vorsichtig genug sein. Bei seinem letzten Besuch in seiner Firma hatte er sich unter der Vorgabe einer Probefahrt in den Besitz der Papiere seines Vetters gesetzt. Jetzt konnte er von sich ablenken, indem er den Inhalt dieses Ausweises verriet. Nach zehn Minuten hatte der Detektiv erfahren, was er über Dieter Waldfels wissen wollte. Sein ursprünglicher Gedanke, über die mütterliche Linie zum Erfolg zu kommen. hatte geklappt. Dieter Waldfels nannte sich nun Walter Burger und wohnte in Duisburg.

Der Mann ohne Konturen

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